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Das Verderben

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am31.03.2015
Der beschauliche Ort Kingsmarkham wird durch eine Serie von Gewalttaten erschüttert. Zuerst verschwinden kurz nacheinander zwei junge Mädchen. Als sie nach wenigen Tagen scheinbar unbeschadet wieder zurückkehren, weigern sie sich, über ihre Erlebnisse Auskunft zu geben. Dann wird ein Sittlichkeitsverbrecher aus der Haft entlassen, und sofort sind den braven Bürgern von Kingsmarkham die Zusammenhänge klar. Der Unmut gegen den ehemaligen Häftling schlägt hohe Wellen, es kommt zu Protesten und Tumulten, bei denen ein Polizist ums Leben kommt. Und dann verschwindet die dreijährige Sanchia, die Tochter eines wohlhabenden Ehepaars. Angesichts der öffentlichen Erregung fällt es Inspector Wexford und seinem Assistenten Burden immer schwerer, Ruhe zu bewahren. Denn eines ist inzwischen klar geworden: Irgendwo besteht ein Zusammenhang zwischen den Ereignissen um die drei verschwundenen Mädchen ...

Ruth Rendell wurde 1930 in London geboren und lebte dort bis zu ihrem Tod 2015. Sie arbeitete als Journalistin, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Romanen widmete. 1997 wurde sie mit dem Grand Master Award der Crime Writers' Association of America, dem renommiertesten Krimipreis, ausgezeichnet und darüber hinaus von Königin Elizabeth II. in den Adelsstand erhoben. Ruth Rendell ist auch unter dem Pseudonym Barbara Vine bekannt.
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Produkt

KlappentextDer beschauliche Ort Kingsmarkham wird durch eine Serie von Gewalttaten erschüttert. Zuerst verschwinden kurz nacheinander zwei junge Mädchen. Als sie nach wenigen Tagen scheinbar unbeschadet wieder zurückkehren, weigern sie sich, über ihre Erlebnisse Auskunft zu geben. Dann wird ein Sittlichkeitsverbrecher aus der Haft entlassen, und sofort sind den braven Bürgern von Kingsmarkham die Zusammenhänge klar. Der Unmut gegen den ehemaligen Häftling schlägt hohe Wellen, es kommt zu Protesten und Tumulten, bei denen ein Polizist ums Leben kommt. Und dann verschwindet die dreijährige Sanchia, die Tochter eines wohlhabenden Ehepaars. Angesichts der öffentlichen Erregung fällt es Inspector Wexford und seinem Assistenten Burden immer schwerer, Ruhe zu bewahren. Denn eines ist inzwischen klar geworden: Irgendwo besteht ein Zusammenhang zwischen den Ereignissen um die drei verschwundenen Mädchen ...

Ruth Rendell wurde 1930 in London geboren und lebte dort bis zu ihrem Tod 2015. Sie arbeitete als Journalistin, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Romanen widmete. 1997 wurde sie mit dem Grand Master Award der Crime Writers' Association of America, dem renommiertesten Krimipreis, ausgezeichnet und darüber hinaus von Königin Elizabeth II. in den Adelsstand erhoben. Ruth Rendell ist auch unter dem Pseudonym Barbara Vine bekannt.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641151430
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum31.03.2015
SpracheDeutsch
Dateigrösse1752 Kbytes
Artikel-Nr.1597505
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


1

_____

An dem Tag, an dem Lizzie von den Toten zurückkehrte, waren Polizei, Familie und Nachbarn schon dabei, nach ihrer Leiche zu suchen. Sie bearbeiteten das offene Land zwischen Kingsmarkham und Myringham, durchkämmten die Hügel und streiften durch den Wald. Obwohl bereits April, war es kalt und nass, und es blies ein schneidender Nordostwind. Ihre Aufgabe war nicht angenehm; keiner lachte oder machte Witze, und es wurde wenig gesprochen.

Unter den Suchenden befand sich auch Lizzies Stiefvater, doch ihre Mutter war zu erschüttert, das Haus zu verlassen. Am Vorabend hatten die beiden im Fernsehen einen Aufruf durchgegeben, Lizzie möge doch wieder nach Hause kommen, und an ihren etwaigen Entführer oder Angreifer appelliert, sie freizulassen. Ihre Mutter sagte, sie sei erst sechzehn, was bereits bekannt war, und habe Lernschwierigkeiten, was noch nicht bekannt war. Ihr Stiefvater war ein gutes Stück jünger als ihre Mutter, vielleicht zehn Jahre, und sah auch sehr jung aus. Er hatte langes Haar und einen Bart und trug mehrere Ohrringe, alle im selben Ohr. Nach der Fernsehausstrahlung riefen einige Leute auf dem Polizeirevier von Kingsmarkham an und gaben ihrer Vermutung Ausdruck, Colin Crowne habe seine Stieftochter ermordet. Eine Anruferin behauptete, er habe sie auf dem Baugrundstück an der York Street vergraben, etwa eine Viertelmeile vom Muriel Campden Estate entfernt, einer Siedlung des sozialen Wohnungsbaus, wo die Crownes mit Lizzie wohnten. Eine andere sagte zu Sergeant Vine, sie habe Colin Crowne zu Lizzie sagen hören, er würde sie umbringen, weil sie »dumm wie Bohnenstroh« sei.

»Leute, die zum Fernsehen gehen und über ihre vermissten Kinder reden«, meinte eine Anruferin, die sich weigerte, ihren Namen zu nennen, »sind immer die Schuldigen. Es ist immer der Vater. Wie oft hab´ ich das schon erlebt. Und wenn Sie das nicht wissen, haben Sie bei der Polizei nichts zu suchen.«

Chief Inspector Wexford hielt sie für tot. Nicht weil es die anonyme Anruferin gesagt hatte, sondern weil sämtliche Indizien darauf hindeuteten. Lizzie hatte keinen Freund, war alles andere als frühreif, hatte einen niedrigen IQ und war ziemlich langsam und schüchtern. Drei Abende zuvor war sie zusammen mit ein paar Freundinnen mit dem Bus ins Kino nach Myringham gefahren, nach dem Film hatten die beiden anderen Mädchen sie aber allein nach Hause fahren lassen. Sie hatten gefragt, ob sie noch mit in die Disco käme, doch Lizzie hatte gesagt, dann würde ihre Mutter sich Sorgen machen - ihre Freundinnen glaubten, Lizzie hätte es bei der Vorstellung selbst mit der Angst bekommen -, und so hatten sie sich an der Bushaltestelle von ihr getrennt. Es war kurz vor halb neun und wurde schon dunkel. Um Viertel nach neun hätte sie zu Hause in Kingsmarkham sein müssen, aber sie kam dort nicht an. Um Mitternacht hatte ihre Mutter dann die Polizei verständigt.

Wäre sie ein - nun ja, ein etwas anderes Mädchen gewesen, hätte Wexford der Angelegenheit nicht soviel Aufmerksamkeit geschenkt. Wenn sie eher wie ihre Freundinnen gewesen wäre. Selbst in Gedanken zögerte er etwas bei dem Ausdruck, denn er hielt sich gern an seine eigenen Standards politischer Korrektheit, in Gedanken wie in der Rede. Er wollte es nicht auf die Spitze treiben, wollte keine lächerlichen Ausdrücke wie etwa »intellektuell herausgefordert« benutzen, aber auch nicht unsensibel sein und ein Mädchen wie Lizzie Cromwell schwachsinnig oder zurückgeblieben nennen. Abgesehen davon war sie weder das eine noch das andere, sie konnte lesen und schreiben, zumindest einigermaßen, besaß ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und war selbständig. Am hellen Tag jedenfalls. Trotzdem hätte man sie nach Einbruch der Dunkelheit nicht an einer abgelegenen Straße allein lassen dürfen. Aber bei welchem Mädchen hätte man das schon gedurft?

Wexford hielt sie also für tot. Von irgendjemandem ermordet. Colin Crowne hatte ihm auf Anhieb nicht besonders gefallen, allerdings hatte er keinen Grund, ihn des Mordes an seiner Stieftochter zu verdächtigen. Zugegeben, ein paar Jahre vor der Heirat mit Debbie Cromwell war Crowne wegen tätlichen Angriffs auf einen Mann vor einem Pub verurteilt worden, und danach noch einmal, weil er ein Auto entwendet und weggefahren - mit anderen Worten, gestohlen - hatte. Aber was besagte das schon? Nicht viel. Wahrscheinlicher war, dass jemand angehalten und Lizzie angeboten hatte, sie mitzunehmen.

»Würde sie mit Fremden mitfahren?« hatte sich Vine bei Debbie Crowne erkundigt.

»Manchmal dauert es, bis sie was kapiert«, hatte Lizzies Mutter erwidert. »Dann sagt sie ja und nein und lächelt ein bisschen - lächeln tut sie viel, sie ist ein glückliches Kind -, aber man weiß nie, ob es, na ja, angekommen ist. Stimmt´s, Col?«

»Ich hab´ ihr gesagt, sie soll nicht mit Fremden reden«, sagte Colin Crowne. »Ich hab´s ihr gesagt bis zum Geht-nicht-mehr, und was tut sie? Lächelt, nickt, lächelt noch mal, und dann sagt sie was ganz was anderes, irgendwas Bescheuertes, zum Beispiel, dass die Sonne scheint, oder sie fragt, was es zum Abendbrot gibt.«

»Sag nicht bescheuert, Col«, bat die Mutter, offensichtlich verletzt.

»Du weißt schon, was ich meine.«

Als sie drei Nächte verschwunden und der dritte Tag angebrochen war, machten sich Colin Crowne und die Nachbarn zu beiden Seiten der Crownes im Muriel Campden Estate dann auf die Suche nach Lizzie. Wexford hatte bereits mit ihren Freundinnen gesprochen und mit dem Fahrer des Busses, den sie hätte nehmen sollen, und Inspector Burden und Sergeant Vine hatten Dutzende von Autofahrern befragt, die die Straße täglich um etwa diese Uhrzeit befuhren. Als der Regen sich zu einem Wolkenbruch verstärkte, was gegen vier Uhr nachmittags geschah, blies man die Suche für diesen Tag ab, verabredete aber, sie gleich bei Tagesanbruch wieder aufzunehmen. In Begleitung von Detective Constable Lynn Fancourt fuhr Wexford in die Puck Road, um sich noch einmal mit Colin und Debbie Crowne zu unterhalten.

Als die drei Straßen und die Häuserblocks auf der Grünfläche dazwischen in den sechziger Jahren zwischen dem oberen Abschnitt der York Street und der Westseite der Glebe Road auf einem offenen Grundstück, das man heute als »grüne Wiese« bezeichnen würde, gebaut worden waren, hießen sie noch York Estate. Der damalige Vorsitzende des Wohnungsbauausschusses, der in seiner Schulabschlussprüfung den Sommernachtstraum und den Sturm bearbeitet hatte und auf sein dort gewonnenes Wissen stolz war, benannte die Straßen nach Personen aus diesen zwei Shakespeare-Stücken: Oberon, Ariel und Puck. Letztere stellte für Bewohner, Polizei und örtliche Behörde seit jeher ein Problem dar, da sie der ortsansässigen Jugend Gelegenheit bot, einen unschuldigen Namen mittels Farbsprühdose und minimaler Anstrengung in eine Obszönität zu verwandeln.

Muriel Campden hatte länger als irgendjemand sonst den Vorsitz (wie es heute geschlechtsneutral heißen muss) des Bezirksrates von Kingsmarkham innegehabt, und als sie starb, wurde York Estate nach ihr benannt. Es waren Bestrebungen im Gange, auf der Grünfläche gegenüber dem Sozialamt - einem Gebäude, das kürzlich die Bezeichnung Gemeindezentrum erhalten hatte - ein Standbild von ihr zu errichten. Die eine Hälfte der Bevölkerung war dafür, die andere vehement dagegen.

»Ich hätte gedacht, die Siedlung ist schon Denkmal genug«, meinte Wexford, während er das Dreieck aus gedrungenen Sechziger-Jahre-Häusern betrachtete, aus deren Mitte sechs Stockwerke hoch ein Wohnsilo mit Flachdach hochragte. Die Ariel, Oberon und Puck Road wirkten wie aus porösen Schlackensteinblöcken erbaut, die die Nässe vieler regenreicher Winter aufgesaugt und dadurch einen kohlschwarzen Farbton angenommen hatten. »Passt sehr gut zu Muriel Campden. Sie war ja eine dunkle, graue, düstere Person.« Er deutete auf das schon wieder verunstaltete Straßenschild am oberen Ende der Puck Road. »Sehen Sie sich das an. Man sollte doch meinen, es wird ihnen irgendwann langweilig.«

»Schlichter Spaß für schlichte Gemüter, Sir«, sagte Lynn in dem Moment, als die Tür aufging und die Bewohnerin von Nummer 47 sie zu Nummer 45 hereinließ. Die Nachbarin, eine gewisse Sue Ridley, geleitete sie zu Debbie und Colin Crowne hinüber, die einträchtig nebeneinander auf dem Sofa saßen. Beide rauchten, und beide verfolgten gerade eine Ratesendung im Fernsehen beziehungsweise starrten auf den Bildschirm.

Bei ihrem Eintreten sprang Debbie auf und kreischte: »Sie haben sie gefunden! Sie ist tot!«

»Nein, nein, Mrs. Crowne, es gibt noch nichts Neues. Es hat sich noch nichts getan. Darf ich mich setzen?«

»Machen Sie, was Sie wollen«, entgegnete Colin Crowne in seinem üblichen mürrischen Ton.

Er steckte sich eine Zigarette an und gab seiner Frau ohne zu fragen ebenfalls eine. Die Luft in dem kleinen Raum war bereits rauchgeschwängert. Der Regen schlug unaufhörlich an die Scheiben. Auf dem Bildschirm wusste ein Quizteilnehmer auf die Frage, ob Oasis eine Stadt in Saudi-Arabien, eine Popgruppe oder ein Kino im West End war, keine Antwort. Debbie Crowne bat ihre Nachbarin quengelnd, noch eine Tasse Tee zu machen, ach bitte, Sue, sei so gut.

Wexford, der mit seinem Team bereits alle relevanten Fragen gestellt hatte, war eigentlich eher gekommen, um Mrs. Crowne zu versichern, dass getan werde, was man könne, als um weitere Auskünfte von ihr einzuholen. Er erkundigte sich aber noch...

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Autor

Ruth Rendell wurde 1930 in London geboren und lebte dort bis zu ihrem Tod 2015. Sie arbeitete als Journalistin, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Romanen widmete. 1997 wurde sie mit dem Grand Master Award der Crime Writers' Association of America, dem renommiertesten Krimipreis, ausgezeichnet und darüber hinaus von Königin Elizabeth II. in den Adelsstand erhoben. Ruth Rendell ist auch unter dem Pseudonym Barbara Vine bekannt.