Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Berliner Blau

von
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
640 Seiten
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am16.04.20191. Auflage
Frankreich, 1956: Bernie Gunther, der immer noch als Concierge eines Grand Hotels an der Côte d'Azur arbeitet, kommt einfach nicht zur Ruhe: Erich Mielke, künftiger Minister für Staatssicherheit der DDR, beauftragt ihn, nach London zu reisen, um eine englische Agentin aus dem Weg zu räumen - eine Bekannte Bernies. Als Bernie sich weigert, den Auftrag auszuführen, gerät er selbst ins Visier der Stasi. Eine atemlose Flucht quer durch Europa beginnt. Immer auf seinen Fersen ist Bernies ehemaliger Kollege Friedrich Korsch, inzwischen bei der Stasi. Korsch und Bernie teilen die Erinnerung an einen Mord auf dem Berghof am Obersalzberg im Frühling 1939. Und Bernie muss erkennen, dass Hitler zwar tot ist, seine böse Macht aber immer noch wirkt...

Philip Kerr wurde 1956 in Edinburgh geboren. 1989 erschien sein erster Roman «Feuer in Berlin». Aus dem Debüt entwickelte sich die Serie um den Privatdetektiv Bernhard Gunther. Für Band 6, «Die Adlon-Verschwörung», gewann Philip Kerr den weltweit höchstdotierten Krimipreis der spanischen Mediengruppe RBA und den renommierten Ellis-Peters-Award. Kerr lebte in London, wo er 2018 verstarb.
mehr
Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextFrankreich, 1956: Bernie Gunther, der immer noch als Concierge eines Grand Hotels an der Côte d'Azur arbeitet, kommt einfach nicht zur Ruhe: Erich Mielke, künftiger Minister für Staatssicherheit der DDR, beauftragt ihn, nach London zu reisen, um eine englische Agentin aus dem Weg zu räumen - eine Bekannte Bernies. Als Bernie sich weigert, den Auftrag auszuführen, gerät er selbst ins Visier der Stasi. Eine atemlose Flucht quer durch Europa beginnt. Immer auf seinen Fersen ist Bernies ehemaliger Kollege Friedrich Korsch, inzwischen bei der Stasi. Korsch und Bernie teilen die Erinnerung an einen Mord auf dem Berghof am Obersalzberg im Frühling 1939. Und Bernie muss erkennen, dass Hitler zwar tot ist, seine böse Macht aber immer noch wirkt...

Philip Kerr wurde 1956 in Edinburgh geboren. 1989 erschien sein erster Roman «Feuer in Berlin». Aus dem Debüt entwickelte sich die Serie um den Privatdetektiv Bernhard Gunther. Für Band 6, «Die Adlon-Verschwörung», gewann Philip Kerr den weltweit höchstdotierten Krimipreis der spanischen Mediengruppe RBA und den renommierten Ellis-Peters-Award. Kerr lebte in London, wo er 2018 verstarb.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644200449
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum16.04.2019
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.12
Seiten640 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2498 Kbytes
Artikel-Nr.4045231
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Eins

Oktober 1956


Es war Ende der Saison, und die meisten Hotels an der Riviera, einschließlich des Grand Hôtel Cap Ferrat, wo ich arbeitete, hatten bereits über Winter geschlossen. Nicht dass Winter in jenem Teil der Welt viel bedeuten würde. Anders als in Berlin, wo der Winter mehr ein Initiationsritus ist als eine Jahreszeit: Man ist kein echter Berliner, ehe man nicht die bitterkalte Erfahrung eines unendlichen preußischen Winters überlebt hat. Der berühmte tanzende Bär im Berliner Stadtwappen versucht nichts weiter, als sich warm zu halten.

Das Hotel Ruhl war für gewöhnlich eins der letzten Hotels in Nizza, die schlossen, denn es hatte ein Casino, und die Menschen spielen gerne, ungeachtet des Wetters. Vielleicht hätten sie im nahegelegenen Hotel Negresco ein Casino aufmachen sollen - das Negresco ähnelte dem Ruhl, bis auf die Tatsache, dass es geschlossen war und alles danach aussah, als würde das auch im nächsten Jahr so bleiben. Es hieß, man würde das Negresco zu Appartements umbauen, doch der Concierge - ein Bekannter von mir und obendrein ein furchtbarer Snob - meinte, der Laden wäre an die Tochter eines bretonischen Schlachters verkauft worden, und normalerweise lag er in diesen Dingen richtig. Er war über den Winter nach Bern gefahren, und ich hielt seine Rückkehr für unwahrscheinlich. Ich würde ihn wohl vermissen, doch als ich den Wagen parkte und anschließend die Promenade des Anglais in Richtung Hotel Ruhl überquerte, dachte ich nicht wirklich darüber nach. Vielleicht lag es an der kühlen Nachtluft und den überschüssigen Eiswürfeln des Barmanns im Rinnstein, denn ich dachte stattdessen an Deutschland. Vielleicht war es aber auch der Anblick der beiden Golems mit ihren kurzgeschorenen Haaren vor dem imposanten mediterranen Eingang des Hotels, die Eiskrem aus Hörnchen aßen und dicke ostdeutsche Anzüge trugen, von der Sorte, die wie Traktorteile und Schaufeln industriell produziert wurden. Allein der Anblick dieser beiden Typen hätte mich stutzig machen müssen, ich hatte jedoch etwas anderes, Wichtigeres im Kopf. Ich freute mich auf ein Wiedersehen mit meiner Frau Elisabeth, die mir völlig überraschend einen Brief geschrieben und mich zu einem Abendessen eingeladen hatte. Wir waren getrennt, und sie lebte wieder daheim in Berlin, aber in ihrem Brief (sie hatte eine wunderschöne Sütterlin-Handschrift, die von den Nationalsozialisten allerdings verboten worden war) schrieb sie davon, dass sie zu ein wenig Geld gekommen war - möglicherweise die Erklärung, wieso sie sich die Reise an die Riviera und den Aufenthalt im Ruhl leisten konnte, das beinahe genauso teuer ist wie das Angleterre oder das Westminster. Wie dem auch sei, ich freute mich auf den Abend in dem blinden Vertrauen von jemandem, der auf Versöhnung hofft. Ich hatte bereits meine ebenso kurze wie dankbare Versöhnungsrede geplant, in der ich ihr sagte, wie sehr ich sie vermisste und dass ich glaubte, wir könnten es immer noch schaffen, und dergleichen mehr. Natürlich war ein Teil von mir auch darauf gefasst, dass sie mir erzählen würde, sie habe jemanden kennengelernt und wolle nun die Scheidung. Trotzdem, es erschien mir als ziemlich aufwendig - von Berlin aus an die Riviera zu reisen war dieser Tage alles andere als einfach.

Das Hotelrestaurant lag auf der obersten Etage in einer der Eckkuppeln. Es war möglicherweise das beste in ganz Nizza, entworfen von Charles Dalmas, und zweifellos das teuerste. Ich war noch nie dort gewesen, doch ich hatte gehört, dass das Essen ausgezeichnet war, und ich freute mich auf das Dinner. Der Maître d´ tänzelte durch den wunderschönen Jugendstilsaal, nahm mich am Reservierungspult in Empfang und suchte im Buch nach dem Namen meiner Frau. Erwartungsvoll blickte ich ihm bereits über die Schulter und suchte die Tische nervös nach Elisabeth ab, ohne sie entdecken zu können. Ich sah auf meine Uhr und begriff, dass ich vielleicht ein wenig zu früh dran war. Ich hörte nicht wirklich hin, als der Maître d´ mir sagte, mein Gastgeber wäre schon eingetroffen, und wir waren über den Marmorfußboden schon quer durch das halbe Restaurant gelaufen, ehe ich sah, dass er mich zu einem ruhigen Tisch in einer Ecke führte, wo ein breiter, grob aussehender Mann bereits einen sehr großen Hummer und eine Flasche weißen Burgunder in Angriff genommen hatte. Ich erkannte ihn auf den ersten Blick und wollte auf dem Absatz kehrtmachen, nur um meinen Rückweg von zwei weiteren Affen blockiert zu finden, die aussahen, als kämen sie von einer der Palmen auf der Promenade und als wären sie durch das offene Fenster hereingeklettert.

«Gehen Sie noch nicht», sagte einer von ihnen leise mit starkem Leipziger Akzent. «Das würde dem Genossen General nicht gefallen.»

Für einen Moment stand ich unentschlossen da und überlegte, ob ich es riskieren sollte, zum Ausgang zu rennen. Doch die beiden Gestalten, aus dem gleichen groben Lehm gemacht wie die Golems vor dem Hoteleingang auf der Straße, waren mir mehr als ebenbürtig.

«Das ist richtig», sagte der andere. «Es wäre sicher besser, wenn Sie sich wie ein artiger Junge hinsetzen und keine Szene machen würden.»

«Gunther!», sagte eine Stimme hinter mir ebenfalls auf Deutsch. «Bernhard Gunther! Kommen Sie, setzen Sie sich zu mir, Sie alter Faschist. Keine Sorge!» Er lachte belustigt. «Ich erschieße Sie nicht. Wir sind mitten in der Öffentlichkeit.» Schätzungsweise nahm er an, dass nicht so viele Deutsch sprechende Gäste im Hotel Ruhl verkehrten, womit er nicht ganz falschlag. «Was soll Ihnen hier schon passieren? Abgesehen davon ist das Essen exzellent und der Wein noch besser.»

Ich drehte mich zu der Stimme um und sah den Mann an, der sitzen geblieben war und sich immer noch mit Hummerzange und -gabel seinem Essen widmete wie ein Klempner, der den Dichtungsring eines Wasserhahns wechselt. Er trug einen besseren Anzug als seine Leute - blaue Nadelstreifen, maßgeschneidert - und eine gemusterte Seidenkrawatte, die er nur in Frankreich erstanden haben konnte. Eine Krawatte wie diese kostete in der DDR einen Wochenlohn und brachte einem vermutlich eine Menge unangenehmer Fragen auf dem nächsten Polizeirevier ein, genau wie die protzige goldene Uhr, die wie ein Miniaturleuchtturm an seinem rechten Handgelenk blitzte. Er stopfte das Hummerfleisch in sich hinein, das im Übrigen von der gleichen Farbe war wie das deutlich üppigere Fleisch seiner kräftigen Hände. Sein Haar war oben noch dunkel, doch an den Seiten seiner Abrissbirne von einem Schädel war es so kurz geschnitten, dass es aussah wie das schwarze Scheitelkäppchen eines Priesters. Er hatte einiges an Gewicht zugelegt, seit ich ihn das letzte Mal gesehen hatte, und er hatte die Frühkartoffeln, die Spargelspitzen, den Salade niçoise, die süßen eingelegten Gurken, die Mayonnaise und den Teller dunkle Schokolade, die vor ihm arrangiert standen, bisher noch nicht angerührt. Mit seiner Boxergestalt erinnerte er mich stark an Martin Bormann, den Sekretär des Führers - und er war zweifellos durch und durch genauso gefährlich.

Also setzte ich mich, schenkte mir ein Glas Weißwein ein und warf mein Zigarettenetui vor mir auf den Tisch.

«Genosse General Erich Mielke», sagte ich. «Welch ein unerwartetes Vergnügen.»

«Bitte verzeihen Sie, dass ich Sie unter einem Vorwand hergelockt habe. Aber ich wusste, dass Sie nicht kommen würden, wenn Sie gewusst hätten, dass ich derjenige bin, der zum Essen lädt.»

«Geht es ihr gut? Elisabeth? Beantworten Sie mir diese eine Frage, und dann höre ich mir an, was Sie mir sonst noch zu sagen haben, General.»

«Ja, es geht ihr gut.»

«Ich nehme an, sie ist gar nicht hier in Nizza.»

«Nein, ist sie nicht. Tut mir leid. Aber Sie sind bestimmt erfreut zu erfahren, dass sie sich sehr gesträubt hat, diesen Brief zu schreiben. Ich musste ihr erklären, dass die Alternative sehr viel schmerzhafter wäre, zumindest für Sie, Gunther. Also bitte machen Sie ihr keinen Vorwurf. Sie hat ihn mit den besten Absichten geschrieben.» Mielke hob eine Hand und schnippte mit den Fingern nach dem Kellner. «Nehmen Sie sich etwas zu essen, Gunther. Nehmen Sie sich Wein. Ich selbst trinke nur wenig, aber man hat mir gesagt, dieser hier wäre der beste. Was immer sie mögen. Ich bestehe darauf. Das Ministerium für Staatssicherheit übernimmt die Rechnung. Aber bitte rauchen Sie nicht. Ich hasse Zigarettengeruch, insbesondere wenn ich esse.»

«Ich bin nicht hungrig, danke sehr.»

«Selbstverständlich sind Sie hungrig. Sie sind Berliner. Wir müssen nicht hungrig sein, um zu essen, das hat uns der Krieg gelehrt. Wir Berliner essen, wenn etwas auf dem Tisch steht.»

«In der Tat steht reichlich Essen auf dem Tisch. Erwarten wir noch jemanden? Vielleicht die Rote Armee?»

«Ich mag es, wenn der Tisch reich gedeckt ist, selbst wenn ich nicht alles davon esse. Es ist nicht nur der Magen eines Mannes, der gefüllt werden muss. Seine Sinne essen ebenfalls mit.»

Ich nahm die Flasche zur Hand und inspizierte das Etikett.

«Corton-Charlemagne. Respekt. Schön zu sehen, dass ein alter Kommunist wie Sie immer noch einige der schöneren Dinge im Leben zu schätzen weiß, General. Dieser Wein ist bestimmt der teuerste auf der Karte.»

«Das tue ich, und ja, ist er.»

Ich leerte mein Glas und schenkte mir nach. Der Wein war ausgezeichnet.

Der Kellner näherte sich nervös, als hätte er bereits die Schärfe von Mielkes Zunge zu spüren bekommen.

«Wir nehmen zwei saftige Steaks», sagte Mielke in gutem Französisch - das Ergebnis von zwei Jahren in einem französischen...
mehr

Autor

Philip Kerr wurde 1956 in Edinburgh geboren. 1989 erschien sein erster Roman «Feuer in Berlin». Aus dem Debüt entwickelte sich die Serie um den Privatdetektiv Bernhard Gunther. Für Band 6, «Die Adlon-Verschwörung», gewann Philip Kerr den weltweit höchstdotierten Krimipreis der spanischen Mediengruppe RBA und den renommierten Ellis-Peters-Award. Kerr lebte in London, wo er 2018 verstarb.Axel Merz, geboren 1957, Studium der Archäologie und der Naturwissenschaften, Übersetzer von u. a. Dan Brown, Lincoln Child sowie Philip Kerr. Lebt mit seiner Frau zurückgezogen bei Bonn und Heidelberg