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Das Lied der Nacht

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
446 Seiten
Deutsch
Edel Elements - ein Verlag der Edel Verlagsgruppeerschienen am30.01.20151. Auflage
Der letzte Band der Logan-Saga Seit dem vermeintlichen Tod ihrer Eltern lebt Melody bei ihren geheimnisvollen Verwandten, der Familie Logan, an der Küste Neuenglands. Als ihr eines Tages jedoch ein Freund ein aktuelles Foto ihrer Mutter Haille zeigt, gibt es für Melody kein Halten mehr. Sie will herausfinden, warum Haille ihren eigenen Tod vorgetäuscht und sie verleugnet hat. Eine schmerzvolle Spurensuche beginnt, deren Ende ebenso überraschend wie aufregend ist...mehr

Produkt

KlappentextDer letzte Band der Logan-Saga Seit dem vermeintlichen Tod ihrer Eltern lebt Melody bei ihren geheimnisvollen Verwandten, der Familie Logan, an der Küste Neuenglands. Als ihr eines Tages jedoch ein Freund ein aktuelles Foto ihrer Mutter Haille zeigt, gibt es für Melody kein Halten mehr. Sie will herausfinden, warum Haille ihren eigenen Tod vorgetäuscht und sie verleugnet hat. Eine schmerzvolle Spurensuche beginnt, deren Ende ebenso überraschend wie aufregend ist...
Details
Weitere ISBN/GTIN9783955306618
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum30.01.2015
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.3
Seiten446 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1860232
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
1
Ein Blick in die Zukunft

Wenn man darin stand, wirkte Hollys Laden klein, denn jeder verfügbare Platz wurde genutzt. Der Geruch von Räucherstäbchen hing in der Luft, und eine Art fernöstlicher Musik wurde gespielt. Große Kristalle, scharfkantig und schimmernd, lagen auf antiken Tischen mitten im Verkaufsraum, und an den Seitenwänden standen hohe Bücherregale aus Eichenholz. Ich wandte meinen Blick den Büchern zu, die direkt neben mir standen, und stellte fest, daß die Regale mit Titeln aufgefüllt waren, in denen es um Meditationstechniken und Astrologie ging, um das Gesundbeten, das Leben nach dem Tod und parapsychologische Wundertaten, was auch immer das sein mochte.

Über die Rückwand zog sich eine breite Glasvitrine voller Glückssteine, auch blauer Topas und Zitrin, Amethyste, Granaten und andere Mineralien, die in Ohrringe eingefaßt waren. Auf den Regalen hinter der Glasvitrine standen Schächtelchen mit Räucherstäbchen, Teekistchen, Tarotkartensets und Heilkräutersortimente. Die Decke war mit Himmelskarten von den Sternbildern bedeckt, und dazwischen waren Poster angebracht, auf denen die Kräfte verschiedener Steine erklärt wurden. Über der Registrierkasse hing, von Blumen umrahmt, die Fotografie eines Mannes, von dem Holly sagte, es sei der buddhistische Guru, der sie in die Meditation eingeführt habe. Ein Vorhang aus bunten Perlenschnüren hing in der Tür, die zu den Hinterzimmern des Ladens führte.

Wir hatten den Verkaufsraum gerade erst betreten, als sich der Vorhang teilte und ein junger Mann in einem Rollstuhl im Laden erschien. Ich wußte, daß es sich bei ihm um Billy Maxwell handeln mußte. Er hatte seidiges ebenholzschwarzes Haar, das ihm auf die Schultern fiel und sein Gesicht umrahmte, ein Gesicht, dem der klare, nahezu alabasterne Teint einen engelhaften Glanz verlieh. Sowie er uns sah, leuchteten seine hellgrünen Augen auf, und ein liebevolles Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Selbst in dem weiten hellblauen Hemd war ihm deutlich anzusehen, wie kräftig und muskulös sein Oberkörper war. Aufgrund seiner Behinderung war er mehr als andere Menschen auf seine Arme und Schultern angewiesen. Er trug eine dunkle Jeans, weiße Socken und Turnschuhe. An einem Goldkettchen um seinen Hals baumelte ein großer, runder Edelstein in einer goldenen Fassung, und im durchstochenen rechten Ohrläppchen trug er einen Türkisohrring.

»Hi, Billy«, sagte Holly, als er in seinem Rollstuhl näher kam und den Blick starr auf mich richtete.

»Hi. Ich hatte dich noch nicht so früh zurückerwartet. Wie ist es gelaufen?« fragte er sie, konzentrierte sich dabei jedoch weiterhin auf mich.

»Gut. Das ist Melody.«

»Es freut mich, dich kennenzulernen«, sagte Billy und reichte mir die Hand. Er hatte lange, zarte Finger, und seine Handfläche fühlte sich warm an.

»Hi«, sagte ich. Sein Gesicht schien eine solche Friedfertigkeit auszustrahlen, eine Ruhe, die dazu beitrug, daß ich mich gleich wie zu Hause fühlte.

»Dann hast du also eine große Reise angetreten«, sagte er und lehnte sich bei diesen Worten zurück.

»Ja«, antwortete ich und konnte meine Nervosität nicht verbergen.

»Die Chinesen sagen, eine Reise von tausend Meilen beginnt mit einem einzigen Schritt, und diesen einen Schritt hast du getan. Das ist gewöhnlich der schwierigste Teil«, fügte er hinzu. »Jetzt bist du in Schwung gekommen, und diese Triebkraft wird sich verselbständigen und dich dahin tragen, wohin du gehen mußt.«

Ich nickte und warf dann Holly einen Blick zu, weil ich nicht sicher war, was ich jetzt sagen oder tun sollte. Sie lachte.

»Hier wirst du gute Ratschläge bekommen, Melody. Billy ist der beste Reiseführer in unserer Galaxis.«

Billy lächelte, ließ mich aber nicht aus den Augen. Es war befremdlich, daß er mich so intensiv anstarrte, aber ich fühlte mich nicht eingeschüchtert oder gehemmt. Ich konnte deutlich seine Aufrichtigkeit und seine Anteilnahme wahrnehmen, und es kam mir vor, als seien wir schon seit Jahren miteinander bekannt und nicht erst seit wenigen Minuten.

»Was hat sich hier inzwischen getan?« fragte Holly.

»Mrs. Hadrons Tochter hatte heute in den ersten Morgenstunden eine Frühgeburt, aber dem Baby geht es gut. Sie hat vorbeigeschaut, um sich bei uns für den Rauchquarz zu bedanken - er hat ihrer Tochter wirklich sehr dabei geholfen, die Krise zu überstehen. Und Mr. Brul ist heute morgen hier gewesen, um dir mitzuteilen, der Variszit sei ihm eine große Hilfe gewesen, sich an ein früheres Leben zu erinnern. Er hatte aufregende Einzelheiten zu berichten.«

»Ein früheres Leben?« fragte ich.

»Ja. Er glaubte, in England, Mitte des neunzehnten Jahrhunderts, gelebt zu haben. Er hat gesagt, er sei Buchhalter gewesen, und das fand er einleuchtend. Heute ist er Wirtschaftsprüfer.«

»Soll das etwa heißen, du glaubst tatsächlich, daß wir alle frühere Leben haben?« fragte ich und ließ meinen Blick von ihm zu Holly schweifen, ehe ich wieder ihn ansah.

»Ja«, sagte Billy lächelnd. »Daran besteht für mich kein Zweifel.«

»Tja, aber für den Moment werden wir uns mit Melodys derzeitigem Leben befassen müssen«, sagte Holly. »Hier entlang, Schätzchen.«

»Es tut mir leid, daß ich euch mit dem Gepäck nicht helfen kann«, entschuldigte sich Billy.

»Wir schaffen das schon«, erwiderte Holly. »In ein paar Minuten sind wir zurück.«

»Laß mich dich hier willkommen heißen, Melody, und mach dir keine Sorgen. Du bist von positiven Energien umgeben.« Seine Augen wurden klein. »Für dich wird sich alles zum Guten wenden«, sagte er voller Zuversicht. Es war, als könnte er tatsächlich in die Zukunft sehen.

»Danke«, sagte ich.

Die Türglocke läutete, und zwei ältere Damen betraten das Geschäft. Während Billy sie bediente, führte Holly mich durch den Perlenvorhang zu den Wohnräumen hinter dem Laden.

»Die hinteren Zimmer sind unsere«, erklärte sie. Ich folgte ihr durch die Tür in einen kleinen Flur. Gleich rechts neben uns lag ein Wohnzimmer mit einem breiten Dreiersofa, einem kleineren Zweiersofa, zwei Sesseln, einem Glastisch und zwei Stehlampen.

»Das hier ist Billys Schlafzimmer«, sagte sie und wies mit einer Kopfbewegung auf das erste Zimmer links. »Es ist einfacher für ihn, das Zimmer gleich hinter dem Laden zu haben. Das Zimmer nebenan ist meines, und du kannst das Zimmer gegenüber haben«, sagte sie und öffnete die Tür.

Es war ein sehr kleines Zimmer, mit einem einzigen Fenster nach hinten hinaus. Zu sehen gab es nicht gerade viel: nur eine schmale Gasse, die der Müllabfuhr als Zufahrtsweg diente, und einen kleinen umzäunten Bereich für einen Hund aus der Nachbarschaft. Der Hund hielt sich im Moment in seiner Hundehütte auf, und nur seine großen schwarzen Pfoten waren zu sehen. Vor dem Fenster hingen hellbraune Baumwollgardinen, und auf den Fensterladen waren eine Mondsichel und ein Stern gemalt. Auf dem Nachttisch stand eine große, kugelförmige zartviolette Kerze. Auf dem Bett aus dunklem Kiefernholz lagen eine hellbraune Steppdecke und farblich darauf abgestimmte Kissen. Mit seinem ockerfarbenen Teppich, den Wänden, die dunkelrosa gestrichen waren, der Lampe, dem Schaukelstuhl, dem Tischchen und der passenden Kommode aus dunklem Kiefernholz machte das Zimmer einen sehr gemütlichen Eindruck. In der Ecke über dem Stuhl hingen Glöckchen, die sich im Moment fast gar nicht bewegten.

»Dieses Zimmer wird häufig benutzt«, erklärte Holly. »Viele Leute aus unserem Freundeskreis kommen auf dem Weg nach da oder dort durch New York und bleiben über Nacht. Ich weiß selbst, daß es nur ein kleines Zimmer ist, aber ...«

»Es ist ganz prima, Holly. Ich danke dir.«

»Warum machst du es dir nicht einfach bequem hier? Das Bad ist am Ende des Ganges. Mach dich frisch. Ich werde mich auch frisch machen und meine Schwester anrufen. Dann essen wir etwas zu Abend. Billy kocht jeden Abend.«

»Ach?«

»Und er ist auch der Feinschmecker in diesem Haushalt.«

»Du hast es mir zwar genau erzählt, aber ich habe vergessen, warum er im Rollstuhl sitzt. Sagtest du nicht, auf ihn sei geschossen worden?«

»Er ist auf der Straße überfallen worden, vor etwa fünf Jahren, gar nicht weit von hier. Er ist fortgerannt, und sein Angreifer hat auf ihn geschossen und Billys Rückenmark verletzt.«

»Wie gräßlich, aber ich bin trotzdem froh, daß du es mir gesagt hast. Ich wollte nichts Falsches sagen.«

»Mach dir darüber keine Sorgen. Billy hat weitgehend Frieden mit sich selbst und mit seinem Gebrechen geschlossen. Aufgrund seiner Spiritualität hat er häufiger Mitleid mit anderen Menschen als sie mit ihm. Ich kann mich nicht an einen einzigen Augenblick in diesen letzten fünf Jahren erinnern, in dem er deprimiert gewesen wäre. Jeder, der bei uns hereinschaut und sich auch nur im geringsten selbst bedauert, schämt sich normalerweise, wenn er wieder geht, für sein eigenes Selbstmitleid, nachdem er mit Billy geredet hat. Und außerdem ist er ein wunderbarer Dichter, dessen Lyrik in vielen Literaturzeitschriften veröffentlicht wird. Ich werde ihn überreden, dir später etwas vorzulesen.«

Holly legte mir einen Arm um die Schultern und drückte mich.

»Wie Billy vorhin schon gesagt hat, es wird sich alles zum Guten wenden, Melody.«

Ich nickte. Die Entdeckungen, die wir gemacht hatten, der schnelle Entschluß, die Reise anzutreten und zu unserer Fahrt nach New York aufzubrechen, aber auch meine ersten Eindrücke von dieser überwältigenden Stadt - all das löste plötzlich eine enorme Ermattung aus. Ich spürte,...
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