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Im Sog der dunklen Mächte

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am01.12.20121. Auflage
Berlin, heißer Sommer 1938. Ein Wahnsinniger hat fünf junge Mädchen auf die gleiche bestialische Weise umgebracht. Von SS-Standartenführer Heydrich ins Prinz-Albrecht-Palais zitiert, hat Gunther keine andere Wahl: Er geht auf Mördersuche.

Philip Kerr wurde 1956 in Edinburgh geboren. 1989 erschien sein erster Roman «Feuer in Berlin». Aus dem Debüt entwickelte sich die Serie um den Privatdetektiv Bernhard Gunther. Für Band 6, «Die Adlon-Verschwörung», gewann Philip Kerr den weltweit höchstdotierten Krimipreis der spanischen Mediengruppe RBA und den renommierten Ellis-Peters-Award. Kerr lebte in London, wo er 2018 verstarb.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR16,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextBerlin, heißer Sommer 1938. Ein Wahnsinniger hat fünf junge Mädchen auf die gleiche bestialische Weise umgebracht. Von SS-Standartenführer Heydrich ins Prinz-Albrecht-Palais zitiert, hat Gunther keine andere Wahl: Er geht auf Mördersuche.

Philip Kerr wurde 1956 in Edinburgh geboren. 1989 erschien sein erster Roman «Feuer in Berlin». Aus dem Debüt entwickelte sich die Serie um den Privatdetektiv Bernhard Gunther. Für Band 6, «Die Adlon-Verschwörung», gewann Philip Kerr den weltweit höchstdotierten Krimipreis der spanischen Mediengruppe RBA und den renommierten Ellis-Peters-Award. Kerr lebte in London, wo er 2018 verstarb.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644478817
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2012
Erscheinungsdatum01.12.2012
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.2
SpracheDeutsch
Dateigrösse2215 Kbytes
Artikel-Nr.1248636
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

2. Montag, 29. August

Die Häuser in der Berliner Herbertstraße wären in jeder anderen Stadt von ein paar Hektar mit Gebüsch gesäumten Rasens umgeben gewesen. Tatsächlich jedoch füllte jedes von ihnen sein eigenes Grundstück so sehr aus, daß wenig oder gar kein Raum für Gras oder Pflasterung blieb. Einige waren vom Bürgersteig nicht weiter entfernt, als die Eingangstüren breit waren. Architektonisch stellten sie eine Mischung von Baustilen dar, die vom Neoklassizismus zur Neogotik und zum Wilhelminismus reichten; dazu kamen einige, die so volkstümelnd waren, daß man sie unmöglich beschreiben kann. Im ganzen betrachtet, ähnelte die Herbertstraße einer Ansammlung von alten Feldmarschällen und Großadmirälen in Paradeuniformen, die man gezwungen hat, auf überaus kleinen und unangemessenen Klappstühlen zu sitzen.

Der große Hochzeitskuchen von einem Haus, in das man mich bestellt hatte, gehörte eigentlich auf eine Plantage am Mississippi, ein Eindruck, der durch das schwarze Faß von einem Hausmädchen, das mir öffnete, verstärkt wurde. Ich zeigte meine Kennkarte und sagte ihr, daß man mich erwarte. Sie starrte zweifelnd darauf, als sei sie Himmler persönlich.

«Frau Lange hat mir nichts von Ihnen gesagt.»

«Sie wird´s vergessen haben», sagte ich. «Hören Sie, sie hat erst vor einer halben Stunde in meinem Büro angerufen.»

«In Ordnung», sagte sie zögernd. «Dann kommen Sie herein.»

Sie führte mich in einen Salon, den man elegant hätte nennen können, wäre da nicht der große und nur teilweise abgenagte Hundeknochen gewesen, der auf dem Teppich lag. Ich sah mich nach dem Besitzer des Knochens um, doch ich entdeckte keine Spur von ihm.

«Fassen Sie nichts an», sagte das schwarze Faß. «Ich werd ihr sagen, daß Sie da sind.» Darauf watschelte sie, knurrend und murrend, als hätte ich sie aus der Badewanne geholt, davon, um ihre Herrin aufzusuchen. Ich setzte mich auf ein Mahagoni-Sofa, dessen Armlehnen mit geschnitzten Delphinen verziert waren. Daneben stand ein dazu passender Tisch, dessen Platte auf Delphinschwänzen ruhte. Wegen ihrer angeblich heiteren Wirkung waren Delphine bei deutschen Möbeltischlern immer beliebt, doch ich persönlich fand sogar eine 3-Pfennig-Briefmarke lustiger. Ich war etwa fünf Minuten dort, ehe das Faß wieder hereinrollte und sagte, Frau Lange werde mich jetzt empfangen.

Wir schritten durch einen langen, dämmrigen Korridor, der einer Menge ausgestopfter Fische als letzte Heimat diente. Vor einer Trophäe, einem prächtigen Lachs, blieb ich bewundernd stehen. «Hübscher Fisch», sagte ich. «Wer ist der Angler?» Sie drehte sich ungeduldig um.

«Hier gibt´s keinen Angler», sagte sie. «Bloß Fische. Dies ist ein Haus für Fische und Katzen und Hunde. Die Katzen sind am schlimmsten. Die Fische sind wenigstens tot. Katzen und Hunde kann man nicht abstauben.»

Fast automatisch ließ ich meine Finger über die Vitrine des Lachses gleiten. Daraus ließ sich nicht gerade schließen, daß hier überhaupt Staub gewischt wurde; und selbst nach meiner vergleichsweise kurzen Bekanntschaft mit diesem Haus ließ sich leicht erkennen, daß die Teppiche selten, wenn überhaupt einmal, ausgeklopft wurden. Nach dem Schlamm der Schützengräben machten mir ein bißchen Staub und ein paar Krümel auf dem Boden nicht übermäßig viel aus. Aber trotzdem, ich habe ein paar Wohnungen in den schlimmsten Elendsvierteln von Neukölln und Wedding gesehen, die sauberer gehalten waren als dieses Haus.

Das Faß öffnete ein paar Glastüren und trat beiseite. Ich betrat einen unordentlichen Wohnraum, der zugleich eine Art Büro zu sein schien, und die Türen schlossen sich hinter mir.

Sie wirkte wie eine große fleischige Orchidee. Ihr pfirsichfarbenes Gesicht und ihre Arme wabbelten vor Fett, so daß sie wie einer dieser langweiligen Hunde aussah, die man züchtet, damit sie ein Mäntelchen tragen können, das ihnen ein paar Nummern zu groß ist. Ihr eigener langweiliger Hund war alles in allem noch formloser als der schlechtsitzende Sharpei, dem sie glich.

«Es ist sehr freundlich von Ihnen, mich so kurzfristig aufzusuchen», sagte sie. Ich ließ ein paar höfliche Floskeln vom Stapel, doch sie hatte eine Art von Hochnäsigkeit, die man nur erwerben kann, wenn man eine so feine Adresse wie die Herbertstraße vorweisen kann.

Frau Lange nahm auf einer grünen Chaiselongue Platz und breitete das Fell ihres Hundes auf ihrem mächtigen Schoß aus, als wäre es eine Strickarbeit, an der sie weiterzuarbeiten gedachte, während sie mir ihr Problem erläuterte. Ich schätzte, daß sie die Fünfzig hinter sich hatte. Nicht, daß das eine Rolle spielte. Wenn Frauen die Fünfzig überschreiten, ist ihr Alter für niemanden mehr interessant, außer für sie selber. Bei Männern verhält es sich genau umgekehrt.

Sie brachte ein Zigarettenetui zum Vorschein, hielt es mir hin und fügte einschränkend hinzu: «Es sind Menthol-Zigaretten.»

Ich glaube, es war Neugier, die mich eine nehmen ließ, doch als ich den ersten Lungenzug machte, zuckte ich zusammen und begriff, daß ich bloß vergessen hatte, wie ekelhaft Menthol schmeckte. Sie lächelte über mein unübersehbares Unbehagen.

«Oh, machen Sie sie aus, um Himmels willen. Sie schmecken entsetzlich. Ich weiß nicht, warum ich sie rauche, ich weiß es wirklich nicht. Rauchen Sie eine von Ihren eigenen, sonst werden Sie mir nie zuhören.»

«Danke», sagte ich und drückte sie in einem Aschenbecher aus, der so groß war wie eine Radkappe. «Das mache ich gern.»

«Und wenn Sie schon dabei sind, können Sie uns beiden einen Drink machen. Ich weiß nicht, wie´s mit Ihnen steht, aber ich könnte sicher einen vertragen.» Sie deutete auf einen großen Biedermeiersekretär, dessen oberer Teil mit seinen bronzenen ionischen Säulen einen griechischen Tempel im Kleinen darstellte.

«In dem Ding ist eine Flasche Gin», sagte sie. «Ich kann Ihnen nichts anderes als Limonensaft zum Mixen anbieten. Ist leider das einzige, was ich trinke.»

Es war ein bißchen früh für mich, aber trotzdem mixte ich zwei. Ich war ihr für den Versuch dankbar, mir die Befangenheit zu nehmen, wenngleich das eigentlich zu meinen eigenen beruflichen Fähigkeiten gehören sollte. Allerdings war Frau Lange kein bißchen nervös. Sie sah aus wie eine Frau, die selber über einige berufliche Fähigkeiten verfügte. Ich reichte ihr den Drink und nahm in einem ächzenden Ledersessel neben der Chaiselongue Platz.

«Sind Sie ein aufmerksamer Mann, Herr Gunther?»

«Ich kann sehen, was in Deutschland passiert, wenn´s das ist, was Sie meinen.»

«Das meinte ich nicht, aber ich bin trotzdem erfreut, das zu hören. Nein, ich meinte, wie gut sind Sie darin, etwas zu erkennen?»

«Hören Sie, Frau Lange, es ist nicht nötig, wie eine Katze um den heißen Brei herumzuschleichen. Kommen Sie am besten gleich zur Sache.» Ich wartete einen Augenblick und sah zu, wie sie verlegen wurde. «Ich werde es an Ihrer Stelle sagen, wenn Sie mögen. Sie wollen wissen, ob ich ein guter Detektiv bin.»

«Leider verstehe ich sehr wenig von solchen Dingen.»

«Warum sollten Sie auch.»

«Wenn ich mich Ihnen jedoch anvertrauen soll, sollte ich nach meinem Gefühl eine gewisse Vorstellung von Ihren Referenzen haben.»

Ich lächelte. «Sie werden verstehen, daß mein Geschäft keines von der Art ist, daß ich die Empfehlungsschreiben zahlreicher zufriedener Klienten vorweisen könnte. Vertraulichkeit ist für meine Klienten ebenso wichtig wie für die, die im Beichtstuhl sitzen. Vielleicht noch viel wichtiger.»

«Wie soll man dann aber wissen, ob der Mann, den man engagiert, sein Geschäft versteht?»

«Ich verstehe mein Geschäft sehr gut, Frau Lange. Mein guter Ruf ist wohlbekannt. Vor zwei Monaten hatte ich sogar ein Angebot für meine Firma. Ein ziemlich gutes Angebot, nebenbei bemerkt.»

«Warum haben Sie nicht verkauft?»

«Erstens, weil meine Firma unverkäuflich ist. Und zweitens, weil ich zum Arbeitnehmer ebensowenig tauge wie zum Arbeitgeber. Trotzdem es ist schmeichelhaft, wenn so was passiert. Natürlich ist das überhaupt nicht der springende Punkt. Die meisten Leute, welche die Dienste eines Privatdetektivs wünschen, brauchen die Firma nicht zu kaufen. In der Regel fragen sie ihren Anwalt, um einen Detektiv zu finden. Sie werden feststellen, daß ich von zahlreichen Anwaltskanzleien empfohlen werde, darunter auch die, denen meine Aussprache oder meine Manieren nicht passen.»

«Verzeihen Sie, Herr Gunther, aber nach meiner Meinung wird der Beruf des Anwalts stark überschätzt.»

«Da kann ich Ihnen nicht widersprechen. Ich bin noch keinem Anwalt begegnet, der sich zu fein gewesen wäre, seiner Mutter den Sparstrumpf zu stehlen, samt der Matratze, unter der sie ihn versteckt hat.»

«In fast allen geschäftlichen Dingen habe ich mich auf mein eigenes Urteil viel besser verlassen können.»

«Was genau ist Ihr Geschäft, Frau Lange?»

«Ich besitze und leite einen Verlag.»
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Autor

Philip Kerr wurde 1956 in Edinburgh geboren. 1989 erschien sein erster Roman «Feuer in Berlin». Aus dem Debüt entwickelte sich die Serie um den Privatdetektiv Bernhard Gunther. Für Band 6, «Die Adlon-Verschwörung», gewann Philip Kerr den weltweit höchstdotierten Krimipreis der spanischen Mediengruppe RBA und den renommierten Ellis-Peters-Award. Kerr lebte in London, wo er 2018 verstarb.