Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Ein letzter Tanz

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
592 Seiten
Deutsch
Piper Verlag GmbHerschienen am13.10.20141. Auflage
Zu ihrem 75. Geburtstag hat sich Esme etwas Besonderes ausgedacht: Sie versammmelt ihre gesamte Familie in dem einstigen Herrenhaus »Rosindell«. Doch trotz der traumhaften Kulisse mag keine feierliche Stimmung aufkommen, zu viele traurige Erinnerungen stecken in den Wänden des alten Gemäuers ... Alles begann mit einem Tanz, für Esme der schönste Tanz ihres Lebens - ausgerechnet Devlin, für den sie schon seit Kindertagen schwärmte, forderte sie auf der Verlobungsfeier ihrer Schwester Camilla auf. Wie glücklich sie damals war! Doch dies sollte sich als der größte Irrtum ihres Lebens erweisen, denn mit dem Tanz nahm eine unheilvolle Liebesgeschichte ihren Lauf, die noch immer in ihrer Familie nachklingt. Bis Esme sich an ihrem Geburtstag entschließt, dem Fluch ein Ende zu setzen ...

Judith Lennox, geboren 1953 in Salisbury, wuchs in Hampshire auf. Sie ist eine der erfolgreichsten Autorinnen des modernen englischen Gesellschaftsromans und gelangt mit jedem neuen Buch auf die deutschen Bestsellerlisten. Judith Lennox liebt Gärtnern, ausgedehnte Wanderungen, alte Häuser und historische Stätten. Sie lebt mit ihrem Mann in Cambridge. Die beiden sind Eltern dreier erwachsener Söhne.
mehr
Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR10,99

Produkt

KlappentextZu ihrem 75. Geburtstag hat sich Esme etwas Besonderes ausgedacht: Sie versammmelt ihre gesamte Familie in dem einstigen Herrenhaus »Rosindell«. Doch trotz der traumhaften Kulisse mag keine feierliche Stimmung aufkommen, zu viele traurige Erinnerungen stecken in den Wänden des alten Gemäuers ... Alles begann mit einem Tanz, für Esme der schönste Tanz ihres Lebens - ausgerechnet Devlin, für den sie schon seit Kindertagen schwärmte, forderte sie auf der Verlobungsfeier ihrer Schwester Camilla auf. Wie glücklich sie damals war! Doch dies sollte sich als der größte Irrtum ihres Lebens erweisen, denn mit dem Tanz nahm eine unheilvolle Liebesgeschichte ihren Lauf, die noch immer in ihrer Familie nachklingt. Bis Esme sich an ihrem Geburtstag entschließt, dem Fluch ein Ende zu setzen ...

Judith Lennox, geboren 1953 in Salisbury, wuchs in Hampshire auf. Sie ist eine der erfolgreichsten Autorinnen des modernen englischen Gesellschaftsromans und gelangt mit jedem neuen Buch auf die deutschen Bestsellerlisten. Judith Lennox liebt Gärtnern, ausgedehnte Wanderungen, alte Häuser und historische Stätten. Sie lebt mit ihrem Mann in Cambridge. Die beiden sind Eltern dreier erwachsener Söhne.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783492967631
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum13.10.2014
Auflage1. Auflage
Seiten592 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2046 Kbytes
Artikel-Nr.1532454
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



18. September 1974

UND IN DER FERNE das Geräusch des Meeres.

Mit geschlossenen Augen lauscht sie dem Auf und Ab der Wellen. Sie sieht die wogende Brandung vor sich, die am Strand einen Schaumstreifen hinterlässt, wenn sich das smaragdgrüne Wasser, in dem hundert glänzende rosa und gelbe Kiesel schwimmen, wieder zurückzieht. Sie sieht die schwankenden schwarzgrünen Wipfel der Kiefern auf den Felsen und den windbewegten Ginster.

Esme öffnet die Augen. Sie ist in ihrem Schlafzimmer in Little Coxwell, hundertzwanzig Kilometer von der Küste entfernt. Draußen regt sich kein Lüftchen, und doch kann sie noch immer das Meer hören. Wird sie vielleicht langsam verrückt, dement - oder kann es sein, dass sie tatsächlich im Sterben liegt, ihr müdes Herz jetzt einfach aufgibt und sie schon auf dem Weg ins Paradies ist?

Heute nicht, denkt sie. Heute habe ich zu tun.

Der Schlag der Wellen wird jetzt schwächer, und sie erinnert sich, dass sie vom Meer geträumt hat. In dem Traum ist sie mit ihrer Schwester Camilla den Strand entlanggerannt. Sie spürt immer noch den harten, festen Sand unter ihren bloßen Füßen, das Reiben der Körnchen zwischen ihren Zehen und, an der Fußsohle, den Schmerz vom Tritt auf eine scharfkantige Muschel. Sie läuft, so schnell sie kann, mit keuchenden Atemstößen, um Camilla einzuholen, deren flachsblonde Zöpfe wie Banner hinter ihr herfliegen und die immer kleiner zu werden scheint. Als Esme endlich das andere Ende der Bucht erreicht, ist ihre Schwester schon die schroffen Felsen hinaufgeklettert. Sie steht oben auf dem Vorsprung, der ins Wasser hineinragt, und lacht, während die weiße Gischt der Wellen sie durchnässt, lacht über die dumme kleine Esme, die vor Höhen und dem Meer Angst hat.

Das alles ist Erinnerung. Sie sieht Tom noch durch die weiß gesäumten Wellen laufen, sieht sich, wie sie ihren kleinen Eimer umkippt und einen makellosen Sandkegel auf den Strand setzt. Sieht die Kinderfrau das Picknick auspacken; den Chauffeur dösend im Daimler, der im Schatten der Bäume steht.

Sie muss fünf oder sechs Jahre alt gewesen sein. Ein paar Jahre später hätten ihre Mutter oder die Kinderfrau geschimpft, sie benähmen sich wie ungezogene Rangen. Rangen, denkt sie, in ihrem Bett ausgestreckt, ganz wach jetzt, während ihr Blick zu dem grauen Streifen Licht zwischen den Vorhängen wandert. Sie hat das Wort seit Jahren nicht mehr gehört. Gibt es heute überhaupt noch Rangen? Die Zeiten ändern sich, geht ihr durch den Kopf. Sie erinnert sich an die Sommerkleider, die sie und Camilla trugen. Schichten von Hemdchen, Unterhöschen, Unterrock, rüschenbesetztem Voilekleidchen und Trägerschürze hatten damals als passend für einen Tag am Strand gegolten. Sie denkt an Corals Jeans und ärmellose T-Shirts. Ja, die Zeiten ändern sich, und manchmal zum Besseren.

Das Rauschen des Meeres wird leiser und verstummt. Sie schaut auf die Uhr und seufzt. Zwanzig nach fünf: so lange noch, bis Zoe kommt. Eine Mischung aus Ungeduld und Angst quält sie, ähnlich wie vor dem Start eines Flugzeugs, wenn man den Moment endlich hinter sich haben möchte. Oder wie vor einem Tanzabend. Sie ist immer die weniger auffallende, weniger beachtete Tochter gewesen, das Mädchen, das im Ballsaal unsicher und gehemmt im Hintergrund stand und sich fragte, was die Leute von ihr dachten. Das ist einer der großen Vorteile des Alters, denkt sie, dass ihr das längst egal ist.

Diese Beklemmung, dieser Druck im Magen, wenn sie an das Sommerfest heute Abend denkt, sind nichts als Angst vor dem Versagen, das weiß sie. Sie hat alles sorgfältig geplant, aber es kann immer etwas schiefgehen, sie kann etwas falsch eingeschätzt oder vergessen haben, es kann sein, dass ihre störrische, zerrissene Familie nicht mitmacht. Oder einfach nicht erscheint. Das ist vielleicht mein letzter Geburtstag, in meinem Alter weiß man nie. Sie hat ein bisschen auf die Tränendrüse gedrückt, mehr als einmal in den vergangenen Wochen die hinfällige alte Dame gespielt.

Der Tag kann ihr trotzdem entgleiten, in die Vergangenheit entschwinden wie die davonrennende Camilla. Sie hat Angst, dass sie zögern, dass ihr die Courage fehlen wird, der Vergangenheit ins Auge zu sehen, und dass sie wieder unten im Sand stehen wird, während Camilla von oben triumphierend auf sie herabschaut und sie ein letztes Mal auslacht. Sie hat Angst, dass ihr Herz, von dem ihr Arzt, der jung und taktlos ist, sagt, dass es langsam »schlappmacht«, nicht durchhält und sie die Wahrheit nie erfahren wird.

Sie merkt, wie ihre Ängste über ihr zusammenzuschlagen drohen wie Meereswellen, und versucht mit geschlossenen Augen tief durchzuatmen. Seit einiger Zeit geht sie einmal in der Woche zu einem Yogakurs im Gemeindehaus des Dorfes - sie mit einer Handvoll junger Mütter, die die Schwangerschaftspfunde loswerden wollen -, und nun sagt sie sich im Kopf die Anweisungen der springlebendigen jungen Lehrerin vor: einen Muskel nach dem anderen entspannen; aus dem Zwerchfell atmen, nicht aus der Brust; den Kopf leer machen.

Ihre Gedanken wandern, und sie ist wieder in Rosindell. Sie geht durch den Garten, weg von den Gästen auf der Loggia und der Terrasse. Die Musik, irgendein altes Lied, klingt ferner und ferner, während sie dem Bachlauf zu den Bäumen folgt. Ein kalter weißer Mond verwandelt das Gras in Eisenspäne, und die tiefroten Kerzen der Rhododendren scheinen zu glühen. Die Lichter vom Haus verschwinden, wie in einem Traum geht sie unter den Steineichen hindurch, und die nassen Farnblätter streifen ihre Füße. Sie hört das Meer, sie riecht die würzig-salzige Luft. Sie steht oben auf den Klippen, und schwindelerregend tief unter ihr krachen die Wellen an den Fels.

Sie muss eingeschlafen sein. Das Läuten des Telefons schreckt sie auf. Ihr Herz - ihr schlappes Herz, denkt Esme verdrossen - schlägt wie wild, als sie ihren Morgenrock überzieht und nach unten läuft. Zoe drängt sie immer wieder, im Schlafzimmer einen zweiten Apparat aufstellen zu lassen, doch davon will Esme nichts wissen: Was das kosten würde. Außerdem gehört sie einer Generation an, der das Telefon Respekt und eine gewisse Furcht einflößt. Man benutzt es sparsam oder in Notfällen.

Sie hat Mühe beim Atmen, als sie den Fuß der Treppe erreicht, und ihre rechte Hüfte tut weh. Sie greift nach dem Hörer und nennt ihren Namen.

»Mama, ich bin s nur, keine Sorge.« Zoes Stimme. »Alles Gute zum Geburtstag.«

»Danke, Schatz.«

»Entschuldige, dass ich so früh anrufe, aber ich habe heute einen Haufen zu erledigen. Übrigens, Philippe kommt auch.«

»Philippe?«

»Du weißt doch, Corals Vater.« Der gönnerhafte Ton, mit dem die Jungen das unzuverlässige Gedächtnis der Alten anstoßen. »Er hat gestern Abend angerufen und gefragt, ob er mitkommen kann. Es soll eine Überraschung werden, wir dürfen also Melissa und Coral nichts verraten.« Zoe wirkt zerstreut. Esme stellt sich ihre Tochter vor, wie sie, den Telefonhörer zwischen Ohr und Schulter geklemmt, beim Reden Zahlenreihen prüft.

»Natürlich, Schatz.« Müde und immer noch beklommen, denkt sie doch daran zu sagen: »Lieb von dir, dass du das tust, Zoe.«

»Kein Problem. Also dann um drei, Mama.«

Als Esme sich eben verabschieden will, sagt Zoe plötzlich: »Ich bin immer noch überrascht - überrascht, dass du es in Rosindell machen willst.«

»Tatsächlich?«, erwidert Esme nur. »Na ja, ich gehe jetzt besser meine Sachen zurechtlegen.«

»Du hast noch nicht gepackt?«

Esme weiß, dass Zoe ihre Garderobe für das Wochenende schon Tage im Voraus geplant haben wird. Sie wird ihren Koffer am Freitag nach der Arbeit gepackt und das Kleid für die Party in Seidenpapier gehüllt haben, damit es nicht zerknittert.

»Ach, das geht ganz schnell«, sagt sie beschwichtigend. »Ich stehe pünktlich mit meinem Koffer in der Hand vor der Tür, ich verspreche es.«

Sie beendet das Gespräch. Es ist Viertel nach sieben Uhr morgens, und der Garten ist früh am Tag immer am schönsten. Sie zieht ihren Trenchcoat über Nachthemd und Morgenrock, steigt in ein Paar Gummistiefel und geht hinaus.

Die Tautropfen im Gras blitzen wie Diamanten. Es ist nur ein kleiner Flecken Gras - sie mag Rasen nicht, dieses dauernde Mähen und Düngen -, doch sie hat Schlüsselblumen und Kaiserkronen angepflanzt, und im Frühjahr erinnert sie das kleine grüne Viereck an die blumenprächtigen Wiesen ihrer Kindheit in Devon. Esmes Haus steht in der Mitte eines Gartens von vielleicht einem Viertel Morgen. Das Cottage mit den kleinen Fenstern und den niedrigen Decken ist altmodisch und wenig komfortabel, sie hat es wegen des Gartens gekauft. Er ist ihr kleines Paradies, von Mauern umgeben, die sie vom Dorf abschließen. Natürlich war es Rosindell, das sie diese Gewohnheit des Alleinseins gelehrt hat.

Schmale Kieswege teilen die Beete, Bienen summen über den Fetthennen, die jetzt blühen. Sie mag den September, ihren Geburtsmonat: Er kann noch Fülle bieten und hat doch nicht die trockene, drückende Hitze des Augusts, die in einem kühlen, regnerischen Land immer unnatürlich erscheint.

Esmes Hühner, hübsche, kecke Buff Orpingtons, scharren im Gebüsch. Im Apfelbaum sitzt eine Drossel und singt. Sie weiß, warum sie von Camilla geträumt hat, doch der Traum hat sie auch an etwas erinnert, woran sie seit Jahren nicht gedacht hat: die Eifersucht auf ihre ältere Schwester, die sie als Kind so bitter gequält und ihr inneres Gleichgewicht erschüttert hat. Seltsam, denkt sie, wie die alten Unsicherheiten bleiben,...


mehr

Autor

Judith Lennox, geboren 1953 in Salisbury, wuchs in Hampshire auf. Sie ist eine der erfolgreichsten Autorinnen des modernen englischen Gesellschaftsromans und gelangt mit jedem neuen Buch auf die deutschen Bestsellerlisten. Judith Lennox liebt Gärtnern, ausgedehnte Wanderungen, alte Häuser und historische Stätten. Sie lebt mit ihrem Mann in Cambridge. Die beiden sind Eltern dreier erwachsener Söhne.