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Wenn der Mond am Himmel steht, denk ich an dich

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
256 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am02.11.2015
Eine gefährliche Liebe ...
Die 15-jährige Farrin hat eine Menge Geheimnisse. Denn obwohl sie auf eine Schule für Hochbegabte geht und aus einer angesehenen und wohlhabenden Familie stammt, ist es nach der islamischen Revolution besser, sich möglichst unauffällig zu verhalten. Zumal ihre Mutter eine Schah-Anhängerin war und ist. Aber dann begegnet sie Sadira und alles ändert sich mit der Freundschaft zu dem klugen, witzigen und beherzten Mädchen. Als aus ihrer Freundschaft allerdings mehr wird, wissen beide, dass sie einen gefährlichen Weg einschlagen: Homosexualität steht im Iran unter Todesstrafe. Doch ihre Beziehung wird publik und beide werden inhaftiert. Getrennt von Sadira kann Farrin nur hoffen, dass ihre Familie einen Weg findet, sie vor der Hinrichtung zu retten - sie beide.

Deborah Ellis ist Schriftstellerin und Psychotherapeutin in Toronto, wo sie die Organisation »Frauen für Frauen in Afghanistan« gründete. 1999 verbrachte sie viele Monate in afghanischen Flüchtlingslagern in Pakistan und Russland, wo ihre vielbeachtete Afghanistan-Trilogie 'Die Sonne im Gesicht'/'Allein nach Mazar-e Sharif'/'Am Meer wird es kühl sein' entstand.
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Produkt

KlappentextEine gefährliche Liebe ...
Die 15-jährige Farrin hat eine Menge Geheimnisse. Denn obwohl sie auf eine Schule für Hochbegabte geht und aus einer angesehenen und wohlhabenden Familie stammt, ist es nach der islamischen Revolution besser, sich möglichst unauffällig zu verhalten. Zumal ihre Mutter eine Schah-Anhängerin war und ist. Aber dann begegnet sie Sadira und alles ändert sich mit der Freundschaft zu dem klugen, witzigen und beherzten Mädchen. Als aus ihrer Freundschaft allerdings mehr wird, wissen beide, dass sie einen gefährlichen Weg einschlagen: Homosexualität steht im Iran unter Todesstrafe. Doch ihre Beziehung wird publik und beide werden inhaftiert. Getrennt von Sadira kann Farrin nur hoffen, dass ihre Familie einen Weg findet, sie vor der Hinrichtung zu retten - sie beide.

Deborah Ellis ist Schriftstellerin und Psychotherapeutin in Toronto, wo sie die Organisation »Frauen für Frauen in Afghanistan« gründete. 1999 verbrachte sie viele Monate in afghanischen Flüchtlingslagern in Pakistan und Russland, wo ihre vielbeachtete Afghanistan-Trilogie 'Die Sonne im Gesicht'/'Allein nach Mazar-e Sharif'/'Am Meer wird es kühl sein' entstand.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641154981
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum02.11.2015
Seiten256 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1680 Kbytes
Artikel-Nr.1704636
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


ZWEI

Auf dem Weg zum Umkleideraum plante Farrin ihre Rache.

Sie war es leid, dass die Klassenaufseherin ihre Nase in alles und jedes steckte. Ohne Pargol und ihre Spitzel könnte die Schule so viel Spaß machen. Im Fach Revolutionskunde konnte Farrin die erwünschten Antworten auswendig herunterschnurren, und die meisten anderen Fächer wurden von Lehrerinnen unterrichtet, die ihren Beruf liebten und ihre Schülerinnen mit pädagogischem Engagement zu guten Leistungen befähigten. Farrin hatte zwar keine Freundinnen an der Schule, aber die meisten Mädchen fand sie ganz in Ordnung. Hätte sie sich mit nur einer oder zwei von ihnen anfreunden können, wäre sie rundum zufrieden gewesen, obwohl ihre Mutter behauptete, dass sie zur falschen Gesellschaftsschicht gehörten.

»Wenn du Freundinnen haben möchtest, besorge ich dir welche«, war ein Standardspruch ihrer Mutter. »Hauptsache, du lässt dich nicht mit irgendwelchen Gestalten aus der Unterschicht ein. Als ich in deinem Alter war, besaß deine Schule noch einen Elitestatus, aber heute ...«

Dann folgte eine Tirade über die guten alten Zeiten. Farrins Mutter hatte diese Schule besucht, als wohlhabende Familien ihre Töchter dort hinschickten - weniger um etwas zu lernen, sondern um den letzten gesellschaftlichen Schliff zu bekommen. Seit der Revolution jedoch besuchten begabte Mädchen aus allen Gesellschaftsschichten Teherans diese Schule. Das einzige Aufnahmekriterium war ein Leistungstest und der Unterricht war kostenlos.

»Es ist einfach nicht mehr dasselbe«, jammerte Farrins Mutter und weigerte sich, am Schuljahresende den Festakt zu besuchen, bei dem die besten Schülerinnen ausgezeichnet wurden, und das sogar dann, wenn Farrin zu den Preisträgerinnen gehörte. »Was hat es schon zu bedeuten, aus einem Mob von Slumbewohnern hervorzustechen?«, lautete ein anderer Standardspruch ihrer Mutter. »Lerne, was gefordert wird, damit du nicht unangenehm auffällst, aber versuche bloß nicht, durch besondere Leistungen zu glänzen! Schließlich wollen wir keine Aufmerksamkeit erregen, dafür steht zu viel auf dem Spiel.«

Es war ein regelrechter Balanceakt. Einerseits musste Farrin gut genug sein, um den Anforderungen der Schule zu genügen, denn ein Schulwechsel hätte einen akademischen Abstieg bedeutet. Andererseits durfte sie nicht so gut sein, dass sie auffiel. Deswegen stand unter ihren Tests und Klassenarbeiten oft: Das kannst du besser.

Doch in einem Leben, das ohnehin eine einzige Lüge war, spielte das schon keine Rolle mehr.

Sie war gerade mal fünf gewesen, als der Schah von Leuten entmachtet wurde, die ihre Mutter als einen »Mob von Slumbewohnern« bezeichnete. Danach war alles anders geworden. Frauen mussten Kopfbedeckungen tragen, aus denen kein einziges Haar herauslugen durfte, wenn sie nicht mitten auf der Straße von Revolutionsgarden angehalten und schikaniert werden wollten. Es gab sogar Gardistinnen, die extra auf Patrouille durch die Stadt geschickt wurden, um nach Frauen Ausschau zu halten, die gegen die neuen Kleidungsvorschriften verstießen.

»Was für ein Blödsinn!«, sagte Farrins Mutter verächtlich, wenn sie wieder mal wegen ihrer Kleidung zur Rede gestellt worden war. »Das ganze Land geht vor die Hunde, und das Einzige, worüber die Ajatollahs sich Sorgen machen, sind Haare!« Bemerkungen wie diese musste sie im Flüsterton machen, weil überall Spitzel sein konnten, genau wie an Farrins Schule. Deswegen wuchs Farrin mit zwei Gesichtern auf - einem öffentlichen und einem privaten.

Die Geistergeschichte, die sie gerade angefangen hatte, war der Versuch, all das zu vergessen. Sie hatte nichts mit Politik, dem Schah, der Revolution oder Religion zu tun. Es sollte nur eine Abenteuergeschichte sein, in der ein junges Mädchen böse Geister bekämpfte.

Sie stürmte durch die Flure, in denen endlose Spruchbänder mit revolutionären Parolen an den Wänden hingen, und achtete nicht auf jüngere Schülerinnen in weißen Tschadors, die ihr erschrocken Platz machten. Das Heft umklammerte sie so fest, dass die Spiralbindung ein Muster in ihre Handfläche drückte.

Es hätte so eine schöne Geschichte werden können, vielleicht gut genug für eine Buchveröffentlichung, und das Buch wäre vielleicht so erfolgreich gewesen, dass man es verfilmt hätte, und dann wäre der Film vielleicht um die Welt gegangen und hätte überall bekannt gemacht, dass es im Iran starke, kluge, fantasievolle Mädchen gab. Womöglich wäre dann sogar ein Filmproduzent auf sie zugekommen, um zu fragen, ob sie nicht noch einen Film machen wolle, in England oder Amerika ...

Doch aus der Traum! Nur wegen Pargol, dieser Zecke. Dafür würde sie büßen!

Farrin betrat den Umkleideraum. An den Kleiderhaken hing ein schwarzer Tschador neben dem anderen.

Als Schuluniform diente eine schwarze Tunika, zu der die älteren Mädchen ein graues, die jüngeren ein weißes Kopftuch trugen. Außerhalb der Schule trugen die meisten Schülerinnen lange dunkelgraue Stoffmäntel, aber Mädchen aus sehr konservativen Familien, zu denen auch die Klassenaufseherinnen gehörten, trugen voluminöse schwarze Tschadors.

Farrin trug selbstverständlich einen Stoffmantel, denn für ihre Mutter war der Tschador ein Symbol der Revolution und somit ein Schah-feindliches Statement.

Unter dem Kleiderhaken, an dem ihr grauer Mantel hing, ließ sie sich auf die Bank fallen. Jede Schülerin hatte ihren eigenen Kleiderhaken, und das Stück Bank darunter gehörte ihr, genau wie eine Kiste mit Schuhen und Sportkleidung, die unter der Bank stand. Frustriert und wütend warf sie ihr Heft auf den Fußboden.

Die ganze Arbeit! Ihr großer Traum! Sie kam sich so dumm vor wie das von der Kobra zitierte kleine Mädchen, das noch an Feen und Elfen glaubte.

Sie starrte auf das Heft, das auf einem Dreckhäufchen gelandet war. Die Schülerinnen, die diese Woche für die Reinigung des Umkleideraums zuständig waren, nahmen ihre Aufgabe offenbar nicht ernst. Überall lag Müll herum.

Müll, dachte Farrin. Meine Geistergeschichte ist auch bloß Müll.

Ihr Blick fiel auf ein Stück Kreide, das aus dem Dreckhaufen ragte wie ein Pilz aus dem Waldboden. Auch das war jetzt nur noch Müll. Dabei achteten die Lehrerinnen sorgfältig darauf, dass nichts verschwendet wurde, weil es nie genug Arbeitsmaterial gab. Dass ein Stück Kreide im Dreck landete, war sehr ungewöhnlich.

Farrin schaute sich um. Die anderen Schülerinnen nahmen um diese Zeit an einer der Pflichtveranstaltungen teil, die nach dem regulären Unterricht der Persönlichkeitsbildung dienen sollten. Deswegen war sie ganz allein im Umkleideraum. Schnell bückte sie sich und hob die Kreide auf. Die dicht an dicht hängenden schwarzen Tschadors erinnerten an eine Schultafel.

Sie stand auf, suchte Pargols Tschador und griff mit zitternden Händen danach, denn sie wusste, dass sie im Begriff war, etwas streng Verbotenes zu tun. Sie breitete den Tschador aus und malte einen Fleck auf den Rücken. Krass hob sich die weiße Kreide von dem schwarzen Stoff ab.

Dann überlegte sie. Was sollte sie schreiben? Sie wollte ja nicht, dass Pargol gleich verhaftet würde. Es genügte, wenn sie von Revolutionsgardistinnen auf der Straße angehalten und zurechtgewiesen würde.

Aber ihr fiel nichts ein. Aus Angst, jemand könnte in den Umkleideraum kommen und sie erwischen, malte sie schnell einen großen Kreis, machte zwei Punkte als Augen und einen Halbkreis als grinsenden Mund. Dann steckte sie die Kreide in die Tasche und setzte sich wieder unter ihren Kleiderhaken. Sie blickte sich um und öffnete ihre Kiste unter der Bank, als eine Gruppe plappernder junger Schülerinnen hereinkam.

Sie richtete sich wieder auf und lehnte sich an die Wand. Junge Schülerinnen sahen immer so unbekümmert und glücklich aus. Hatten sie wirklich keine Probleme? Schleppte keine außer ihr die Geheimnisse ihrer Eltern mit sich herum? War sie vor ein paar Jahren selbst noch so naiv gewesen? Sie beneidete die Mädchen um ihren ungezwungenen Umgang - das Plappern und Scherzen, das Gekicher und Gerangel. Wie ein Nest junger Mäuse.

Keine Sorgen, dachte Farrin. Sie schleppen bestimmt keine Sorgen mit sich herum.

Wieder ging die Tür auf und eine Nachzüglerin kam herein. Solange die Tür offen war, mischte sich ein anderes Geräusch unter die Kakophonie der Mädchenstimmen. Farrin horchte auf. So etwas hatte sie an dieser Schule noch nie gehört, und es kam so überraschend, dass sie es nicht gleich identifizieren konnte.

Doch dann wusste sie, was es war: Musik.

Musik an sich war im Iran nicht verboten, Revolutionslieder wurden sogar gefördert. Aber jede andere Art von Musik war nicht erlaubt, seit Farrin denken konnte.

Als die Tür wieder zuging, war nichts mehr zu hören. Aber als die ersten Schülerinnen mit Umziehen fertig waren, ihre Rucksäcke nahmen und den Umkleideraum verließen, um nach Hause zu gehen, ertönte die Musik erneut. Im allgemeinen Getöse ging sie jedoch unter, sodass Farrin sich anstrengen musste, um überhaupt etwas davon mitzubekommen.

»Seid alle mal still!«, rief sie.

Erschrocken verstummten die anderen, bis ein Mädchen, klein wie eine Maus, sagte: »Ach, das war bloß Farrin. Die hat doch nichts zu sagen.« Dann sprach die Maus Farrin direkt an. »Du bist keine Aufseherin. Wir müssen nicht tun, was du willst.«

»Ihr habt doch keine Ahnung von gar nichts«, schoss Farrin zurück. »Haltet einfach mal die Klappe! Ich will wissen, was das für ein Geräusch ist.«

Einen kurzen Moment lang blieb es still und Farrin konnte...

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Autor

Deborah Ellis ist Schriftstellerin und Psychotherapeutin in Toronto, wo sie die Organisation »Frauen für Frauen in Afghanistan« gründete. 1999 verbrachte sie viele Monate in afghanischen Flüchtlingslagern in Pakistan und Russland, wo ihre vielbeachtete Afghanistan-Trilogie "Die Sonne im Gesicht"/"Allein nach Mazar-e Sharif"/"Am Meer wird es kühl sein" entstand.