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Wie Mr. Rosenblum in England sein Glück fand

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am17.09.20101. Auflage
«Absolut charmant und sehr witzig.» Paul Torday, Autor von «Lachsfischen im Jemen» In dem Moment, als Jack Rosenblum 1937 in Harwich von Bord geht, fasst er einen Entschluss: Als deutscher Jude, der mit seiner Frau aus Berlin fliehen konnte, möchte er so schnell wie möglich ein echter Engländer werden. Und so erstellt er eine Liste: einen leicht verständlichen Führer durch die Sitten und Gebräuche Englands. Fünfzehn Jahre später hat Jack viel erreicht. Nur einen Punkt auf seiner Liste konnte er noch nicht abhaken: Er ist noch nicht Mitglied in einem englischen Golfclub. Und da ihn niemand aufnehmen will, beschließt er, selbst einen Golfplatz zu bauen. Also schleift er seine Frau Sarah in das Herz der englischen Countryside, nach Dorset. Doch hier, im Land der Borstenschweine, Glockenblumen und des Apfelweins, scheint die schwierigste Aufgabe noch vor ihnen zu liegen ... «Eine anrührende und überraschende Lektüre, die glückliche Leser hinterlässt.» Sadie Jones, Autorin von «Der Außenseiter»

Natasha Solomons wurde 1980 geboren. Sie lebt mit ihrer Familie in Dorset, wo sie gemeinsam mit ihrem Mann als Drehbuchautorin arbeitet. Ihre Bücher wurden in sechzehn Sprachen übersetzt. 'Das goldene Palais' ist ihr fünfter Roman.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR16,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

Klappentext«Absolut charmant und sehr witzig.» Paul Torday, Autor von «Lachsfischen im Jemen» In dem Moment, als Jack Rosenblum 1937 in Harwich von Bord geht, fasst er einen Entschluss: Als deutscher Jude, der mit seiner Frau aus Berlin fliehen konnte, möchte er so schnell wie möglich ein echter Engländer werden. Und so erstellt er eine Liste: einen leicht verständlichen Führer durch die Sitten und Gebräuche Englands. Fünfzehn Jahre später hat Jack viel erreicht. Nur einen Punkt auf seiner Liste konnte er noch nicht abhaken: Er ist noch nicht Mitglied in einem englischen Golfclub. Und da ihn niemand aufnehmen will, beschließt er, selbst einen Golfplatz zu bauen. Also schleift er seine Frau Sarah in das Herz der englischen Countryside, nach Dorset. Doch hier, im Land der Borstenschweine, Glockenblumen und des Apfelweins, scheint die schwierigste Aufgabe noch vor ihnen zu liegen ... «Eine anrührende und überraschende Lektüre, die glückliche Leser hinterlässt.» Sadie Jones, Autorin von «Der Außenseiter»

Natasha Solomons wurde 1980 geboren. Sie lebt mit ihrer Familie in Dorset, wo sie gemeinsam mit ihrem Mann als Drehbuchautorin arbeitet. Ihre Bücher wurden in sechzehn Sprachen übersetzt. 'Das goldene Palais' ist ihr fünfter Roman.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644304017
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2010
Erscheinungsdatum17.09.2010
Auflage1. Auflage
SpracheDeutsch
Dateigrösse2313 Kbytes
Artikel-Nr.1414339
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



Zweites Kapitel


Sobald Jack nach Hause kam, verbrachte er jede freie Minute damit, die Broschüre Nützliche Informationen akribisch um weitere wichtige Punkte zu ergänzen, bis er gar nicht mehr genug Platz hatte und am Schluss zusätzliche Seiten anfügen musste. Nichts machte ihn glücklicher, als einen neuen kurzen Eintrag über die Sitten und Gebräuche der Engländer zu machen, wie etwa, dass «die britische Hausfrau freitagmorgens gern Schellfisch kauft». Voller Stolz dachte Jack, dass das Deutsch-Jüdische Hilfskomitee, sollte es jemals vorhaben, die Broschüre neu aufzulegen, keinen gewiefteren Experten dafür finden könnte als ihn selbst.

Die Fabrik expandierte kontinuierlich, und die riesigen Webstühle produzierten massenhaft Fallschirme, Seesäcke und Zelte aus grobem Segeltuch, sodass die Rosenblums schließlich in ein kleines Reihenhaus in Hampstead mit einem Türklopfer aus Messing und einer gepflasterten Terrasse, die an die Heide grenzte, ziehen konnten. Mit der Zeit ging Sarah die Liste ihres Ehemannes jedoch immer mehr auf die Nerven. Jeden Abend saß er zusammengekauert in seinem Sessel vorm Gasofen, während das Radio plärrte, und kritzelte und kritzelte in sein kleines Buch. Nur wenn sich Mr. Winston Churchill oder Mr. John Betjeman über den Äther zu Wort meldeten, stockte er und ließ den Bleistift sinken. Seine Obsession, unbedingt Engländer werden zu wollen, konnte sie nicht verstehen, und gleichzeitig spürte sie, wie sich ihr früheres Leben immer weiter von ihnen entfernte wie Dampf aus einem Kessel, der durchs offene Fenster zieht. Seit Monaten hatten sie keine Nachricht mehr von Mutti, Emil oder Papa. Jeden Freitag besorgte Jack eine neue Ausgabe des Jewish Chronicle, und gemeinsam studierten sie die Zeitungsmeldungen, die voller dunkler Andeutungen waren. Während Elizabeth ein Nickerchen machte, machte es sich Sarah auf einem der Vorkriegsteppiche der Rosenblums gemütlich, las in Muttis Kochbüchern und versuchte, ihren Appetit mit Visionen von Sachertorte und Windbeuteln zu stillen.

Dann begann es eines Sonntagmorgens im März 1943 zu regnen. Sarah wusste, dass Jack irgendwo oben im Haus mit seiner verdammten Liste beschäftigt war. Der Himmel nahm einen tiefen Grauton an, und die Stadt lag in künstlichem Zwielicht. Aus der Regenrinne strömte das Wasser, und die Tropfen prasselten auf die schimmernde Oberfläche des Teiches hinterm Grundstück. Nach einer Stunde leckte das Wasser schon an die Zaunpfähle am Fuß des Gartens, wo es zur Heide überging. Als sie aus dem Fenster starrte, stellte sich Sarah vor, sie sei Mrs. Noah, die in ihrer hausartigen Arche auf den Wellen tanzte. Sie lief zur Spüle und blickte träumerisch auf den Teich. Von oben kam ein kehliges Quaken, und dann ging eine Schar Enten nieder und landete auf dem Wasser. Sie lächelte, als sie sie erblickte, sie mochte den aufgeregten Lärm, den sie veranstalteten - wie Hausfrauen, die sich um Brot zankten. Dann bemerkte sie etwas Seltsames: Im Regen fütterte eine grauhaarige Frau die Enten.

Die Küche füllte sich mit einem besonderen Duft, süß und verbrannt: Mohnkuchen, der schon ein bisschen zu lange im Ofen gestanden hatte, sodass die oberste Schicht etwas angebrannt war. Sarah backte nie Mohnkuchen und hatte auch nie mehr welchen gegessen, seit sie in England waren. Sie konnte sich auch nicht daran erinnern, irgendwo Mohn zum Kauf gesehen zu haben. Es war Muttis Lieblingskuchen, sie mochte ihn sogar noch lieber als Baumkuchen, Vanillekipferl oder gar Marzipantörtchen. Sie aß ein Stück nach dem anderen, und die winzigen Mohnsamen blieben zwischen ihren Zähnen stecken, bis sie aussah wie eine Hexe mit schaurigen Zahnlücken aus den Märchen der Gebrüder Grimm.

Sarah öffnete die Terrassentür und ging in den Regen hinaus. In ihren dünnen Hausschuhen lief sie über die nasse Erde. Die Luft war ganz aromatisch, als trüge der Regen den Duft von geröstetem Samen und süßem Teig weiter. Auch die Pfützen, die sich auf der Erde sammelten, verströmten zwischen den Terrakotta-Blumentöpfen den Geruch nach einer Bäckerei. Sarah lief zum Zaun und drückte zwei zerbrochene Latten zur Seite. Sie zog den Bauch ein, schlüpfte durch das Loch und erreichte den Teich. Dort, auf der anderen Seite, stand ihre Mutter. Sie trug ihren langen, schwarzen Rock, eine weiße Schürze und ein hübsches blaues Kopftuch, während sie die quakenden Enten mit Krümeln des verbrannten Kuchens fütterte. Sarah trat, ohne zu zögern, in das stehende Wasser. Der Teich war niedrig, und das Wasser leckte am Saum ihres Morgenmantels, wobei sich das leuchtende Fuchsien-Rot in ein schmutziges Braun verwandelte. Hinter ihr fächerte sich der Morgenmantel wie eine Schleppe auf, während die Lockenwickler auf ihrem Kopf eine Krone bildeten.

Sarah schloss ihre Augen, holte tief Luft und sog den süßen Duft ein. Sie durfte die Augen nicht wieder öffnen. Sie durfte es nicht. Durfte nicht. Denn wenn sie es tat, war Mutti fort, und es würde nie wieder Mohnkuchen geben.

 

Außen herum ging Sarah wieder zurück, wobei sie die neugierigen Blicke der Passanten nicht wahrnahm. Sie wusste, dass aus Berlin keine Briefe mehr kommen würden. Dennoch fühlte sie nichts, nur Schweigen.

«Was ist los mit dir? Bist du verrückt?»

Jack stand mit zusammengekniffenen Lippen auf dem Bürgersteig. Er starrte sie einen Moment lang an, dann warf er ihr eine Rosshaar-Decke über die Schultern und schob sie, bebend vor Missbilligung, eilig ins Haus.

«Ich habe dich gesehen. Du warst im Teich.»

Sarah sagte nichts.

«Und wenn dich jemand gesehen hat?»

Noch immer beachtete sie ihn nicht und marschierte in die Küche, wobei der Saum ihres Morgenmantels, den sie hinter sich herzog, die gebohnerten Fliesen in der Diele mit Schlamm bespritzte. Sie spürte, wie Jack hinter ihr hertrottete, und hörte ihn verwirrt herumstottern. Es war ihr egal. Sie packte sich Muttis Kochbuch, schlug es mit einem Ruck auf und riss daran herum. Mit einem Aufheulen rupfte sie eine Seite heraus und zerknüllte sie, quetschte sie so zusammen, dass die Druckerschwärze vom Schweiß an ihren Händen zu zerlaufen begann.

«Verflucht! Es ist alles umsonst! Ich kann nicht mehr.»

Sie schleuderte das Buch Richtung Ofen, wo es gegen die Herdhaube knallte und auf den Boden fiel. Jack nahm seine Frau in den Arm, drückte sie an seine Brust und strich ihr die Haare aus dem Gesicht.

«Ganz ruhig, ganz ruhig. Was ist denn passiert, meine Kleine?»

Sarah konnte nicht sprechen, und Elizabeth, die hinten im Schlafzimmer von dem Lärm aufgewacht war, begann zu weinen.

«Mohnsamen», brachte sie keuchend heraus, «da waren Mohnsamen. Und es werden keine Briefe mehr kommen.»

Jack starrte sie an, und zum ersten Mal seit seiner kurzen Internierungsphase begann er sich wieder zu fürchten. Er streckte die Hand aus und streichelte ihre.

«So geht es nicht, mein Spatz. Die Leute werden dich für exzentrisch halten. Du kannst doch nicht am Sonntagmorgen mit deinen Puschen in den Teich gehen. Das ist gefährlich.»

Sarah hatte das Gefühl, sich vor Wut übergeben zu müssen. «Das also. Das also ist es, was dich umtreibt? Du Arschkriecher.»

Jack holte Luft und leckte sich die trockenen Lippen. «Die Engländer können sich seltsame Angewohnheiten leisten, aber wir müssen unsichtbar sein.»

Sarah schob sich eine Strähne ihres dunklen Haares hinter das Ohr und sah ihren Mann an, ohne mit der Wimper zu zucken.

«Von mir aus. Dann werde ich eben unsichtbar.»

Als sie sich umdrehte und fortging, spürte Jack in seinem Inneren, dass etwas zerbrochen war. Er hörte beinahe, wie es zerbrach, aber er konnte ihr nur hinterhersehen, wie sie wegging, wobei der feuchte Stoff ihres Morgenmantels an ihren nackten Beinen klebte.

 

Das Ende des Krieges stellte sie vor neue Aufgaben und bot gleichzeitig neue Chancen. Es bedeutete, dass Jack, der nun nicht länger bloß in schäbiger Arbeitskleidung herumlaufen musste, sich wie ein echter englischer Gentleman kleiden konnte, und nach sorgfältiger Erwägung beschloss er, dass das nichts anderes hieß als den Erwerb eines maßgeschneiderten Anzugs aus der Savile Row. In seiner sauberen Handschrift notierte er dies als Punkt Nummer einhundertsechs auf seiner Liste. Zum ersten Mal suchte er Jack Henry Poole im Oktober 1946 auf. Schon die erforderliche Anzahl von Kleidercoupons zu erwerben, kostete ihn ein kleines Vermögen, ganz zu schweigen von der Kleidung selbst, aber sie war jeden Halfpenny wert: Der Anzug war geradezu die Uniform des englischen Gentlemans. Das Geschäft roch köstlich nach Zedernholz, und der Schneider redete ihn mit «Sir» an, nahm seine kleinen Körpermaße, ohne dabei spöttisch zu lächeln, und zwölf Wochen später wurde ihm der Anzug, in Krepppapier eingewickelt und in einer Perlmuttschachtel, auf der das Henry-Poole-Wappen in Gold prangte, zugestellt. Sein Emblem sollte neben denen von Churchill, Gladstone und Prince Albert in den Gewölben der Teppichfirma bewahrt werden. Wenn Jack den Anzug anlegte, fühlte er sich größer als seine tatsächlichen 1,60 Meter, seine Glatze schien weniger zu glänzen und seine Nase nicht ganz so, nun ja, hervorzustechen. So hätte sich auch der König selbst seinen neuen Anzug gewünscht.

Als nun auch die Produktion von Automobilen wieder angekurbelt wurde, konnte Jack zudem die Nummer einhundertsieben erledigen: «Der Engländer fährt einen Jaguar.» Im Sommer 1951 nahm Jack, nachdem seine Fabrik eine besonders große Bestellung von samtgrauen Plüschteppichen nach New York verschifft hatte, die...

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Autor

Natasha Solomons wurde 1980 geboren. Sie lebt mit ihrer Familie in Dorset, wo sie gemeinsam mit ihrem Mann als Drehbuchautorin arbeitet. Ihre Bücher wurden in sechzehn Sprachen übersetzt. "Das goldene Palais" ist ihr fünfter Roman. Martin Ruben Becker, lebt als Übersetzer in München und hat u.a Bücher von Joseph Luzzi, Robert Goolrick, Favell Lee Mortimer und David Bergen übersetzt.