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Als die Liebe zu Elise kam

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am09.03.20121. Auflage
Du kannst mehr als nur ein Leben leben. Im Frühling des Jahres 1938 kommt Elise Landau nach Tyneford House, einem Anwesen an der Südküste Englands. Die junge Jüdin aus wohlhabender Familie erwartet hier eine Anstellung als Hausmädchen. Eltern und Schwester musste sie in Wien zurücklassen. Über England weiß Elise nichts - nur, dass es ihr dort nicht gefallen wird. Doch tapfer poliert sie Silber und serviert Drinks, mit der Perlenkette ihrer Mutter unter der Schürze. Einziger Lichtblick: Kit, der Sohn des Hausherrn. Mit ihm erlebt sie ihre erste zarte Liebe - eine Liebe gegen die Konventionen. Dann erreicht der Krieg das beschauliche Dorset und beschwört Ereignisse herauf, die Tyneford House und seine Bewohner für immer verändern. Elise erkennt, dass sie keine andere Wahl hat, als ihr altes Leben komplett hinter sich zu lassen ... «Eine zutiefst anrührende und herrlich romantische Elegie auf eine verlorene Welt.» Saturday Times

Natasha Solomons wurde 1980 geboren. Sie lebt mit ihrer Familie in Dorset, wo sie gemeinsam mit ihrem Mann als Drehbuchautorin arbeitet. Ihre Bücher wurden in sechzehn Sprachen übersetzt. 'Das goldene Palais' ist ihr fünfter Roman.
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Produkt

KlappentextDu kannst mehr als nur ein Leben leben. Im Frühling des Jahres 1938 kommt Elise Landau nach Tyneford House, einem Anwesen an der Südküste Englands. Die junge Jüdin aus wohlhabender Familie erwartet hier eine Anstellung als Hausmädchen. Eltern und Schwester musste sie in Wien zurücklassen. Über England weiß Elise nichts - nur, dass es ihr dort nicht gefallen wird. Doch tapfer poliert sie Silber und serviert Drinks, mit der Perlenkette ihrer Mutter unter der Schürze. Einziger Lichtblick: Kit, der Sohn des Hausherrn. Mit ihm erlebt sie ihre erste zarte Liebe - eine Liebe gegen die Konventionen. Dann erreicht der Krieg das beschauliche Dorset und beschwört Ereignisse herauf, die Tyneford House und seine Bewohner für immer verändern. Elise erkennt, dass sie keine andere Wahl hat, als ihr altes Leben komplett hinter sich zu lassen ... «Eine zutiefst anrührende und herrlich romantische Elegie auf eine verlorene Welt.» Saturday Times

Natasha Solomons wurde 1980 geboren. Sie lebt mit ihrer Familie in Dorset, wo sie gemeinsam mit ihrem Mann als Drehbuchautorin arbeitet. Ihre Bücher wurden in sechzehn Sprachen übersetzt. 'Das goldene Palais' ist ihr fünfter Roman.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644307711
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2012
Erscheinungsdatum09.03.2012
Auflage1. Auflage
SpracheDeutsch
Dateigrösse905 Kbytes
Artikel-Nr.1249268
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


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Zweites Kapitel Singend in der Badewanne


Meine Erinnerungen halten sich nicht an eine zeitliche Abfolge. Vielmehr geschieht in meinem Kopf alles gleichzeitig. Anna gibt mir einen Gutenachtkuss und packt mich in mein Kinderbett, während mein Haar für Margots Hochzeit gebürstet wird. Sie findet jetzt auf dem Rasen in Tyneford statt, auf dem ich mit nackten Füßen stehe. Ich bin in Wien, während ich darauf warte, dass die Briefe meiner Familie in Dorset eintreffen. Die Chronologie, die ich auf diesen Seiten befolge, ist also nicht ohne Mühe zustande gekommen.

In meinen Träumen bin ich jung. Und so überrascht mich mein Gesicht im Spiegel immer wieder. Ich sehe das hübsche graue Haar, natürlich gut frisiert, und die Müdigkeit unter den Augen, die niemals verschwindet. Ich weiß, dass es mein Gesicht ist, und doch bin ich beim nächsten Mal, wenn ich in den Spiegel schaue, wieder überrascht. Oh, denke ich, ich habe vergessen, dass ich das bin.

In jenen glücklichen Tagen, als wir auf der Beletage wohnten, war ich das Küken in der Familie. Alle verwöhnten mich, Margot, Julian und am meisten Anna. Ich war ihr Nesthäkchen, ihr «Liebling», ich wurde verhätschelt und vergöttert. Dabei hatte ich gar keine besondere Begabung wie alle anderen. Ich konnte nicht singen. Ich konnte ein bisschen Klavier und Viola spielen, aber das war nichts im Vergleich zu Margot, die das ganze Talent unserer Mutter geerbt hatte. Ihr Ehemann Robert hatte sich schon in sie verliebt, bevor er auch nur ein Wort mit ihr gesprochen hatte, als er hörte, wie sie die Viola in Schumanns Märchenbildern spielte. Er sagte, ihre Musik könne einen Sturm, Weizenfelder, die sich im Regen wiegen, und Mädchen mit meerblauem Haar malen. Nie zuvor habe er durch die Augen von jemand anderem sehen können. Margot beschloss, seine Liebe zu erwidern, und sechs Wochen später waren sie verheiratet. Es war alles ziemlich ärgerlich, und ich hätte unerträglich eifersüchtig sein müssen, wenn es nicht eine Tatsache gewesen wäre, dass Robert völlig humorlos war. Er lachte nicht ein einziges Mal über meine Witze - nicht einmal über den mit dem Rabbi, dem Esszimmerstuhl und der Walnuss -, also war er eindeutig beschränkt. Dass ein Mann wegen meiner musikalischen Begabung völlig in mich vernarrt sein würde, war in höchstem Maße unwahrscheinlich, aber ich musste ihn schon zum Lachen bringen können.

Ich trug mich mit dem Gedanken, Schriftsteller zu werden wie Julian, aber im Gegensatz zu ihm hatte ich nie etwas anderes verfasst als eine Liste der Jungen, die mir gefielen. Als ich einmal Hildegard dabei zusah, wie sie mit ihren dicken roten Fingern gewürztes Fleisch in Kohlblätter einrollte, beschloss ich, dass das doch ein schönes Thema für ein Gedicht sei. Aber weiter als bis zu dieser Einsicht bin ich nicht gekommen. Ich war pummelig, während die anderen schlank waren. Ich hatte dicke Knöchel, und sie waren feinknochig und hatten hohe Wangenknochen. Das einzig Schöne an mir waren meine schwarzen Haare, die ich von Julian geerbt hatte. Sie hingen mir in einem langen Zopf bis über den Schlüpfer. Aber sie liebten mich dennoch. Anna ließ mich meine kindlichen Launen ausleben, und ich durfte schmollen, in mein Zimmer stürmen und wegen irgendwelcher Märchen schluchzen, für die ich viel zu alt war. Meine nicht enden wollende Kindheit gab Anna das Gefühl, jung zu sein. Mit einem kindischen Mädchen wie mir musste sie sich ihre fünfundvierzig Jahre nicht eingestehen.

All das veränderte sich durch den Brief. Nun musste ich allein in die Welt hinausgehen, ich musste erwachsen werden. Die anderen behandelten mich weiter wie bisher, aber in ihrem Verhalten lag etwas Gewolltes, als ob ich krank wäre und sie peinlich darauf achteten, es geheim zu halten. Anna belächelte auch weiterhin liebenswürdig all meine Launen, gab mir das dickste Stück Kuchen und ließ mir das Badewasser mit ihrem besten Lavendelsalz ein. Margot zettelte Streit mit mir an und lieh sich Bücher, ohne mich zu fragen, aber ich wusste, dass es nur Theater war. Bei den Streitereien war sie nicht mit dem Herzen dabei, und sie nahm sich nur Bücher, von denen sie wusste, dass ich sie schon gelesen hatte. Nur Hildegard war nun anders. Sie hörte auf, mich zu schelten, und selbst als es wahrscheinlich am nötigsten war, kam sie mir nicht mehr mit Mrs. Beeton. Sie nannte mich jetzt «Fräulein Elise», nachdem ich seit meinem zweiten Lebensjahr bloß «Elise» oder «Teufelsbraten» gewesen war. Diese plötzliche Förmlichkeit war keine Folge ihres Respekts, einer neuentdeckten Würde auf meiner Seite. Es war Mitleid. Ich vermutete, dass Hildegard mich in jenen letzten Wochen jede Faser meines gesellschaftlichen Status spüren lassen wollte, weil sie wusste, welche Demütigungen mich in den kommenden Monaten erwarteten, aber ich wünschte, sie würde mich weiterhin Elise nennen, mir Kopfnüsse geben und mir noch einmal damit drohen, mir das Essen zu versalzen. Ich hinterließ Kekskrümel auf meinem Nachttisch, was ein klarer Verstoß gegen ihre Keine-Kekse-im-Schlafzimmer-Regel war, aber sie sagte nichts, machte nur einen kleinen Knicks (während ich mich innerlich wand) und zog sich mit einem gekränkten Ausdruck in die Küche zurück.

Die Tage verstrichen. Ich spürte, wie sie schneller und schneller vorübergingen, wie bemalte Pferde auf einem Karussell. Ich wollte die Zeit anhalten, konzentrierte mich auf das Ticktack der Dielenuhr und versuchte, die Stille zwischen dem erbarmungslosen Schlagen des Sekundenzeigers auszudehnen. Aber das funktionierte natürlich nicht. Mein Visum kam mit der Post. Die Uhr tickte. Anna ging mit mir zusammen meinen Reisepass abholen. Tick. Julian bezahlte auf einem anderen Amt meine Ausreisegebühr, und als er zurückkam, verschwand er ohne ein Wort und mit dem Burgunder-Dekanter in seinem Arbeitszimmer. Tick. Ich packte knäuelweise Seidenstrümpfe in meine Koffer, während Hildegard in all meine Kleider geheime Täschchen einnähte, in denen ich verbotene Wertgegenstände verstecken konnte, und nähte in die Säume feine Goldkettchen ein. Anna und Margot begleiteten mich auf Kaffee-Exkursionen zu den Tanten, wo wir Honigkuchen essen, uns verabschieden und sagen konnten, dass wir uns bald wiedersähen, wenn-all-dies-vorüber-ist-wann-auch-immer-das-sein-wird. Tick. Ich versuchte, die ganze Nacht aufzubleiben, damit der Morgen langsamer käme und ich noch mehr kostbare Augenblicke in Wien hätte. Ich schlief ein. Tick-tack-tick, und wieder war ein Tag vorüber. Ich nahm die Bilder von meiner Schlafzimmerwand, schlitzte die Halterungen auf und schob den Druck des Belvederepalastes, die signierten Programme vom Opernball und meine Fotos von Margots Hochzeit in meinen Kofferdeckel; ich in meinem Musselinkleid mit der Blattstickerei, Julian im weißen Frack und Anna in formlosem Schwarz, damit sie die Braut nicht ausstach, und dennoch hübscher als der ganze Rest. Tick. Mein Gepäck lag in der Diele. Tick-tack. Meine letzte Nacht in Wien. Die Dielenuhr schlug: Sechs Uhr und Zeit, sich für das Fest umzuziehen.

Statt in mein Zimmer zu gehen, schlenderte ich in Julians Arbeitszimmer. Er saß an seinem Schreibtisch und notierte, den Stift in seiner linken Hand, fieberhaft irgendetwas. Ich wusste nicht, was er schrieb, niemand in Österreich druckte mehr seine Romane. Ob er seinen nächsten Roman wohl auf Englisch schreiben würde?

«Papa?»

«Ja, mein Goldstück.»

«Versprich mir, dass ich nachkommen kann, sobald du da bist.»

Julian hörte auf zu schreiben und schob seinen Stuhl zurück. Er zog mich auf seinen Schoß, als wäre ich neun und nicht neunzehn, drückte mich an sich und vergrub sein Gesicht in meinem Haar. Ich konnte den frischen Duft seiner Rasierseife und den Zigarrenrauch riechen, der immer auf seiner Haut lag. Als ich mein Kinn auf seine Schulter legte, sah ich, dass der Burgunder-Dekanter auf dem Schreibtisch stand und wieder einmal leer war.

«Ich vergesse dich doch nicht, mein Goldstück», sagte er, und seine Stimme war durch meinen Haarwust gedämpft. Er presste mich so fest an sich, dass meine Rippen knackten, und dann ließ er mich mit einem schwachen Seufzer wieder los. «Ich möchte, dass du etwas für mich tust, mein Liebling.»

Ich glitt von seinem Schoß und sah zu, wie er in die Zimmerecke ging, in der der Violakasten an der Wand lehnte. Er griff danach, legte ihn auf den Schreibtisch und öffnete ihn mit einem Klicken.

«Erinnerst du dich an diese Viola?»

«Ja, natürlich.»

Ich hatte meine ersten Musikstunden auf dieser Viola aus Rosenholz erhalten und schon vor Margot darauf zu spielen gelernt. Sie bekam Klavierunterricht auf dem Flügel im Salon, während ich in diesem Zimmer stand (ein Privileg, damit ich auch ordentlich übte) und die Viola quietschte und kratzte. Das Spielen machte mir sogar Spaß, bis sich eines Tages Margot in Julians Arbeitszimmer stahl und das Instrument in die Hand nahm. Sie strich mit dem Bogen über die Saiten, und zitternd erwachte sie zum Leben. Das Rosenholz sang zum ersten Mal, und Musik tropfte so mühelos aus den Saiten wie ein leichter Wind über der Donau. Wir kamen alle hinein und lauschten der Viola wie Sirenengesang. Anna hielt Julians Arm gepackt, ihre Augen waren feucht und strahlend, Hildegard tupfte sich die Augen mit ihrem Staubtuch ab, und ich lauerte in der Tür, voller Ehrfurcht vor meiner Schwester und krank vor Eifersucht. Innerhalb eines Monats wurden die besten Musiklehrer Wiens eingeladen, um meiner Schwester Unterricht zu erteilen. Ich spielte nie wieder.

«Ich möchte, dass du sie mit nach England nimmst», sagte Julian.

«Aber ich spiele nicht mehr. Und außerdem gehört sie Margot.»

Julian schüttelte den Kopf. «Margot...
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Autor

Natasha Solomons wurde 1980 geboren. Sie lebt mit ihrer Familie in Dorset, wo sie gemeinsam mit ihrem Mann als Drehbuchautorin arbeitet. Ihre Bücher wurden in sechzehn Sprachen übersetzt. "Das goldene Palais" ist ihr fünfter Roman. Martin Ruben Becker, lebt als Übersetzer in München und hat u.a Bücher von Joseph Luzzi, Robert Goolrick, Favell Lee Mortimer und David Bergen übersetzt.