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Karneval der Toten

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
448 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am02.02.2016
Ein wunderbar britischer Spannungsroman zwischen London und Cornwall.
Als Inspektor Jury an einem kühlen Märztag an den Ort eines Verbrechens in London gerufen wird, ist er fassungslos. Denn das Opfer, das durch einen heimtückischen Schuss in den Rücken getötet wurde, trägt ein geblümtes Kleidchen - und ist fünf Jahre alt. Eine erste Spur führt Jury nach Cornwall auf den stattlichen Landsitz Angel's Gate. Dort hatte sich kurz darauf in dem weitläufigen Park ein weiterer Mord ereignet. Ist die unbekannte Tote der Schlüssel zu der Ermordung des kleinen Mädchens?

Martha Grimes zählt zu den erfolgreichsten Krimiautorinnen unserer Zeit. Lange Zeit unterrichtete sie kreatives Schreiben an der Johns-Hopkins-University. Durch ihre Serien um Inspektor Richard Jury und die 12-jährige Ermittlerin Emma Graham wurde sie weltbekannt. Die »Mystery Writers of America« kürten sie 2012 für ihr Lebenswerk zum »Grand Master«, und ihre Inspektor-Jury-Reihe wurde nun auch fürs deutsche Fernsehen entdeckt und erfolgreich verfilmt. Martha Grimes lebt heute in Bethesda, Maryland.
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Produkt

KlappentextEin wunderbar britischer Spannungsroman zwischen London und Cornwall.
Als Inspektor Jury an einem kühlen Märztag an den Ort eines Verbrechens in London gerufen wird, ist er fassungslos. Denn das Opfer, das durch einen heimtückischen Schuss in den Rücken getötet wurde, trägt ein geblümtes Kleidchen - und ist fünf Jahre alt. Eine erste Spur führt Jury nach Cornwall auf den stattlichen Landsitz Angel's Gate. Dort hatte sich kurz darauf in dem weitläufigen Park ein weiterer Mord ereignet. Ist die unbekannte Tote der Schlüssel zu der Ermordung des kleinen Mädchens?

Martha Grimes zählt zu den erfolgreichsten Krimiautorinnen unserer Zeit. Lange Zeit unterrichtete sie kreatives Schreiben an der Johns-Hopkins-University. Durch ihre Serien um Inspektor Richard Jury und die 12-jährige Ermittlerin Emma Graham wurde sie weltbekannt. Die »Mystery Writers of America« kürten sie 2012 für ihr Lebenswerk zum »Grand Master«, und ihre Inspektor-Jury-Reihe wurde nun auch fürs deutsche Fernsehen entdeckt und erfolgreich verfilmt. Martha Grimes lebt heute in Bethesda, Maryland.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641191894
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum02.02.2016
Seiten448 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3834 Kbytes
Artikel-Nr.1884474
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

2

Wiggins kochte Tee, was an sich nichts Ungewöhnliches war, außer dass er dabei ziemlich geräuschvoll vorging: Die Teebüchse klapperte auf dem Regal, der Löffel klinkte gegen die Tasse, die Halbliterflasche Milch wurde auf den Schreibtisch geknallt, eine neue Packung Kekse aufgerissen. Wiggins wirkte bekümmert. Es war, als veranstaltete er diesen leichten Aufruhr, um seinen Kummer zu überspielen oder aber ihn deutlich kundzutun.

Jury war soeben zur Tür hereingekommen und deutete den leichten Aufruhr als Warnsignal. »Was ist los, Wiggins? Sie sehen ja aus, als wären Sie einem Gespenst begegnet. Oder aber Chief Superintendent Racer.«

»Ich habe eine schlimme Nachricht, Sir.« Er ließ zwei Teebeutel in die braune Kanne fallen, ohne Jury dabei anzusehen.

Die schlimme Nachricht betraf ganz klar Jury. Er musste sofort an Mrs. Wasserman denken, die mittlerweile in den Achtzigern und die einzige potentielle Kandidatin für schlimme Nachrichten war. »Was?«

Wiggins antwortete nicht gleich.

»Na los, Wiggins. Ich glaube, ich kann damit fertig werden.«

Wiggins schaltete den elektrischen Wasserkocher aus. »Ich fürchte ... hmm, es geht um Ihre Cousine, Sir. Ihre Cousine - ist gestorben.«

Einen kurzen, irrwitzigen Augenblick lang wusste Jury nicht, wovon Wiggins überhaupt redete. Er stand noch an der Tür, als setzte ihn die Todesnachricht außerstande, sich zu bewegen, bis ihm plötzlich die Cousine einfiel und die Welt sich erneut zu drehen begann. Seine Cousine oben im Norden, in Newcastle-upon-Tyne.

»Mein Beileid, Sir. Ich mache Ihnen hier gerade eine schöne Tasse Tee.«

Als ob Wiggins das nicht sowieso täte, Todesfall hin oder her. Jury musste fast schmunzeln über diese Wiggins´sche Antwort auf alle Eventualitäten des Lebens. Noch im Mantel setzte er sich hin, machte den Mund auf, sagte jedoch nichts.

»Ihr Mann hat angerufen, wie heißt er -«

»Brendan.«

Wiggins goss Milch in die großen Henkeltassen. »Genau. Am Samstag sei die Beerdigung, sagte er.« Um sich eine nützliche Aufgabe zu verschaffen, überprüfte er seinen Schreibtischkalender. »Das wäre der sechste März.« Er reichte Jury seinen Tee.

»Danke.«

Vermutlich um eine Einschätzung des Ausmaßes von Jurys Trauer bemüht, erkundigte sich Wiggins: »Sie hatten nicht viel Kontakt, oder? Ich meine, so weit dort droben in Newcastle, das ging ja gar nicht. Ich hatte immer den Eindruck, sie war Ihnen irgendwie fremd.«

Jury hatte beide Hände wärmesuchend um den Henkelbecher gelegt. »Stimmt.« Er überlegte. »Ihr Vater, also mein Onkel, nahm mich damals zu sich, als meine Mutter starb. Er war ein großartiger Mensch. Sie ist seine Tochter. Sie war nie so wie er, sie konnte mich nie richtig leiden -« Aber stimmte das denn? Brendan hatte genau den gegenteiligen Eindruck gewonnen: dass sie Jury nämlich sehr mochte und stolz war, dass er bei New Scotland Yard so ein hohes Tier war. Er rieb sich die Stirn. Würde er seine Meinung von ihr womöglich revidieren müssen?

»Aus Eifersucht, würde mich nicht wundern«, sagte Wiggins und blies auf seine Henkeltasse. »Weil ihr Dad Sie aufgenommen hat und das alles. Er muss Sie wirklich sehr gemocht haben.«

»Stimmt.« Seine Cousine aber bestimmt nicht. Ihre Gespräche mit Jury waren oft mit scharfen Bemerkungen gespickt und (so vermutete er) voller Lügen. Er sagte: »Als ich sie das letzte Mal besuchte, schauten wir uns Fotos an, alte Schnappschüsse und so, und dabei brachte sie mich völlig durcheinander. Dinge, von denen ich glaubte, sie wären passiert, hatten sich überhaupt nicht zugetragen, behauptete sie. Am Ende wusste ich überhaupt nicht mehr, woran ich bin.«

»Hört sich so an, als wollte sie Sie auf die Palme bringen.«

»Vielleicht. Der Gedanke kam mir auch, oder Brendan hatte etwas in der Richtung gesagt. Meine Güte, man sollte wenigstens meinen, dass auf die eigenen Erinnerungen Verlass ist.« Er nahm einen großen Schluck Tee und stellte den Henkelbecher auf Wiggins´ Schreibtisch ab. »Ich gehe ein bisschen nach draußen. Ich brauche frische Luft.«

 


Er überquerte den Broadway in Richtung St. James´ Park. Dort ließ er sich auf einer Bank nieder. Ihr Tod traf ihn wirklich. Hoffentlich hatte sie nicht zu sehr leiden müssen. Er hatte schon zu viele Menschen qualvoll sterben gesehen - von Schusswunden, Messerstichen verletzt. Manchmal sahen sie einen noch kurz davor mit angsterfülltem Blick an. Jury hatte gar nicht gewusst, dass sie krank gewesen war.

Er mochte sich einreden, dass er seine Cousine ohnehin selten gesehen hatte und ihr nicht sehr nahe stand und sie sich eigentlich nie so recht gemocht hatten. Das funktionierte vielleicht im Leben, im Tod funktionierte es nicht. Dr änderte wahrscheinlich sowieso alles. Irgendwie schaffte es der Tod, einem die Stützen wegzustoßen, die sorgsam aufgebauten Abwehrvorrichtungen zu zerschlagen. Zu welchen einfachen Schlussfolgerungen er im Hinblick auf Sarah auch gekommen war, sie waren ihm mittlerweile ebenso suspekt wie die Ereignisse während seiner Kindheit. Denn vielleicht hatte sie ihn gar nicht angelogen. Vielleicht war er tatsächlich noch ein Baby gewesen, als seine Mutter gestorben war, und nicht der Fünfjährige, der versucht hatte, sie aus den Trümmern ihres ausgebombten Wohnhauses zu zerren.

Wie hatte er sich bloß so irren können? Was war mit den Kindern, die er in Schuluniformen hatte zur Schule trotten sehen? Damals wäre er am liebsten mit ihnen gegangen, nicht wahr? Und was war mit Elicia Deauville? Sie musste doch im Zimmer nebenan getanzt haben. Vielleicht war es ja ein anderes Zimmer, ein anderes Nachbarhaus, zu einer anderen Zeit.

Nein. Sicher hatte Sarah sich das ausgedacht. War doch typisch für sie, oder -?

Er erhob sich von der Bank und ging auf dem Gehweg weiter, die Hände wie ein alter Mann auf dem Rücken verschränkt. Und so fühlte er sich auch. Seine Cousine war zwar älter gewesen als er, aber nicht um so viel älter, dass er sie hätte einer »anderen Generation« zuordnen können.

Hör auf, immer nur an dich zu denken, befahl er sich. Es gab schließlich noch Brendan und die Kinder, alle erwachsen außer dem Baby, dem Baby der Tochter, die unverheiratet bei ihren Eltern wohnte, wo Mutter sich um das Enkelkind gekümmert hatte, während ihr kokettes Töchterchen sich herumtrieb. Na, das musste sich ja jetzt wohl am Riemen reißen, was? Hätte es schon von vornherein tun sollen -

O Gott, diese Krittelei! Wieso hackte er eigentlich dauernd darauf herum? Doch wohl nur, um sich abzulenken und vor der Erkenntnis zu drücken, was all das zu bedeuten hatte?

Das war es: Eine Leere hatte sich aufgetan, die er nicht hatte kommen sehen, und nun wusste er nicht, wie er sie füllen sollte. Und das alles wegen des Todes einer Cousine, die er gar nicht richtig gekannt hatte. Eine fordernde, verbitterte, verlogene Frau, die ihren Mitmenschen keine Freude war, und doch ... Sie war das Ende, abgesehen von ihm selbst. Sie war die Letzte gewesen, die Einzige, die seine Erinnerungen geteilt hatte, die Letzte, die teilgehabt hatte an diesem Bild von seiner Kindheit. Sie war die Letzte, bei der er nachfragen konnte, und ob sie nun log (sie würde es bloß Hänselei nennen) oder nicht, war eigentlich unerheblich.

Jury blieb stehen. Seltsam. Vielleicht war es unerheblich, weil sie die Wahrheit sehr wohl kannte. Nun kannte sie außer ihm selbst keiner mehr. Irgendwie überkam ihn plötzlich das Gefühl, die Wahrheit wäre verschwunden und hätte die Vergangenheit mitgenommen.

Er war inzwischen weitergelaufen und bis Green Park gelangt, wo er sich wieder auf eine Bank setzte. Drüben am anderen Ende lag ein Teil des Daily Express. Er zog ihn herüber und warf einen Blick auf das Datum. Zweiter März. Er schob die Zeitung beiseite, die heimischen Tagesnachrichten interessierten ihn nicht, auch nicht die königliche Familie oder David Beckham und auch nicht die Jahrhundertwende.

Er sollte zurück ins Büro gehen und Brendan anrufen. Der Arme wusste bestimmt gar nicht, wo ihm der Kopf stand. Was sollte er bloß mit dem Baby machen? Urgroßeltern gab es nicht in der Familie, jedenfalls nicht auf ihrer Seite. Vielleicht auf Brendans, vielleicht droben in County Cork.

Jury war klar, dass er ihn anrufen musste. Doch er blieb sitzen, vornüber gebeugt, die Ellbogen auf die Knie gestützt, und brütete vor sich hin: Er dachte an seinen letzten Besuch vor drei Monaten, seinen Ärger über ihre Sticheleien und Widersprüche und ihre Schadenfreude, weil sie mehr in Erinnerung behalten hatte. Schließlich war Jury damals noch so klein gewesen (hatte sie behauptet), bestimmt könne er sich an überhaupt nichts erinnern. Im Gegensatz zu ihr.

Als er auf den Park hinausblickte, kam ihm eine Gedichtzeile in den Sinn: Ihr Grün ist eine Art von Traurigkeit. Er sah hinaus in den trüben Märztag. Plötzlich kam ihm die Idee, einen Blumenladen zu suchen und der Familie Blumen zu schicken, doch er wusste nicht, wohin er sie schicken sollte, zu welchem Bestattungsinstitut. In die Wohnung lieber nicht, Brendan war kein besonders guter Hausmann, abgesehen davon, dass er jetzt ganz andere Sorgen hatte. Die Blumen würden wohl ohne Wasser vor sich hinwelken, bis er sie wegwarf. Vielleicht würden sie ihn sogar nerven.

Trotzdem verspürte Jury das Bedürfnis, etwas zu tun. Er wollte etwas wieder gutmachen, wusste aber nicht, was. Vielleicht, dass er das Kind gewesen war,...

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Martha Grimes zählt zu den erfolgreichsten Krimiautorinnen unserer Zeit. Lange Zeit unterrichtete sie kreatives Schreiben an der Johns-Hopkins-University. Durch ihre Serien um Inspektor Richard Jury und die 12-jährige Ermittlerin Emma Graham wurde sie weltbekannt. Die »Mystery Writers of America« kürten sie 2012 für ihr Lebenswerk zum »Grand Master«, und ihre Inspektor-Jury-Reihe wurde nun auch fürs deutsche Fernsehen entdeckt und erfolgreich verfilmt. Martha Grimes lebt heute in Bethesda, Maryland.