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Unsere dunkle Seite

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
352 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am19.07.2021
Ein weltberühmtes Tänzerpaar, gefangen in einem zerstörerischen Ehedrama mit fatalen Konsequenzen ...
Mischa und Nikolaj sind die Stars der internationalen Ballettwelt. Beruflich erfolgreich, musste das Ehepaar jedoch einen tragischen Schicksalsschlag hinnehmen: Bei einem Autounfall kam ihre gemeinsame Tochter ums Leben. Für einen Neuanfang zogen sie daraufhin von London zurück nach Amsterdam. Als in ihrer Wohnung ein schreckliches Feuer ausbricht, kommen die beiden mit schweren Verbrennungen ins Krankenhaus. Die Polizei ermittelt wegen Brandstiftung, und plötzlich beschuldigt sich das vermeintliche Traumpaar gegenseitig des versuchten Mordes. Beide haben etwas zu verbergen und nur einer von ihnen sagt die Wahrheit ...

Die niederländische Schriftstellerin Anita Terpstra, geboren 1975, studierte Journalismus und Kunstgeschichte und arbeitete danach als freie Journalistin für einige Zeitschriften. Nach »Anders« und »Die Braut« ist »Unsere dunkle Seite« ihr dritter Roman bei Blanvalet.
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Produkt

KlappentextEin weltberühmtes Tänzerpaar, gefangen in einem zerstörerischen Ehedrama mit fatalen Konsequenzen ...
Mischa und Nikolaj sind die Stars der internationalen Ballettwelt. Beruflich erfolgreich, musste das Ehepaar jedoch einen tragischen Schicksalsschlag hinnehmen: Bei einem Autounfall kam ihre gemeinsame Tochter ums Leben. Für einen Neuanfang zogen sie daraufhin von London zurück nach Amsterdam. Als in ihrer Wohnung ein schreckliches Feuer ausbricht, kommen die beiden mit schweren Verbrennungen ins Krankenhaus. Die Polizei ermittelt wegen Brandstiftung, und plötzlich beschuldigt sich das vermeintliche Traumpaar gegenseitig des versuchten Mordes. Beide haben etwas zu verbergen und nur einer von ihnen sagt die Wahrheit ...

Die niederländische Schriftstellerin Anita Terpstra, geboren 1975, studierte Journalismus und Kunstgeschichte und arbeitete danach als freie Journalistin für einige Zeitschriften. Nach »Anders« und »Die Braut« ist »Unsere dunkle Seite« ihr dritter Roman bei Blanvalet.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641246723
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum19.07.2021
Seiten352 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3697 Kbytes
Artikel-Nr.4940542
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

5.
Nikolaj

Nach einem langen Probentag kam ich nach Hause. Drinnen brannte kein Licht, und das befremdete mich, denn Mischa war früher aufgebrochen als ich. Das wusste ich, weil der Portier beim Nationalballett mir sagte, ich hätte sie knapp verpasst. Aber vielleicht kaufte sie ja noch ein. Gregory war nicht da, er übernachtete zum ersten Mal in seinem Leben bei einem Freund.

Mischa war allerdings doch zu Hause, stellte ich beim Betreten der Küche fest. Sie saß bei ausgeschaltetem Licht mit einem Glas Wein am Tisch. Vor ihr stand die noch zu einem Viertel gefüllte Flasche.

»Auch einen Schluck?«, hatte sie gefragt.

»Mir scheint, du hattest schon genug.«

»Das hier ist mein erstes Glas.«

Ich schaltete das Licht ein. »Danach sieht es aber nicht aus«, sagte ich und hielt demonstrativ die Flasche hoch.

»Die habe ich schon vor einer Woche aufgemacht.«

»Bist du sicher, dass das keine andere Flasche war?«

»Was meinst du damit?«, fragte sie giftig.

»Du trinkst viel zu viel.«

Auseinandersetzungen mit Mischa waren anders als die, die ich von anderen Partnerinnen kannte. Mit denen war es einfach gewesen: Ich griff sie an, sie mich. Beschuldigungen flogen hin und her, es gab Geschrei und Tränen. Mit Mischa war das nicht so. Manchmal lief sie davon, manchmal reagierte sie gar nicht auf das, was ich sagte, sondern machte einfach mit dem weiter, was sie gerade tat, als hätte sie mich überhaupt nicht gehört; manchmal entschuldigte sie sich mit einem freundlichen Lachen, und manchmal sprach sie plötzlich über etwas ganz anderes. Was sie jetzt tat, hatte sie noch nie zuvor gemacht.

Sie schlug mich. Mit der flachen Hand. Auf die Wange.

Ich brach in Gelächter aus, ich konnte einfach nicht anders. »Ist das alles?«, wollte ich wissen.

Daraufhin hatte sie mir den Wein ins Gesicht geschleudert. »Wie kannst du es wagen?«, schrie sie.

»Wie kannst du es wagen?«, blaffte ich zurück.

»Du machst mich kaputt.«

»Du machst dich selbst kaputt, indem du so viel trinkst. Und schrei mich nicht so an.« Mit einem Geschirrtuch tupfte ich mir das Gesicht ab.

Sie senkte die Stimme; ihre Wut war trotzdem noch deutlich wahrnehmbar. »Jetzt übertreib doch nicht so schrecklich. Ich trinke ein Glas Wein, weil ich mich nach einem harten Arbeitstag entspannen will. Was ist denn daran so falsch?«

»Für heute Abend ist eine Bühnenprobe angesetzt, an der du teilnehmen solltest, das ist daran so falsch.« In ein paar Tagen würde die Premiere von Mata Hari stattfinden. »Früher hast du nie getrunken.«

»Früher habe ich so einige Dinge nicht getan.« Das klang wie eine unschuldige Bemerkung, aber sie war natürlich alles andere als unschuldig. In dieser Phase unseres Streits wirkten alle Worte wie Giftpfeile. Sie sollten den anderen verletzen, ihn ausschalten.

Aber noch viel mehr waren sie eine Grenze. Seit dieser einen Nacht hatte sich alles unwiderruflich verändert, auch wenn wir uns krampfhaft bemühten, weiter­zumachen wie bisher. Wenn ich fragte, was sie mit ihrer Bemerkung meinte, überquerten wir diese Grenze. Und etwas sagte mir, dass es dann keinen Weg zurück geben würde. War ich dazu bereit? Konnte ich mir das zum jetzigen Zeitpunkt erlauben?

Nach einem ganzen Tag Proben war ich völlig erschöpft und wollte vor dem Essen ein Nickerchen machen, statt einen alles versengenden, vernichtenden Streit zu führen, der mich noch zusätzliche Kraft kosten würde. Nein, entschied ich, jetzt war nicht der geeignete Moment. Ich brauchte meine gesamte Energie für die anstehende Nussknacker-Vorstellung. Dieses Stück hatte vor einigen Wochen Premiere gefeiert. Ich tanzte zusammen mit Maja, meiner Landsfrau, die Hauptrolle. Mit ihr zu arbeiten war schön. Wir teilten dieselbe Mentalität: hart arbeiten, nicht jammern, tanzen bis zum Umfallen. Und ich brauchte mehr Zeit, um meine Probleme zu lösen. Ich war dabei, einem bereits existierenden Ballett neues Leben einzuhauchen, dem ersten Akt der Giselle. In meinen Augen erhielt eine ganze Reihe klassischer Ballettstücke nicht die angemessene Aufmerksamkeit, und ich wollte das ändern, indem ich neue Inszenierungen schuf.

»Wie ist es heute gelaufen?«, wechselte ich das Thema, doch sie zuckte nur mit den Schultern. »Ich bin Kai begegnet. Er sagte, er ist sehr zufrieden.« »Zufrieden« bedeutete bei Kai van Wijnen, dem Direktor des Nationalballetts, so viel wie »begeistert«. Das hatte er zwar ganz und gar nicht gesagt, aber ich war neugierig, ob mich Mischa ins Vertrauen ziehen würde.

Sie lachte heiser. »Warum spricht er mit dir über mich?«

»So war das nicht«, gab ich zurück. Und das weißt du auch ganz genau, dachte ich. Ganz offensichtlich war sie auf Streit aus. Jedes Gespräch, das wir in der letzten Zeit miteinander führten, glich einem Minenfeld. Ein einziges falsches Wort konnte eine Explosion verursachen. Nur in Gregorys Gegenwart hielten wir uns zurück. Unser Sohn war eine Art menschliche Sicherung für Minen.

»Wir sind uns im Flur begegnet, nach eurer Durchlaufprobe.« Kai war der Choreograf von Mata Hari. Dass ich ihm begegnet war, entsprach der Wahrheit, aber danach hatten wir das Gespräch unter vier Augen in seinem Büro fortgesetzt. Kai hatte wissen wollen, wie es Mischa ging. Wie alle anderen im Corps de Ballet wusste er, dass sie trank. Vor einigen Wochen hatte Kai uns beide zu sich gerufen und uns ohne Umschweife gefragt, was los sei. Wir hatten jahrelang als Tänzer beim Royal Ballet in London gearbeitet, und man hatte uns als Stars ans Nieder­ländische Nationalballett geholt, weil man sich davon ein volles Haus erhoffte. Eine ordentliche Investition, deswegen war es nur logisch, dass sich Kai Sorgen machte. Mischa hatte ihn beschworen, das Ganze sei Unsinn, sie trinke hin und wieder ein Glas zur Entspannung, mehr nicht. Sie hatte Besserung gelobt, gesagt, sie habe eine schwere Zeit hinter sich, und das wisse er auch nur allzu gut. Dieses Gespräch sei für sie aber ein Weckruf, und sie werde sich jetzt einzig und allein aufs Tanzen konzentrieren.

Kai hatte ihr geglaubt - was blieb ihm auch anderes übrig? Aber ich wusste, dass er überall Augen und Ohren hatte. Spione, wenn man das so nennen wollte. Neulich hatte eine der Tänzerinnen aus dem Ensemble einen Schluck aus Mischas Teetasse getrunken, die auf dem Klavier stand. Nur hatte sich herausgestellt, dass sich darin kein Tee, sondern Wodka befand. Außerdem gab es Beschwerden über Mischa. Oft verschwand sie ganz plötzlich, und niemand wusste, wo sie steckte. Wenn sie dann wieder erschien, hatte sie irgendeine vage Ausrede auf Lager und erklärte, es »wäre nichts«.

Ich hatte keine andere Möglichkeit gesehen als den Angriff. Tanzte Mischa vielleicht nicht gut? Kai hatte zugeben müssen, dass das nicht der Fall war. »Noch nicht«, hatte er hinzugefügt. Eine ganz deutliche Warnung.

Natürlich wusste Kai, dass wir nicht ohne Konflikte vom Royal Ballet weggegangen waren - er hatte ja überall Kontakte. Aber diese Probleme hatten mich betroffen, nicht Mischa. Ich betrachtete das Ganze immer noch als Beweis für bürgerliche Spießigkeit. Hatte ich denn jemals weniger Leistung gebracht, weil ich hin und wieder Hasch rauchte oder Kokain nahm? Ich tanzte dann sogar besser, konnte länger durchhalten. Aber gut, das war einer der Gründe für unsere Rückkehr ans Niederländische Nationalballett gewesen.

Und was Kai anging: Der führte nur ein wenig Theater auf, um uns zu zeigen, wer hier der Boss war. Ich kannte ihn noch aus der Zeit, bevor Mischa und ich nach London gegangen waren. Er wusste, was er sich da ins Haus geholt hatte, oder besser gesagt, wen. Ich fand, er hätte keinen Grund zum Rumjammern. Unsere Namen waren ein Publikumsgarant, trotz des allgegenwärtigen Klatschs. Oder vielleicht genau deswegen. Mischa und ich bildeten ein Traumpaar. Ein Traumpaar, das tief gefallen, dann jedoch wie ein Phönix aus der Asche wiederauferstanden war, stärker als jemals zuvor.

Dieses Bild vermittelten wir zumindest nach außen hin.

Ich hatte mich im Griff, aber Mischa? Ich wusste, ich musste mit ihr reden, nur wie? Wann? Und wie sollte mir das gelingen, ohne einen Streit anzufangen, ohne dass sie mir vorwarf, das alles wäre meine Schuld - ohne ihre Drohung, allen die Wahrheit zu sagen?

Bei meinem letzten Versuch, mit ihr über ihre Alkoholsucht zu sprechen, hatte sie mir ein Glas an den Kopf werfen wollen. Es hatte mich nur ganz knapp verfehlt.

»Kai weiß, dass du trinkst. Alle wissen das inzwischen.«

»Jetzt übertreib doch nicht so. Trinken! Ab und zu ein Gläschen zur Entspannung. Das tun ganz viele andere Leute auch.«

»Auf der Arbeit? Während der Proben?«

»Das ist völliger Unsinn. Und du, du mit deinem Kokain?« Sie wandte den Blick ab, wollte mir nicht in die Augen schauen.

Ich ignorierte ihre Frage. »Letzte Woche hat mich Kai einbestellt, weil eine der Tänzerinnen im Corps de Ballet einen Schluck von deinem Tee getrunken hatte.«

Ganz kurz verbarg Mischa das Gesicht in den Händen, und als sie aufblickte, sah ich, dass sie lächelte. »Ist das alles? Ich war erkältet und hatte Halsschmerzen. Deswegen habe ich ein paar Tropfen Echinaforce-Tinktur in meinen Tee getan. Um meine Widerstandskräfte zu stärken. Da ist ein ganz kleines bisschen Alkohol drin. Du meine Güte, also wirklich«, sagte sie bissig.

Eines musste ich Mischa lassen: Sie konnte so gut lügen wie niemand sonst. So gut, dass sie überall durchkam, das hatte ich nur allzu oft miterlebt.

»Wer hat denn diesen Schluck aus meiner Tasse getrunken? Anna vielleicht? Die hasst mich, und das weißt du...
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Die niederländische Schriftstellerin Anita Terpstra, geboren 1975, studierte Journalismus und Kunstgeschichte und arbeitete danach als freie Journalistin für einige Zeitschriften. Nach »Anders« und »Die Braut« ist »Unsere dunkle Seite« ihr dritter Roman bei Blanvalet.