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The Marmalade Diaries

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
352 Seiten
Deutsch
DuMont Buchverlag GmbHerschienen am01.09.20231. Auflage
London 2021: Ben ist vierunddreißig und sucht händeringend eine bezahlbare Wohnung. Winnie ist fünfundachtzig und braucht jemanden, der ihr in ihrem großen Haus in Wimbledon zur Hand geht. Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft? Hoffentlich, denn als kurz nach Bens Einzug ein Lockdown verhängt wird, muss das ungleiche Paar ungeahnt eng zusammenrücken. Was folgt, ist ein Jahr, in dem Ben viel über das Leben lernt. Ob bei Toast mit Orangenmarmelade, der täglichen Lektüre der Times oder dem gemeinsamen Gucken von »The Crown«: Die eigenwillige und einnehmende Winnie schöpft aus den Erfahrungen eines langen Lebens und hat so einige Weisheiten für Ben parat. Warmherzig, bewegend und unglaublich komisch erzählt >The Marmelade DiariesThe Marmalade Diaries< ist sein viertes Buch.mehr
Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR13,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR16,99

Produkt

KlappentextLondon 2021: Ben ist vierunddreißig und sucht händeringend eine bezahlbare Wohnung. Winnie ist fünfundachtzig und braucht jemanden, der ihr in ihrem großen Haus in Wimbledon zur Hand geht. Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft? Hoffentlich, denn als kurz nach Bens Einzug ein Lockdown verhängt wird, muss das ungleiche Paar ungeahnt eng zusammenrücken. Was folgt, ist ein Jahr, in dem Ben viel über das Leben lernt. Ob bei Toast mit Orangenmarmelade, der täglichen Lektüre der Times oder dem gemeinsamen Gucken von »The Crown«: Die eigenwillige und einnehmende Winnie schöpft aus den Erfahrungen eines langen Lebens und hat so einige Weisheiten für Ben parat. Warmherzig, bewegend und unglaublich komisch erzählt >The Marmelade DiariesThe Marmalade Diaries< ist sein viertes Buch.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783832160838
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum01.09.2023
Auflage1. Auflage
Seiten352 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1857 Kbytes
Artikel-Nr.11595817
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


1

Unter keinen Umständen werde ich das Haus erben

21. OKTOBER 2020Ich ziehe bei Winnie ein. Sie ist fünfundachtzig und hat ihren Mann Henry vor zehn Monaten verloren. Ihre Kinder haben das Gefühl, sie könnte jemanden im Haus brauchen (offenbar jemand anderen als sie selbst), der Sicherheit halber und um hier und da anzupacken, zum Beispiel beim Kohlenholen und Müllrausbringen. Das Zimmer stand online. Als ich gesehen habe, wie niedrig die Miete ist, habe ich mich gefragt, ob die Sache einen Haken hat. Wie sich herausstellt, ist Winnie der Haken.

Winnie hat Platz. In der Hinsicht ist sie ein Naturtalent. Es ist ein frei stehendes viktorianisches Sieben-Zimmer-Anwesen. Halb eine Anhöhe hinauf. Mit riesigem Garten. In jeder Hinsicht das komplette Gegenteil von allem, was ich bisher gekannt habe. Ich bekomme eine eigene kleine Wohnung oben im Haus, wo sich früher die Dienerschaft erholt und darüber ausgetauscht hat, wie nett ihre Arbeitgeber doch sind. Versprochen ist ein Blick über Croydon.

Winnie Carter, 85, Witwe. Das ist so ziemlich alles, was ich weiß. Das und dass sie gerne gärtnert und über Malerei redet. Sie hat früher ehrenamtlich als Museumsführerin gearbeitet, sagt man mir, und die Natur des Menschseins anhand von Tizian und so weiter erläutert. Ihr Sohn, Stewart, ist Diplomat, wohnt knapp zehn Kilometer entfernt und sagt, ich soll mich nicht weiter an der Art seine Mutter stören, was immer das zu bedeuten hat. Er meint, wenn ich mich erst an ihre Eigenheiten gewöhnt habe, werden sich die Dinge schon »einpendeln«.

Natürlich habe ich ihn wegen des Coronavirus gefragt, der die Welt gerade im Sturm erobert, und ob Winnie es bevorzugen würde, wenn ich Abstand hielte und so weiter. Im Gegenteil, sagt Stewart. Sie ist fit und entspannt, sagt er. Knutscht nur nicht unbedingt gleich miteinander. Ich werde den Eindruck nicht los, dass er nichts dagegen hätte, wenn sich seine Mutter zeitig verabschiedete, damit er früher wieder an sein altes Zimmer kommt.

Ich stehe in der Einfahrt und sehe mir das Haus an. Name: Windy Ridge. Schiebefenster, einfach verglast. Gelbe Ziegel. Rote Tür. Ein ungewöhnlicher Klopfer. Stewart macht auf.

»Hallo!«

»Stewart?«

»Ben?«

Wir stoßen mit den Fäusten gegeneinander - zwei moderne Seelen, die sich verstehen. Ich biete auch Winnie meine Faust an. Sie guckt nur und schlurft an mir vorbei: »Ich sehe gerade mal nach den Mülltonnen.« Freut mich auch, Sie kennenzulernen.

Die nächste Stunde oder so verschwimmt ein bisschen in der Erinnerung. Stewart zeigt mir, wie die Alarmanlage funktioniert, wie man das Garagentor verschließt, die Hintertür, die Haustür, welche Flaschen Wein mehr wert sind als mein Leben und immer so weiter. Die notwendigen Dinge eben. Dann unterschreiben Winnie und ich einen Vertrag, in dem steht, dass ich unter keinen Umständen das Haus erben werde. Ich habe den Vertrag vorher gelesen und setze meinen Namen ohne großes Getue darunter. Winnie hat ihn nicht gelesen und es offenbar auch jetzt nicht vor. Ihr ist egal, was genau drinsteht. »Ja, ja, gib ihm den Schlüssel.« Der Gedanke drängt sich auf, dass der Familie mehr an meinem Einzug liegt als ihr.

Ich nehme an, Winnie hat ihr Okay für mich nicht unbedingt deshalb gegeben, weil sie denkt, dass wir wahnsinnig viel Spaß zusammen haben werden, sondern weil sie weiß, dass ich mich mal um einen Jungen mit Zerebralparese gekümmert habe. Winnies Ältester hat auch eine Zerebralparese, und es würde mich nicht überraschen, wenn meine neue Vermieterin vorhätte, mich zweimal die Woche zu ihm zu schicken. Wobei es im Moment nicht so einfach wäre, Arthur, so heißt er, zu besuchen. Offenbar lebt er in einem Heim, das nur ein paar Straßen entfernt liegt, und da gilt im Moment eine Nulltoleranzpolitik in Bezug auf Besuch. Was immer Winnie am Ende bewogen haben mag, meinem Einzug zuzustimmen, ich bin ihr dankbar dafür.

Ich gehe nach oben. Einmal, zweimal. Es ist tatsächlich eine Art eigene Wohnung mit einem Schlafzimmer, einer Küche, einem Bad und einem Arbeitszimmer. Ich nehme mein neues Nest in Augenschein. Es ist immer komisch, irgendwo neu anzukommen, vor allem wenn es ein neues Zuhause ist und ganz besonders wenn es Teil des Zuhauses einer frisch verwitweten Frau ist, die schon seit fünfzig Jahren hier wohnt.

Warum dieser Umzug? Es gab doch sicher offensichtlichere Möglichkeiten? Ja und nein. Ja - in meinem Alter sollte man (wenn man auch nur halbwegs normal denkt) eigentlich versuchen, eine erste eigene Bleibe zu kaufen, mit einem geliebten Menschen zusammenzuziehen oder sich doch wenigstens in einer Gegend der Stadt ein Zimmer zu suchen, die nicht von Leuten bevölkert ist, die eine Rente beziehen (oder gleich mehrere, was bei Winnie der Fall sein könnte). Nein, ich habe nicht das Geld, um zu wohnen, wo ich gerne wohnen möchte oder mit wem ich gerne zusammenwohnen würde. Ich müsste um die dreihundert Jahre arbeiten, um mir so was wie das hier leisten zu können. London ist so attraktiv wie unmöglich.

Aber es ist nicht nur das Geld, nicht allein die Miete von nur zweihundert Pfund im Monat. Meine Entscheidung hat auch mit ein paar Erfahrungen der letzten Zeit zu tun. Vor Jahren habe ich mehrfach Urlaub mit Leuten gemacht, die zweimal, dreimal so alt waren wie ich: Busreisen, alles inklusive, bei denen ich zig Bingonachmittage und -abende mitgemacht und mir zahllose Anekdoten über Rationierungen und Maggie Thatcher angehört habe. Ich habe ein Buch über diese generationsübergreifenden Reisen geschrieben, wobei The Gran Tour weder im Fernsehen von Richard & Judy empfohlen wurde noch auch nur annähernd ein Bestseller war. (Es sei denn, man betrachtet allein ein ganz spezielles Zeitfenster von fünfzehn Minuten in einem ganz speziellen Buchladen in Norwich, wo ich selbst gleich vier Exemplare gekauft habe.) Aber das alles hat mir zumindest die durchaus bedeutende Erkenntnis verschafft, dass mit einer älteren Person zusammenzuleben nicht unerträglicher sein muss als mit einer jüngeren.

Ich brauche nicht lange, um zu begreifen, dass Winnie keine leidenschaftliche Köchin ist. Das wird bereits klar, als sie mich zehn Minuten nach Stewarts Abgang fragt: »Was gibts zum Abendessen?«

Ich gehe auf Nummer sicher und mache eine Bolognese, wozu ich etwa ein Dutzend Mal zum falschen Topf und der falschen Pfanne greife. (Es ist durchaus angemessen zu sagen, dass Winnie in Bezug auf ihre Küchenutensilien einen pedantischen Zug hat.) Sie probiert einen Mundvoll (noch im Stehen, was ich für einen neuartigen Ansatz halte) und nennt das Ergebnis »amüsant«, was nach meinem Kenntnisstand nichts ist, was eine Bolognese sein will. Zur Pasta gibt es eine Focaccia, die Winnie als »entschlossen« charakterisiert. Sie hat zweifellos ihre eigene Art, Dinge zu benennen.

Wir sitzen am Esstisch, der eine Seite des Wohnzimmers einnimmt. Zwei Terrassentüren führen hinaus in den Garten. Es gibt ein Sofa, zwei Drehstühle wie in einer Vorstandsetage, einen elektrisch verstellbaren Sessel und noch einen normalen aus, wie es scheint, Kiefer sowie mehrere Kommoden und einen Eckschrank (so nennt man so etwas wohl), in dem, was weiß ich, die Überreste von Winnies letztem Mieter untergebracht sind. Ich mache mir für gewöhnlich nichts aus Möbeln, ich sitze drauf und das wars. Dennoch führe ich das alles hier auf, weil es im Prinzip das ist, worüber ich beim Essen rede. Meine Gesprächstaktik folgt zunächst grundsätzlich der Devise: »Sag, was du siehst.« Eine Kostprobe:

»Hübsche Lampe«, sage ich.

»Die Birnen halten nur nicht lange.«

»Der Garten sieht schön aus.«

»Eine nette Plage.«

»Gibt es dafür jemanden?«

»Er kommt einmal in der Woche. Ich gebe ihm dreißig Pfund und eine Dose Bier.«

»Für den Tag?«

»Schön wärs. Er bleibt drei Stunden. Was nicht annähernd ausreicht.«

»Nicht?«

»Tatsächlich hat er mir zu verstehen gegeben, dass er für Hilfe empfänglich wäre.«

»Das ist eine schöne Pfeffermühle.«

»Ziemlich störrisch, fürchte ich.«

»Was ist das für eine Pflanze?«

»Wahrscheinlich die gewöhnlichste Zimmerpflanze der Welt.«

»Ah.«

»Eine Birkenfeige. Ein Ficus benjamina.«

»Dann trägt sie also meinem Namen.«

»Das mag sein, an den Besitzverhältnissen ändert es jedoch nichts. Davon habe ich genug.«

»Wie meinen Sie das?«

»Einige Mitglieder meiner Familie haben zuletzt hier bei mir gewohnt und schienen versessen darauf zu beschlagnahmen, was nicht niet- und nagelfest war.«

»Das Arrangement hat also nicht funktioniert?«

»Nein. Hat es nicht. Weshalb Sie jetzt hier sind. Sollen wir noch eine Flasche aufmachen?«

Alles in allem ist das Essen für ein erstes Date von einer netten Unbeholfenheit. Als sich unsere Finger beim Greifen nach dem Parmesan kurz berühren, zeigt Winnie Reflexe, die ihr Alter Lügen strafen. Ungeachtet meiner Gesprächseröffnung, die mich alle Dinge im Raum ansprechen und in Winnie die Sorge aufkommen lässt, dass ich mögliche Beutestücke taxiere, würde ich sagen, unsere Unterhaltung verläuft ganz allgemein okay.

Aber sie bleibt auch an der Oberfläche, das heißt, bis Winnie ein wenig Salz auf dem Tisch verstreut und sie etwas an ihrem kleinen Missgeschick an den Verlust ihres älteren Bruders erinnert, als er achtzehn war. (Die Welt muss mit fünfundachtzig voller Erinnerungen sein, nehme ich an.)

»Er ist bei einem Rettungsversuch auf See ertrunken«, sagt sie. »Das Boot hieß Illustrious. Ich weiß noch, wie mein Vater den Anruf entgegengenommen hat. Er sagte: Ja, das stimmt...
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Autor

BEN AITKEN ist Journalist und Autor. Für seine Reportagen reiste er um die Welt, bis er bei Winnie einzog und von einem landesweiten Lockdown überrascht wurde. >The Marmalade Diaries