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Feuer in Berlin

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
336 Seiten
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am02.12.20131. Auflage
In seiner Berlin-Trilogie um den Privatdetektiv Bernhard Gunther schafft es Philip Kerr, in der Form des spannenden Kriminalromans die schmutzig-düstere Atmosphäre der Nazi- und Post-Nazi-Zeit in Berlin zu beschwören. Geschickt verwebt er die historischen Ereignisse und ihre Protagonisten mit seinen Kriminalgeschichten - eine atemberaubende Mischung. «Finster, komplex und schonungslos witzig - eine perfekte Verbindung von bedrohlichem geschichtlichem Hintergrund und einfallsreicher Handlung mit einem deutschen Philip Marlowe.» (Kirkus Review) «Kerr ist die europäische Krimi-Entdeckung der letzten Jahre.» (Radio Bremen)

Philip Kerr wurde 1956 in Edinburgh geboren. 1989 erschien sein erster Roman «Feuer in Berlin». Aus dem Debüt entwickelte sich die Serie um den Privatdetektiv Bernhard Gunther. Für Band 6, «Die Adlon-Verschwörung», gewann Philip Kerr den weltweit höchstdotierten Krimipreis der spanischen Mediengruppe RBA und den renommierten Ellis-Peters-Award. Kerr lebte in London, wo er 2018 verstarb.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextIn seiner Berlin-Trilogie um den Privatdetektiv Bernhard Gunther schafft es Philip Kerr, in der Form des spannenden Kriminalromans die schmutzig-düstere Atmosphäre der Nazi- und Post-Nazi-Zeit in Berlin zu beschwören. Geschickt verwebt er die historischen Ereignisse und ihre Protagonisten mit seinen Kriminalgeschichten - eine atemberaubende Mischung. «Finster, komplex und schonungslos witzig - eine perfekte Verbindung von bedrohlichem geschichtlichem Hintergrund und einfallsreicher Handlung mit einem deutschen Philip Marlowe.» (Kirkus Review) «Kerr ist die europäische Krimi-Entdeckung der letzten Jahre.» (Radio Bremen)

Philip Kerr wurde 1956 in Edinburgh geboren. 1989 erschien sein erster Roman «Feuer in Berlin». Aus dem Debüt entwickelte sich die Serie um den Privatdetektiv Bernhard Gunther. Für Band 6, «Die Adlon-Verschwörung», gewann Philip Kerr den weltweit höchstdotierten Krimipreis der spanischen Mediengruppe RBA und den renommierten Ellis-Peters-Award. Kerr lebte in London, wo er 2018 verstarb.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644476219
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2013
Erscheinungsdatum02.12.2013
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.1
Seiten336 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2614 Kbytes
Artikel-Nr.1312266
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1

Merkwürdige Dinge ereignen sich in den dunklen Träumen des Großen Verführers ...

 

Heute morgen sah ich an der Ecke Friedrichstraße und Jägerstraße zwei SA-Männer, die einen roten Schaukasten des Stürmers von der Mauer eines Gebäudes abschraubten. Der optische Eindruck dieser Schaukästen mit ihren halb-pornographischen Strichzeichnungen von arischen Mädchen in den lüsternen Umarmungen langnasiger Monster zielt darauf, den schwachköpfigen Leser anzuziehen und ihm einen flüchtigen Kitzel zu verschaffen. Anständige Leute wollen damit nichts zu tun haben. Die beiden SA-Männer luden die Kästen jedenfalls auf die Ladefläche ihres Lastwagens, wo bereits viele andere lagen. Sie machten ihre Arbeit nicht gerade sorgfältig, da bei ein paar Kästen die Glasscheiben ohnehin schon zerbrochen waren.

Eine Stunde später sah ich dieselben Männer vor dem Rathaus wieder, wo sie einen Kasten von einer Straßenbahnhaltestelle entfernten. Diesmal ging ich zu ihnen und fragte sie, was sie da trieben.

«Es ist wegen der Olympiade», sagte einer von ihnen. «Wir haben Befehl, sie alle wegzuräumen, damit die ausländischen Besucher, die nach Berlin kommen, um sich die Wettkämpfe anzusehen, keinen Schock kriegen.»

Meines Wissens ist eine solche Rücksichtnahme seitens der Behörden einmalig.

 

Ich fuhr mit meinem Wagen nach Hause - es ist ein alter schwarzer Hanomag - und zog meinen letzten guten Anzug an: Er ist aus hellgrauem Flanell und hat mich, als ich ihn vor drei Jahren kaufte, hundertzwanzig Mark gekostet. Der Stoff ist von einer Qualität, die in diesem Land immer seltener zu finden ist: wie Butter, Kaffee und Seife. Die heutigen Wollstoffe sind meistens Ersatz. Gewiß, sie sind einigermaßen brauchbar, nur nicht sehr strapazierfähig und ziemlich unwirksam, wenn es darum geht, im Winter die Kälte abzuhalten. Oder im Sommer die Hitze.

Ich überprüfte mein Aussehen im Schlafzimmerspiegel, und dann griff ich nach meinem besten Hut. Es ist ein breitkrempiger dunkelgrauer Filzhut mit einem schwarzen Baratheaband. Nichts Besonderes. Aber wie die Männer von der Gestapo trage ich meinen Hut anders als üblich, nämlich tief in die Stirn gezogen. Dadurch werden natürlich meine Augen verdeckt, und das erschwert es den Leuten, mich zu erkennen. Es ist eine Marotte, die bei der Kripo aufgekommen ist und die ich mir dort zu eigen gemacht habe.

Ich steckte ein Päckchen Muratti in meine Jackentasche, klemmte mir vorsichtig ein in Geschenkpapier verpacktes Stück Rosenthal-Porzellan unter den Arm und machte mich auf den Weg.

 

Die Hochzeit fand in der Luther-Kirche am Dennewitzplatz statt, genau südlich vom Potsdamer Bahnhof und einen Steinwurf von der Wohnung der Brauteltern entfernt. Der Vater, Herr Lehmann, war Lokführer am Lehrter Bahnhof und fuhr viermal in der Woche den D-Zug nach Hamburg hin und zurück. Die Braut, Dagmar, war meine Sekretärin, und ich hatte keinen Schimmer, was ich ohne sie anfangen würde. Es war auch nicht so, daß mir ihre Heirat nichts ausmachte: Ich hatte oft selbst daran gedacht, Dagmar zu heiraten. Sie war hübsch und wußte mich richtig zu nehmen, und ich schätze, daß ich sie auf meine komische Art liebte; aber mit achtunddreißig war ich vermutlich zu alt für sie und vielleicht eine Spur zu schwerfällig. Ich habe keine große Neigung zur Ausgelassenheit, und Dagmar war die Art von Frau, die ein bißchen Spaß verdiente.

Da stand sie also nun und heiratete ihren Flieger. Und auf den ersten Blick besaß er alles, was eine junge Frau sich nur wünschen konnte: Er war jung, stattlich, und in der graublauen Uniform des nationalsozialistischen Fliegerkorps wirkte er wie der Inbegriff des strahlend jungen, arischen Mannes. Doch als ich ihm beim Hochzeitsempfang begegnete, war ich enttäuscht. Wie die meisten Parteimitglieder hatte Johannes Buerckel das Aussehen und Gehabe eines Mannes, der sich überaus wichtig nahm.

Dagmar machte uns miteinander bekannt. Johannes schlug, wie bei seinem Typ nicht anders zu erwarten, mit lautem Krachen die Hacken zusammen und bedachte mich mit einem kurzen Kopfnicken, ehe er mir die Hand schüttelte.

«Glückwunsch», sagte ich zu ihm. «Sie sind ein echter Glückspilz. Ich habe Dagmar gebeten, mich zu heiraten. Ich glaube nur nicht, daß ich in Uniform so gut aussehe wie Sie.»

Ich sah mir seine Uniform genauer an: Auf der linken Brusttasche trug er das silberne SA-Sportabzeichen und das Pilotenabzeichen; über diesen beiden Schmuckstücken prangte das allgegenwärtige Parteiabzeichen; und an seinem linken Arm trug er die Hakenkreuzbinde. «Dagmar hat mir erzählt, Sie wären ein Lufthansa-Pilot und vorübergehend dem Luftfahrtministerium zugeteilt, aber ich hatte keine Ahnung ... Sagten Sie nicht, Dagmar, er wäre ein ...»

«Sportflieger.»

«Ja, richtig. Ein Sportflieger. Nun, ich wußte gar nicht, daß ihr Burschen Uniform tragt.»

Natürlich brauchte man kein Detektiv zu sein, um darauf zu kommen, daß «Sportflieger» eine dieser phantasievollen Umschreibungen der Nazis war und sich auf die geheime Ausbildung von Kampffliegern bezog.

«Er sieht prächtig aus, nicht wahr?» sagte Dagmar.

«Und du siehst wunderschön aus, mein Schatz», flötete der Bräutigam pflichtbewußt.

»Entschuldigen Sie meine Frage, Johannes, aber ist die deutsche Luftwaffe inzwischen offiziell anerkannt?»

«Fliegerkorps», sagte Buerckel. «Es ist ein Fliegerkorps.» Aber das war seine ganze Antwort. «Und Sie, Herr Gunther - Privatdetektiv, wie? Das muß interessant sein.»

«Ich führe private Ermittlungen durch», verbesserte ich ihn. «Manchmal ist es spannend.»

«Welcher Art sind Ihre Ermittlungen?»

«Ich mache fast alles, ausgenommen Scheidungsfälle. Die Leute verhalten sich merkwürdig, wenn sie von ihren Frauen oder ihren Ehemännern betrogen werden. Einmal beauftragte mich eine Frau, ihrem Mann zu sagen, sie plane, ihn zu verlassen. Sie hatte Angst, er würde sie abknallen. Also sagte ich´s ihm, und, wissen Sie was, der Hundesohn versuchte, mich abzuknallen. Ich lag drei Wochen mit geschientem Hals im Gertrauden-Krankenhaus. Danach war für mich auf Dauer Schluß mit Ehesachen. Im Augenblick mache ich alles. Ich arbeite für Versicherungen, bewache Hochzeitsgeschenke und suche vermißte Personen - solche, von deren Verschwinden die Polizei noch nichts weiß, aber auch andere, deren Verschwinden gemeldet ist. Ja, das ist ein Bereich meines Geschäfts, der seit der Machtübernahme richtig aufgeblüht ist.» Ich lächelte so freundlich, wie ich konnte, und zwinkerte ihm vielsagend zu. «Ich denke, wir haben alle ganz hübsch vom Nationalsozialismus profitiert, nicht wahr? Richtige kleine Märzgefallene.»

«Du mußt Bernhard nicht ernst nehmen», sagte Dagmar. «Er hat einen komischen Sinn für Humor.» Ich hätte weitergesprochen, doch die Kapelle hatte zu spielen begonnen, und Dagmar war so klug, Buerckel auf die Tanzfläche zu führen, wo sie mit herzlichem Beifall empfangen wurden.

Da der Sekt, der angeboten wurde, mich anödete, ging ich auf der Suche nach einem richtigen Schluck in die Bar. Ich bestellte ein Bock und einen Klaren zum Nachspülen, einen farblosen Kartoffelschnaps, für den ich eine Schwäche habe. Ich kippte Bier und Schnaps ziemlich schnell runter und bestellte dasselbe noch mal.

«Durstige Angelegenheit, so eine Hochzeit», sagte der kleine Mann neben mir: Es war Dagmars Vater. Er lehnte sich mit dem Rücken an die Theke und beobachtete voller Stolz seine Tochter. «Sieht zum Anbeißen aus, nicht wahr, Herr Gunther?»

«Ich weiß nicht, was ich ohne sie machen werde», sagte ich. «Vielleicht können Sie sie dazu überreden, ihre Meinung zu ändern und weiter bei mir zu bleiben. Ich bin sicher, daß sie das Geld gebrauchen können. Junge Paare brauchen immer Geld, wenn sie heiraten.»

Lehmann schüttelte den Kopf. «Ich fürchte, es gibt nur eine Art von Arbeit, für die eine Frau geeignet ist, wenn es nach Johannes und seiner Naziregierung geht, und die muß sie leisten, wenn neun Monate vorbei sind.» Er zündete seine Pfeife an und paffte nachdenklich vor sich hin. «Ich schätze, daß sie eines dieser Ehedarlehen beantragen werden, und das wird sie vom Arbeiten abhalten, oder?»

«Ja, ich denke, Sie haben recht», sagte ich und goß den Klaren hinunter. Ich sah seinem Gesicht an, daß er überrascht war, mich trinken zu sehen, und darum sagte ich:

«Lassen Sie sich durch dieses Zeug nicht täuschen, Herr Lehmann. Ich benutze es nur als Mundwasser und bin bloß zu faul, die Brühe auszuspucken.» Er grinste, schlug mir auf die Schulter und bestellte uns zwei Doppelte. Wir tranken, und ich fragte ihn, wo das glückliche Paar seine Flitterwochen verbringen werde.

«Am Rhein», sagte er. «Wiesbaden. Meine Frau und ich sind damals in Königstein gewesen. Wunderschöne Gegend. Er hat nicht lange Urlaub, dann muß er schon wieder weg. Irgendeine dieser Kraft-durch-Freude-Reisen vom Reichsarbeitsdienst.»

«Ja? Wohin?»

«Mittelmeer.»

«Glauben Sie das?»

Der alte Mann runzelte die Stirn. «Nein», sagte er grimmig. «Hab´s Dagmar gegenüber nicht erwähnt, aber ich schätze, er fährt nach Spanien ...»

«... und in den Krieg.»

«Und in den Krieg, ja. Mussolini hat Franco geholfen, also wird auch Hitler sich den Spaß nicht entgehen lassen, oder? Er wird erst zufrieden sein, wenn er uns in einen neuen verdammten Krieg verwickelt hat.»

Danach tranken wir noch ein paar Lagen, und dann tanzte ich mit einer hübschen, kleinen Strumpfverkäuferin aus dem Kaufhaus Grünfeld. Ihr Name war Carola, und ich überredete...
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Autor

Philip Kerr wurde 1956 in Edinburgh geboren. 1989 erschien sein erster Roman «Feuer in Berlin». Aus dem Debüt entwickelte sich die Serie um den Privatdetektiv Bernhard Gunther. Für Band 6, «Die Adlon-Verschwörung», gewann Philip Kerr den weltweit höchstdotierten Krimipreis der spanischen Mediengruppe RBA und den renommierten Ellis-Peters-Award. Kerr lebte in London, wo er 2018 verstarb.