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Alte Freunde - neue Feinde

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am01.12.20121. Auflage
Im bitterkalten Winter 1947 stellen sich die Berliner auch auf einen politischen Winter ein. Das einzige, was blüht, sind die Schwarzmarktgeschäfte. Privatdetektiv Bernhard Gunther wundert sich nach diesem Krieg über nichts mehr, auch nicht, als ein russischer Oberst ihn bittet, nach Wien zu reisen, um Gunthers Ex-Kripokollegen Emil Becker zu helfen, der einen amerikanischen Nazijäger ermordet haben soll. Wien ist zum Dreh- und Angelpunkt alliierter Politik, internationaler Spionage und Geschäfte geworden. Nach kurzer Zeit hat Bernhard Gunther das Gefühl, in einem Dschungel gestrandet zu sein, in dem niemand mehr sagen kann, wer Freund, wer Feind ist.

Philip Kerr wurde 1956 in Edinburgh geboren. 1989 erschien sein erster Roman «Feuer in Berlin». Aus dem Debüt entwickelte sich die Serie um den Privatdetektiv Bernhard Gunther. Für Band 6, «Die Adlon-Verschwörung», gewann Philip Kerr den weltweit höchstdotierten Krimipreis der spanischen Mediengruppe RBA und den renommierten Ellis-Peters-Award. Kerr lebte in London, wo er 2018 verstarb.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR16,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextIm bitterkalten Winter 1947 stellen sich die Berliner auch auf einen politischen Winter ein. Das einzige, was blüht, sind die Schwarzmarktgeschäfte. Privatdetektiv Bernhard Gunther wundert sich nach diesem Krieg über nichts mehr, auch nicht, als ein russischer Oberst ihn bittet, nach Wien zu reisen, um Gunthers Ex-Kripokollegen Emil Becker zu helfen, der einen amerikanischen Nazijäger ermordet haben soll. Wien ist zum Dreh- und Angelpunkt alliierter Politik, internationaler Spionage und Geschäfte geworden. Nach kurzer Zeit hat Bernhard Gunther das Gefühl, in einem Dschungel gestrandet zu sein, in dem niemand mehr sagen kann, wer Freund, wer Feind ist.

Philip Kerr wurde 1956 in Edinburgh geboren. 1989 erschien sein erster Roman «Feuer in Berlin». Aus dem Debüt entwickelte sich die Serie um den Privatdetektiv Bernhard Gunther. Für Band 6, «Die Adlon-Verschwörung», gewann Philip Kerr den weltweit höchstdotierten Krimipreis der spanischen Mediengruppe RBA und den renommierten Ellis-Peters-Award. Kerr lebte in London, wo er 2018 verstarb.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644478718
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2012
Erscheinungsdatum01.12.2012
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.3
SpracheDeutsch
Dateigrösse2256 Kbytes
Artikel-Nr.1248965
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



1


Es war einer dieser kalten, schönen Tage, die man am besten zu würdigen weiß, wenn man ein Feuer zum Stochern und einen Hund zum Kraulen hat. Ich hatte keines von beiden, andererseits gab es nichts zum Heizen, und aus Hunden habe ich mir nie viel gemacht. Doch dank der Steppdecke, die ich mir um die Beine gewickelt hatte, war mir warm, und ich hatte gerade angefangen, mich zu beglückwünschen, daß ich in der Lage war, meine Arbeit zu Hause zu erledigen - das Wohnzimmer diente mir als Büro -, als jemand an das klopfte, was man für die Eingangstür halten konnte.

Ich fluchte und erhob mich von meiner Couch.

«Kann ´ne Weile dauern», rief ich durch das Holz, «also gehen Sie nicht weg.» Ich zwängte den Schlüssel ins Schloß und begann, an dem großen Messinggriff zu ziehen. «Es hilft, wenn Sie von außen drücken», rief ich abermals. Ich hörte das Schurren von Schuhen auf dem Treppenabsatz, und dann spürte ich von der anderen Seite der Tür einen Druck. Schließlich öffnete sie sich zitternd.

Ich sah einen großen, etwa sechzigjährigen Mann vor mir. Mit seinen hohen Wangenknochen, der dünnen kurzen Nase, dem altmodischen Backenbart und dem ärgerlichen Gesichtsausdruck erinnerte er mich an einen bösen Pavian.

«Ich glaube, ich habe mir was gezerrt», knurrte er und rieb sich die Schulter.

«Das tut mir leid», sagte ich und trat beiseite, um ihn einzulassen. «Das Gebäude ist ein ziemliches Stück abgesackt. Die Türen müßten neu eingehängt werden, aber man kriegt natürlich das Werkzeug nicht.» Ich führte ihn ins Wohnzimmer. «Trotzdem, wir sind hier nicht allzu schlimm dran. Wir haben ein paar neue Fensterscheiben, und das Dach scheint den Regen abzuhalten. Nehmen Sie Platz.» Ich deutete auf den einzigen Lehnsessel und nahm meine Stellung auf der Couch wieder ein. Der Mann stellte seine Aktentasche hin, nahm seine Melone ab und setzte sich mit einem Seufzer der Ermattung. Er knöpfte seinen grauen Mantel nicht auf, und ich konnte es ihm nicht verdenken. «Ich sah Ihre kleine Anzeige an einer Mauer auf dem Kurfürstendamm», erklärte er.

«Was Sie nicht sagen», erwiderte ich und erinnerte mich undeutlich an die Worte, die ich vergangene Woche auf ein kleines viereckiges Stück Karton geschrieben hatte. Kirstens Idee. Angesichts all der Anzeigen, die an den Mauern der baufälligen Gebäude Berlins Lebensgefährten und Heiratsmärkte anpriesen, hatte ich nicht vermutet, jemand würde sich die Mühe machen, meine Nachricht zu lesen. Aber am Ende hatte sie recht behalten.

«Mein Name ist Nowak», sagte er. «Dr. Nowak. Ich bin Ingenieur. Ich bin Verfahrenstechniker, Metallurge in einer Fabrik in Wernigerode. Meine Arbeit beschäftigt sich mit der Gewinnung und Herstellung nichteisenhaltiger Metalle.»

«Wernigerode», sagte ich. «Das ist im Harz, nicht wahr? In der Ostzone.»

«Ich kam nach Berlin, um an der Universität eine Reihe von Vorlesungen zu halten. Heute morgen erhielt ich ein Telegramm in meinem Hotel, dem Mitropa ...»

Ich runzelte die Stirn und versuchte, mich an das Hotel zu erinnern.

«Es ist eines von diesen Bunker-Hotels», sagte Nowak. Einen Augenblick schien er geneigt, mir davon zu erzählen, doch dann besann er sich anders. «Das Telegramm kam von meiner Frau, die mich dringend auffordert, meinen Besuch abzubrechen und nach Hause zurückzukehren.»

«Irgendein besonderer Grund?»

Er reichte mir das Telegramm. «Es steht drin, daß meine Mutter sich nicht wohl fühle.»

Ich entfaltete das Blatt, warf einen Blick auf die getippte Nachricht und stellte fest, daß sie in Wirklichkeit lautete, die Mutter sei gefährlich erkrankt.

«Tut mir leid, das zu hören.»

Nowak schüttelte den Kopf.

«Sie glauben Ihrer Frau nicht?»

«Ich glaube nicht, daß meine Frau dieses Telegramm geschickt hat», sagte er. «Meine Mutter mag ja alt sein, aber sie ist von bemerkenswert guter Gesundheit. Noch vor zwei Tagen hat sie Holz gehackt. Nein, ich habe den Verdacht, die Russen haben sich das ausgedacht, um mich so rasch wie möglich zurückzuholen.»

«Warum?»

«In der Sowjetunion herrscht großer Mangel an Wissenschaftlern. Ich denke, sie haben die Absicht, mich zu deportieren und in einer ihrer Fabriken arbeiten zu lassen.»

Ich zuckte die Achseln. «Warum hat man Sie dann erst nach Berlin reisen lassen?»

«Das hieße, der sowjetischen Militärbehörde eine Tüchtigkeit zuzusprechen, die sie einfach nicht besitzt. Ich vermute, daß der Befehl zu meiner Deportation gerade erst aus Moskau eingetroffen ist und die Behörden mich so bald wie möglich zurückhaben möchten.»

«Haben Sie Ihrer Frau telegrafiert, um eine Bestätigung zu bekommen?»

«Ja. Sie antwortete lediglich, ich solle sofort kommen.»

«Sie wollen also wissen, ob der Iwan sie in den Fingern hat.»

«Ich bin hier in Berlin bei der Militärpolizei gewesen», sagte er, «aber ...»

Sein tiefer Seufzer verriet mir, mit welchem Erfolg.

«Nein, sie würden Ihnen nicht helfen», sagte ich. «Sie hatten recht, zu mir zu kommen.»

«Können Sie mir helfen, Herr Gunther?»

«Es bedeutet, in die Zone zu gehen», sagte ich, halb zu mir selbst, als müsse man mich überreden, was in der Tat zutraf. «Nach Potsdam. Es gibt dort jemanden im Hauptquartier der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland, von dem ich weiß, daß ich ihn bestechen kann. Das wird Sie was kosten, und ich denke dabei nicht an ein paar Riegel Schokolade.»

Er nickte düster.

«Sie haben nicht zufällig ein paar Dollar, Dr. Nowak?»

Er schüttelte den Kopf.

«Dann ist da auch noch die Frage meines Honorars.»

«Woran hatten Sie gedacht?»

Ich deutete auf seine Aktentasche. «Was haben Sie zu bieten?»

«Da sind leider bloß Papiere drin.»

«Sie müssen doch was haben. Vielleicht etwas in Ihrem Hotel?»

Er senkte den Kopf und stieß einen weiteren Seufzer aus, als er versuchte, sich an etwas Wertvolles zu erinnern, das er besaß.

«Hören Sie, Herr Doktor, haben Sie sich gefragt, was Sie tun werden, wenn sich herausstellt, daß die Russen Ihre Frau haben?»

«Ja», sagte er düster, und seine Augen wurden für einen Moment glasig.

Das war deutlich genug. Es stand nicht gut um Frau Nowak.

«Warten Sie mal», sagte er, fuhr mit der Hand in die Brusttasche seines Mantels und zog einen goldenen Füllfederhalter heraus. «Ich habe das hier.»

Er reichte mir den Füller.

«Es ist ein Parker. Achtzehn Karat.»

Ich schätzte rasch seinen Wert. «Ungefähr vierzehnhundert Dollar auf dem schwarzen Markt», sagte ich. «Ja, damit hätten wir den Iwan im Sack. Die Russen lieben Füllfederhalter ebensosehr wie Uhren.» Ich hob vielsagend die Augenbrauen.

«Ich fürchte, ich kann mich von meiner Uhr nicht trennen», sagte Nowak. «Sie war ein Geschenk - von meiner Frau.» Er lächelte dünn, als ihm die Ironie aufging.

Ich nickte verständnisvoll und beschloß, die Sache abzuschließen, ehe sein Schuldgefühl ihn übermannte.

«Nun zu meinem Honorar. Sie sprachen von Metallurgie. Sie haben nicht zufällig Zugang zu einem Labor, oder?»

«Aber gewiß doch.»

«Und zu einer Schmelze?»

Er nickte nachdenklich und dann heftiger, als ihm ein Licht aufging. «Sie wollen Kohlen haben, nicht wahr?»

«Können Sie welche besorgen?»

«Wieviel wollen Sie?»

«Ein Zentner etwa würde mir reichen.»

«In Ordnung.»

«Kommen Sie in vierundzwanzig Stunden wieder her», sagte ich ihm. «Bis dahin sollte ich ein paar Informationen haben.»

 

Dreißig Minuten später hatte ich, nachdem ich eine Nachricht für meine Frau hinterlassen hatte, meine Wohnung verlassen und war auf dem Weg zum Bahnhof.

Ende 1947 glich Berlin noch immer einer ungeheuren Akropolis aus eingestürztem Mauerwerk und zerstörten Gebäuden, einem riesigen und unübersehbaren Steingrab, das Zeugnis ablegte von der Verwüstung durch den Krieg und von der Gewalt von 75 000 Tonnen hochexplosiven Sprengstoffs. Beispiellos war die Verwüstung, die über die Hauptstadt des Hitlerschen Ehrgeizes hereingebrochen war: eine Verheerung im Wagnerianischen Maßstab, mit welcher der Ring-Zyklus sich schloß - die letzte Illumination dieser Götterdämmerung.

In vielen Teilen der Stadt wäre ein Stadtplan nicht nützlicher gewesen als ein Fensterleder. Hauptstraßen mäanderten wie Flüsse zwischen hohen Ufern aus Schutt. Pfade wanden sich über Berge von tückischem Geröll, dem manchmal, bei wärmerem Wetter, ein Geruch entstieg, der unmißverständlich darauf hinwies, daß dort noch etwas anderes als häusliches Mobiliar begraben war. Da Kompasse Mangelware waren, brauchte man viel Nerven, um sich den Weg durch Faksimile-Straßen, an denen nur die wackeligen Fassaden von Geschäften und Hotels wie nicht mehr benötigte Filmkulissen stehengeblieben waren, zu bahnen. Man brauchte ein gutes Erinnerungsvermögen an Gebäude, in denen immer noch Leute in feuchten Kellern oder, ein wenig riskanter, in den unteren Geschossen von Mietshäusern wohnten, von denen eine Hauswand säuberlich entfernt war, so daß, wie in einem riesigen Puppenhaus, alle Räume und das Leben darin zur Schau gestellt waren: Es waren wenige, die sich in die oberen Geschosse wagten, weil es so wenige unzerstörte Dächer und so viele gefährliche Treppenhäuser gab.

 

Das Leben im Trümmerhaufen Deutschland war häufig ebenso gefährlich wie in den letzten Tagen des Krieges: eine einstürzende Mauer hier, ein Blindgänger dort. Es war immer noch ein bißchen wie in der...

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Autor

Philip Kerr wurde 1956 in Edinburgh geboren. 1989 erschien sein erster Roman «Feuer in Berlin». Aus dem Debüt entwickelte sich die Serie um den Privatdetektiv Bernhard Gunther. Für Band 6, «Die Adlon-Verschwörung», gewann Philip Kerr den weltweit höchstdotierten Krimipreis der spanischen Mediengruppe RBA und den renommierten Ellis-Peters-Award. Kerr lebte in London, wo er 2018 verstarb.