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Kalter Frieden

von
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
400 Seiten
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am24.04.20181. Auflage
Die Vergangenheit ist ein dunkler Ort. Französische Riviera, 1956: Es ist einsam geworden um Bernie Gunther. Um sich vor seinen vielen Feinden zu verstecken, heuert er als Concierge in einem Grandhotel an der Côte d'Azur an - ein langweiliger Brotjob, aber sicher. Als eine höchst attraktive Engländerin ihn bittet, ihr Bridge beizubringen, erfüllt er ihren Wunsch daher nur zu gern. Aber die junge Frau verfolgt ihre eigenen Pläne: Sie will über das Kartenspiel Zugang zu dem Schriftsteller W. Somerset Maugham bekommen, der ebenfalls an der Riviera lebt. Auch Bernie lernt Maugham kennen und wird bald von ihm um Hilfe gebeten, denn der Schriftsteller wird erpresst. Bernie soll die Lösegeldübergabe übernehmen. Doch kurz vor der Übergabe wird Bernie von den Briten verhaftet und gerät zwischen die Fronten eines Friedens, der weit brüchiger ist, als sich die Alliierten den Anschein geben ...

Philip Kerr wurde 1956 in Edinburgh geboren. 1989 erschien sein erster Roman «Feuer in Berlin». Aus dem Debüt entwickelte sich die Serie um den Privatdetektiv Bernhard Gunther. Für Band 6, «Die Adlon-Verschwörung», gewann Philip Kerr den weltweit höchstdotierten Krimipreis der spanischen Mediengruppe RBA und den renommierten Ellis-Peters-Award. Kerr lebte in London, wo er 2018 verstarb.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR11,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextDie Vergangenheit ist ein dunkler Ort. Französische Riviera, 1956: Es ist einsam geworden um Bernie Gunther. Um sich vor seinen vielen Feinden zu verstecken, heuert er als Concierge in einem Grandhotel an der Côte d'Azur an - ein langweiliger Brotjob, aber sicher. Als eine höchst attraktive Engländerin ihn bittet, ihr Bridge beizubringen, erfüllt er ihren Wunsch daher nur zu gern. Aber die junge Frau verfolgt ihre eigenen Pläne: Sie will über das Kartenspiel Zugang zu dem Schriftsteller W. Somerset Maugham bekommen, der ebenfalls an der Riviera lebt. Auch Bernie lernt Maugham kennen und wird bald von ihm um Hilfe gebeten, denn der Schriftsteller wird erpresst. Bernie soll die Lösegeldübergabe übernehmen. Doch kurz vor der Übergabe wird Bernie von den Briten verhaftet und gerät zwischen die Fronten eines Friedens, der weit brüchiger ist, als sich die Alliierten den Anschein geben ...

Philip Kerr wurde 1956 in Edinburgh geboren. 1989 erschien sein erster Roman «Feuer in Berlin». Aus dem Debüt entwickelte sich die Serie um den Privatdetektiv Bernhard Gunther. Für Band 6, «Die Adlon-Verschwörung», gewann Philip Kerr den weltweit höchstdotierten Krimipreis der spanischen Mediengruppe RBA und den renommierten Ellis-Peters-Award. Kerr lebte in London, wo er 2018 verstarb.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644200456
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum24.04.2018
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.11
Seiten400 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1207 Kbytes
Artikel-Nr.2530686
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Eins

Französische Riviera, 1956


Gestern habe ich versucht, mich umzubringen.

Nicht weil ich unbedingt sterben wollte, sondern damit der Schmerz endlich verging. Elisabeth, meine Frau, hatte mich vor einer Weile verlassen, und ich vermisste sie sehr. Das war eine Ursache für den Schmerz, eine ziemlich gewichtige, wie ich zugeben muss. Selbst nach einem Krieg mit mehr als vier Millionen toten deutschen Soldaten sind deutsche Frauen nicht leicht zu bekommen. Ein anderer großer Schmerz in meinem Leben war natürlich der Krieg selbst, und das, was danach in den sowjetischen Kriegsgefangenenlagern mit mir passiert war. Was meine Entscheidung, Suizid zu begehen, vielleicht eigenartig erscheinen lässt, wenn man bedenkt, wie schwer es war, nicht in Russland zu sterben; andererseits war der Wille, am Leben zu bleiben, für mich schon immer mehr eine Gewohnheit als eine aktive Wahl.

Während der Jahre unter den Nazis beispielsweise war ich nur aus schierer Sturheit am Leben geblieben. Also fragte ich mich eines Morgens, warum dem nicht ein Ende machen? Für einen Goethe liebenden Preußen wie mich war die schlichte Rationalität einer solchen Frage geradezu bestechend. Abgesehen davon - es war nicht so, als wäre mein Leben noch besonders schön gewesen, auch wenn ich ehrlich gesagt nicht sicher bin, ob es das jemals war. Morgen und die langen, langen leeren Jahre danach sind nichts, was mich sonderlich interessiert hätte, erst recht nicht hier unten an der französischen Riviera. Ich war allein, ging auf die sechzig zu und verrichtete in einem Hotel einen Job, den ich im Schlaf beherrschte - nicht dass ich dieser Tage viel davon abbekommen hätte. Die meiste Zeit fühlte ich mich miserabel. Ich lebte irgendwo, wo ich nicht hingehörte, und es fühlte sich an wie eine kalte Ecke in der Hölle - ich glaubte also nicht, dass irgendjemand, der sich an einem sonnigen Tag erfreut, die dunkle Wolke vermissen würde, die mein Gesicht war.

All das sprach dafür zu sterben, plus die Ankunft eines Gastes im Hotel. Eines Gastes, den ich wiedererkannte und den ich lieber vergessen hätte. Doch darauf komme ich gleich. Vorher muss ich wohl erklären, warum ich noch da bin.

Ich ging in die Garage unter meiner kleinen Wohnung in Villefranche-sur-Mer, schloss die Tür und wartete mit laufendem Motor im Wagen. Eine Kohlenmonoxidvergiftung ist nicht sooo schlimm. Man schließt die Augen und schläft ein. Wäre der Motor nicht ausgegangen, vermutlich weil kein Benzin mehr im Tank war, wäre ich jetzt nicht mehr hier. Ich dachte, ich würde es ein andermal wieder versuchen, falls sich die Dinge nicht besserten und nachdem ich einen zuverlässigeren Wagen gekauft hatte. Ich hätte natürlich auch nach Berlin zurückkehren können, wie meine arme Frau, was zum gleichen Ergebnis geführt hätte. Auch heute noch ist es so einfach wie eh und je, in Berlin zu Tode zu kommen, und ich glaube nicht, dass es, falls ich in die ehemalige deutsche Hauptstadt zurückkehrte, sehr lange dauern würde, bis jemand so freundlich wäre, mein überraschendes Ableben zu organisieren. Die eine Seite oder die andere würde es schon bewerkstelligen, und das mit gutem Grund.

Als ich noch in Berlin lebte, als Polizeibeamter und später als Expolizeibeamter, war es mir gelungen, mehr oder weniger jedem mächtig auf die Füße zu treten, mit Ausnahme vielleicht der Briten. Trotzdem vermisse ich die Stadt sehr. Ich vermisse natürlich auch das Bier und die Würstchen, und ich vermisse es, Polizist zu sein, als Berliner Polizist zu sein noch etwas Gutes bedeutete. Am meisten jedoch vermisse ich die Leute, die genauso mürrisch sind wie ich selbst.

Nicht mal die Deutschen mögen die Berliner, und das beruht üblicherweise auf Gegenseitigkeit. Berliner mögen niemanden besonders, ganz besonders die Berliner Frauen nicht, was sie für einen Deppen wie mich irgendwie erst recht attraktiv macht. Es gibt nichts Attraktiveres für einen Mann als eine wunderschöne Frau, der es völlig egal ist, ob der Typ überlebt oder vor die Hunde geht. Ich vermisste die Frauen mehr als alles andere. Es gab so viele Frauen. Ich denke an die guten Frauen, die ich gekannt habe - und an eine ganze Menge von den schlechten auch - und die ich niemals wiedersehen werde, und manchmal fange ich an zu weinen, und von da ist es nur mehr ein kurzer Weg zur Garage und zum Ersticken, insbesondere wenn ich getrunken habe. Was ich zu Hause die meiste Zeit mache.

Wenn ich mir nicht gerade selbst leidtue, spiele ich Bridge oder lese Bücher über das Bridgespiel, was für sich genommen schon einer Menge Leute als triftiger Grund erscheinen mag, sich umzubringen. Aber Bridge ist ein Spiel, das ich als anregend empfinde. Bridge hilft, den Verstand scharf zu halten und sich mit etwas anderem zu beschäftigen als mit Gedanken an zu Hause - und all die Frauen natürlich. Im Nachhinein erscheint es mir, als wären viele von ihnen Blondinen gewesen, und nicht nur, weil sie Deutsche waren oder beinahe Deutsche. Viel zu spät im Leben hatte ich erkannt, dass es einen bestimmten Typ Frau gibt, der mich anzieht, nämlich den falschen Typ, und oftmals schließt das eine gewisse Haarfarbe mit ein, die für einen Mann wie mich Ärger bedeutet. Die Suche nach gefährlichen Partnerinnen und sexueller Kannibalismus sind weit mehr verbreitet, als man vielleicht denken mag, auch wenn es unter Spinnen noch häufiger vorkommt als bei Menschen. Anscheinend beurteilen die Weibchen eher den Nährwert eines Männchens als seinen Wert als Partner. Was meine persönliche Lebensgeschichte mehr oder weniger in einem Satz zusammenfasst. Ich bin so viele Male bei lebendigem Leib gefressen worden, dass ich mich fühle, als hätte ich acht Beine, auch wenn es inzwischen wohl nur noch drei oder vier sind. Keine allzu verblüffende Einsicht, ich weiß, und wie ich bereits geschrieben habe, es spielt heute kaum noch eine Rolle - aber ein gewisses Maß an Selbsterkenntnis spät im Leben ist immer noch besser als gar keins. Das hat Elisabeth mir jedenfalls immer gesagt.

Selbsterkenntnis hat für sie funktioniert, daran besteht kein Zweifel. Sie wachte eines Morgens auf und erkannte, wie gelangweilt und enttäuscht sie von mir und unserem neuen Leben in Frankreich war -, und fuhr am darauffolgenden Tag wieder heim. Ich kann nicht sagen, dass ich es ihr verdenke. Sie hat nie Französisch gelernt, mochte das Essen nicht, nicht einmal an der Sonne fand sie sonderlichen Gefallen, und die ist das Einzige, was es hier unten umsonst und reichlich gibt. In Berlin weiß man wenigstens, warum es einem mies geht. Das ist das ganze Geheimnis der Berliner Luft - ein Versuch, sich einen Weg aus der Trübsal zu pfeifen. Hier an der Riviera würde man meinen, dass es jede Menge Gründe gibt zu pfeifen und keinen einzigen, um verdrießlich zu sein, doch irgendwie war mir genau das gelungen, und das hatte sie nicht länger ertragen.

Ich nehme an, ich fühlte mich größtenteils deswegen so elend, weil ich mich höllisch gelangweilt habe. Ich vermisste mein altes Leben als Detektiv. Was hätte ich nicht alles dafür gegeben, durch die Türen des Polizeipräsidiums am Alexanderplatz zu spazieren - nach allem, was man hört, haben es die sogenannten Ostdeutschen, also die Kommunisten, abgerissen - und nach oben an meinen Schreibtisch im Morddezernat zu laufen. Dieser Tage arbeite ich als Concierge im Grand Hôtel du Saint-Jean-Cap-Ferrat. Das ist ein wenig wie Polizist sein, wenn man darunter versteht, den Verkehr zu lenken, und ich muss es ja wissen. Es ist genau fünfunddreißig Jahre her, seit ich zum ersten Mal eine Uniform anhatte, als Verkehrspolizist am Potsdamer Platz. Aber ich kenne auch das Hotelgeschäft von früher; nach der Machtergreifung war ich für eine Weile Hausdetektiv im berühmten Berliner Hotel Adlon. Die Arbeit eines Concierge ist eine ganz andere. Hauptsächlich ist man damit beschäftigt, Reservierungen für das Restaurant anzunehmen, Taxis zu bestellen, Boote zu buchen, Gepäckträger zu organisieren, Prostituierte zu verscheuchen - was nicht so einfach ist, wie es sich vielleicht anhört; dieser Tage können sich nur Amerikanerinnen leisten, wie Prostituierte auszusehen - und einfältigen Touristen, die keine Karten lesen und kein Französisch können, Wegbeschreibungen zu geben. Nur hin und wieder gibt es einen ungebärdigen Gast oder einen Diebstahl, und ich träume davon, der einheimischen Sûreté dabei zu helfen, eine Serie von tollkühnen Juwelendiebstählen aufzuklären, von der Sorte, wie ich sie in Alfred Hitchcocks Über den Dächern von Nizza gesehen habe. Aber natürlich ist es das, was es ist: nichts als ein Traum. Ich würde mich nie im Leben freiwillig anbieten, der örtlichen Polizei zu helfen. Nicht weil es Franzosen sind - auch wenn das an und für sich ein guter Grund wäre -, sondern weil ich unter falschem Namen und mit falschem Pass hier lebe, und nicht irgendeinem falschen Pass, sondern einem, den ich von niemand anderem als von Erich Mielke persönlich habe, dem gegenwärtigen stellvertretenden Chef der Stasi, der ostdeutschen Geheimpolizei. An so einem Gefallen haftet in der Regel allerdings ein ziemlich hoher Preis, und ich rechne fest damit, dass Mielke eines Tages anrufen und mich darum bitten wird, ihn zu bezahlen. Was aller Wahrscheinlichkeit nach der Tag sein wird, an dem ich wieder auf Reisen gehe. Verglichen mit mir war der Fliegende Holländer so sesshaft wie der Felsen von Gibraltar. Ich nehme an, meine Frau wusste dies, denn sie kannte Mielke - besser, als ich ihn kannte.

Wo es mich von hier aus hinzieht, weiß ich noch nicht; man hört,...
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Autor

Philip Kerr wurde 1956 in Edinburgh geboren. 1989 erschien sein erster Roman «Feuer in Berlin». Aus dem Debüt entwickelte sich die Serie um den Privatdetektiv Bernhard Gunther. Für Band 6, «Die Adlon-Verschwörung», gewann Philip Kerr den weltweit höchstdotierten Krimipreis der spanischen Mediengruppe RBA und den renommierten Ellis-Peters-Award. Kerr lebte in London, wo er 2018 verstarb.Axel Merz, geboren 1957, Studium der Archäologie und der Naturwissenschaften, Übersetzer von u. a. Dan Brown, Lincoln Child sowie Philip Kerr. Lebt mit seiner Frau zurückgezogen bei Bonn und Heidelberg