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Engelshaar

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Piper Verlag GmbHerschienen am09.11.2015Auflage
Ein Aussiedlermädchen aus Kirgisien, ertränkt und mit viel Liebe rituell aufgebahrt, bringt die Frankfurter Polizeipsychologin Hannah an ihre Grenzen: Was weiß Jelenas Freundin, die nach dem Mord spurlos verschwunden ist? Was der verschwiegene Kolja? Es gibt zu wenige Anhaltspunkte für ein schlüssiges Täterprofil, und Hannah läuft allmählich die Zeit davon ... Der neue fesselnde Roman aus der Feder der deutschen Krimientdeckung Krystyna Kuhn.

Krystyna Kuhn, 1960 als siebtes von acht Kindern in Würzburg geboren, studierte Slawistik, Germanistik und Kunstgeschichte, zeitweise in Moskau und Krakau. Sie arbeitete als Redakteurin und Herausgeberin und schrieb Gedichte und Kurzgeschichten. Krystyna Kuhn lebt mit ihrer Familie im Spessart. Nach »Fische können schweigen« und »Die vierte Tochter« ist »Engelshaar« ihr dritter Kriminalroman.
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Produkt

KlappentextEin Aussiedlermädchen aus Kirgisien, ertränkt und mit viel Liebe rituell aufgebahrt, bringt die Frankfurter Polizeipsychologin Hannah an ihre Grenzen: Was weiß Jelenas Freundin, die nach dem Mord spurlos verschwunden ist? Was der verschwiegene Kolja? Es gibt zu wenige Anhaltspunkte für ein schlüssiges Täterprofil, und Hannah läuft allmählich die Zeit davon ... Der neue fesselnde Roman aus der Feder der deutschen Krimientdeckung Krystyna Kuhn.

Krystyna Kuhn, 1960 als siebtes von acht Kindern in Würzburg geboren, studierte Slawistik, Germanistik und Kunstgeschichte, zeitweise in Moskau und Krakau. Sie arbeitete als Redakteurin und Herausgeberin und schrieb Gedichte und Kurzgeschichten. Krystyna Kuhn lebt mit ihrer Familie im Spessart. Nach »Fische können schweigen« und »Die vierte Tochter« ist »Engelshaar« ihr dritter Kriminalroman.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783492982443
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum09.11.2015
AuflageAuflage
SpracheDeutsch
Dateigrösse1800 Kbytes
Artikel-Nr.1920116
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Das erste Kapitel

Wiels de Tiet es boolt hia - denn die Zeit ist nahe.

Offenbarung 1,3
Freitag abend, 20:30 Uhr.

»Also, die Wissenschaft geht davon aus, daß das Universum sich vervielfacht. Hörst du mir zu? Und zwar vollständig.« Ben, mein fünfzehnjähriger Sohn, stand in der Tür und erklärte mir einen Zeitungsartikel, der mich nicht interessierte. Er hatte seine beste Jeans an. Der Schritt der Hose hing in den Kniekehlen, der Bund kam erst knapp unterhalb der Hüfte zum Stillstand. Jeden Moment würde sie zu Boden rutschen. Die blonden Haare hatte er mit viel Gel zum Stehen gebracht.

»Das Universum pulsiert. Es zieht sich zusammen, dehnt sich aus. Es entstehen neue Universen. Paralleluniversen.«

Der Rap aus Bens Zimmer dröhnte unbeirrt.

»Im Moment pulsiert nur unser Reihenhaus. Kannst du nicht die Musik in deinem Zimmer leiser machen?«

»Hast du verstanden?«

»Aber ja. Unser Reihenhaus zieht sich zusammen, dehnt sich aus. Es entstehen neue Reihenhäuser, ach nein Universen...«

»In denen es Kopien von dir gibt.«

»Kopien? Von mir?«

Das Bügeleisen zischte vor Aufregung und stieß verwundert Dampf aus.

»Wenn es ein Paralleluniversum gibt, das mit unserem identisch ist, dann gibt es dich dort ebenfalls.«

»Ich soll mir vorstellen, daß ich ein Parallel-Ich habe?«

Ben nickte.

»Und?«

»Was, und?«

»Was bedeutet das für mich?«

»Das ist doch der reinste Wahnsinn. Eine phantastische Vorstellung. Andere unbekannte Universen, parallel zu unserem. Ein geheimnisvoller Zwilling, Drilling. Eine Sensation, wenn sich herausstellt, daß das wahr ist - es handelt sich dabei nicht um eine verrückte Idee, sondern um einen ernstzunehmenden Forschungsansatz.«

Bevor Ben mir das Geheimnis der Paralleluniversen erklären konnte, kam Philipp zur Tür herein, und endlich verließen meine beiden Männer das Haus, um ins Cineplex in der Mainzer Landstraße zu fahren, wo - wie in allen Kultursendungen betont wurde - die erste Verfilmung von Stansilaw Lems Astronauten lief. Für den Film war intensiv geworben worden. Sogar ich hatte die apokalyptischen ersten Sätze des Vorspanns im Kopf: In den frühen Morgenstunden des 30. Juni 1908 konnten Zehntausende von Bewohnern Mittelsibiriens eine außergewöhnliche Naturerscheinung beobachten. Am Himmel stieg eine blendend weiße Kugel auf und brachte unter ihrer Bahn den Erdboden zum Beben. Überall, wo der Meteor sichtbar wurde, versetzte ein gewaltiges Dröhnen Mensch und Tier in panischen Schrecken.

Schnitt.

Die Stimme wurde ausgeblendet. Und das nächste Bild versetzte den Zuschauer in Panik. Eine riesige Feuersäule raste auf ihn zu, um ihn aus dem Kinosessel zu reißen und in der Atmosphäre verglühen zu lassen...oder so ähnlich.

Ich teilte Bens und Philipps Leidenschaft für Spektakel dieser Art nicht. Aus meiner Erfahrung als Psychologin wußte ich, Apokalypsen fanden in den Seelen meiner Patienten statt und nicht im Weltall. Weltuntergang - das war für die meisten Menschen der alltägliche Wahnsinn. Sie fürchteten sich mehr vor dem Montagmorgen als vor gigantischen Staubmassen, die die Erde der Zukunft umhüllen, um die Menschheit auszulöschen.

Jeden Freitag hatte Judith, Professorin für Religionsgeschichte und Witwe eines Cellisten aus dem Frankfurter Orchester, ihren Hausmusikabend.

»Das ist meine Art, den Sabbat zu feiern«, erklärte sie.

Aus dem Nachbargarten war die Klarinette zu hören. Ich lag in der Totenstellung auf dem Fußboden und versuchte die Töne zu ignorieren, damit mein Gewicht von 60 Kilo sich endlich anfühlte wie 30 und mein Körper eins wurde mit dem Fußboden. Aber die Vorstellung, daß Kopien von mir im Universum existierten, ließ mich nicht los. Wäre das wahr, würde es die ganze westliche Zivilisation auf den Kopf stellen. Ich müßte beginnen an Wiedergeburt zu glauben, die Toten fänden keine Ruhe.

Eva Cranach, eine Studienkollegin, hatte mir vor drei Monaten dringend Entspannungsübungen empfohlen. Es sei die einzige Möglichkeit, die Hochspannung in meinem Kopf auf eine niedrigere Voltzahl herunterzufahren. Ansonsten prophezeie sie mir ewige Verdammnis. Als ich sie fragte, wie diese aussehen würde, sagte sie nur: »Stell dir einen Hamster in seinem Laufrad vor.«

Also entschied ich mich für Yoga. Die Abbildungen in den einschlägigen Broschüren erinnerten mich an die mongolischen Artisten und ihr Programm Begnadete Körper im Tigerpalast. Für eine berufstätige Mutter war es allerdings schwer, die vollkommene Erleuchtung zu erreichen. Trotz komplizierter Stellungen, Entspannungsübungen, Atemtechniken, gesunder Ernährung und Meditation.

Vorschriftsmäßig streckte ich die einzelnen Glieder. Eine unsichtbare Kraft zog meinen Kopf aus den Schultern, die Schultern vom Hals, die Beine aus den Hüften. Fast konnte ich mir vorstellen, wie es sich anfühlte, wenn die Muskeln entspannt waren, die Atmung gegen Null ging, der Geist klar wurde und gelöst.

Da klingelte es an der Haustür. Nero, der dreijährige sibirische Husky, erhob sich sofort und hechelte vor meiner Nase. Er mußte sich mit aller Gewalt zurückhalten, um nicht den Schweiß von meinem Gesicht zu schlürfen. Hunde sind beneidenswerte Geschöpfe. Die Gewinner der Evolution. Die Lieblinge der Götter, die einfach nur sie selbst sein können, während der Mensch der Zukunft sich nicht nur mit dem eigenen, sondern noch unendlich vielen Parallel-Ichs herumschlagen muß. Ich widerstand im Gegensatz zu Nero der Versuchung aufzuspringen, um dem Besucher zu öffnen, sondern murmelte die Formel wie einen Rosenkranz: Ich entspanne die Zehen; die Zehen sind entspannt. Ich entspanne die Waden; die Waden sind entspannt.

Eva hatte mir eindringlich erklärt, ich müsse mein Verhalten ändern. Ich dürfte nicht länger den Jasager spielen (der ich in meinen Augen nicht war), ich müßte lernen, Leuten am Telefon das Wort abzuschneiden (was ich als unhöflich empfand) und nur, weil jemand, den man nicht eingeladen hatte, an der Tür klingelte, mußte man noch lange nicht öffnen.

Ich zwang meine Augen, sich zu schließen und nach innen zu schauen. Ich verschränkte, wie ich es gelesen hatte, die Finger über dem Bauch, achtete darauf, daß er sich beim Einatmen vorschriftsmäßig hob, bis die Finger auseinandergedrückt wurden. Fühlte, wie sie sich beim Ausatmen wieder ineinanderfügten. Ich rollte den Kopf langsam von einer Seite zur anderen, um aus der Mitte heraus zur Ruhe zu kommen.

Nero dagegen hyperventilierte bereits. Seine Ohren standen in die Höhe. Seine Schritte kratzten über das Parkett. Die Klarinette nebenan schraubte die Töne nach oben.

Daher hörte ich nicht, wie die Terrassentür leise geöffnet wurde. Ich bemerkte die langsamen Schritte nicht. Ich sah nicht, daß sich ein Schatten über mich legte. Erst als jemand sagte: »Seit wann sprichst du mit dir selbst, Hannah?«, öffnete ich die Augen. Die Entspannung fiel in sich zusammen. Wenn ich jetzt starb, was passierte dann mit meinem Parallel-Ich? Starb es zusammen mit mir? Existierte es weiter? Eine billige Kopie in einem anderen Universum? Oder stieg meine Seele im Tod tatsächlich in den Himmel auf, um dort in einem anderen Universum in einen Körper zu wechseln, der meinem gleich war? Als Psychologin hatte ich schon die verrücktesten Versuche erlebt, sich die Welt zu erklären. Von jedem Wahnsinn, den ich mir anhörte, blieb ein Stück in mir zurück.

Mein Blick stieg von unten nach oben. Eine Waffe unter der Lederjacke. Entschlossen richtete ich mich auf.

»Bist du verrückt geworden?« zischte ich. »Das nennt man Hausfriedensbruch!«

»Wie lange hätte ich denn noch klingeln sollen?« Kriminalhauptkommissar Ron Fischer stand über mich gebeugt.

»Bist du nicht auf die Idee gekommen, daß ich nicht zu Hause sein könnte?«

»Was willst du, ich bin bei der Kripo. Das Auto vor der Tür. Nero bellt. Die Terrassentür ist angelehnt. Alles am Tatort spricht dafür, daß du zu Hause bist.«

»Vielleicht möchte ich niemanden sehen.«

»Seit wann möchtest du mich nicht mehr sehen?«

»Schon immer, wenn du es genau wissen willst.«

»Habe ich etwas in deiner Entwicklung verpaßt?« Ron ließ eine Zeitschrift auf den Wohnzimmertisch fallen, setzte sich in den Sessel und zog die Zigaretten hervor. »Bist du jetzt endgültig durchgeknallt?«

Theoretisch war Ron einer meiner besten Freunde, nur in der Praxis haperte es. »Rauchverbot«, sagte ich und erhob mich aus meiner unwürdigen Position.

»Echt?« antwortete Ron und zündete sich die Zigarette an.

»Was willst du um diese Uhrzeit?«

Er schaute mir nicht in die Augen, so daß ich sofort wußte, er wollte etwas von mir, wußte nur nicht, wie er es mir beibringen sollte. »Hast du schon den Artikel gesehen?«

»Welcher Artikel?«

»In GEO. Franka hat es geschafft!«

Franka - die Lebensgefährtin von Dr. Henning Veit, dem Rechtsmediziner. Was heißt Lebensgefährtin. Ich glaube, sie hatten nicht länger als einen Monat zusammengelebt. Dann brach Franka, die Anthropologin, in die südrussische Steppe auf, um in einem Team von Archäologen Grabstätten zu öffnen, in denen man die Skelette der sagenumwobenen Amazonen vermutete. Wir waren uns nur kurz begegnet, hatten aber in dieser kurzen Begegnung viele Gemeinsamkeiten entdeckt.

»Wie meinst du das, sie hat es geschafft?«

»Die Skelette dieser Kriegerinnen weisen tatsächlich gemeinsame DNA auf.« Ron...
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Autor

Krystyna Kuhn, 1960 als siebtes von acht Kindern in Würzburg geboren, studierte Slawistik, Germanistik und Kunstgeschichte, zeitweise in Moskau und Krakau. Sie arbeitete als Redakteurin und Herausgeberin und schrieb Gedichte und Kurzgeschichten. Krystyna Kuhn lebt mit ihrer Familie im Spessart. Nach "Fische können schweigen" und "Die vierte Tochter" ist "Engelshaar" ihr dritter Kriminalroman.