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Unterhaltungen mit Lord Byron über das Widernatürliche, 164 Jahre nach dem Tod Seiner Lordschaft

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
170 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am26.05.20171. Auflage
Die englische Schriftstellerin Amanda Prantera hat sich eine sehr amüsante und gescheite Geschichte ausgedacht: Ein Computer, mit sämtlichen verfügbaren Daten über den berühmten romantischen Dichter Lord Byron gefüttert, schlüpft allmählich in die Rolle Byrons hinein, verliebt sich in die junge, hübsche Literaturstudentin Anna - 164 Jahre nach dem Tod Seiner Lordschaft - und gesteht sein bestgehütetes Geheimnis: die romantischste und dramatischste Liebesgeschichte seines Lebens. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Amanda Prantera, Schriftstellerin, ist in England geboren und aufgewachsen. Sie studierte Philosophie in London. Heute lebt sie in Rom.
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Produkt

KlappentextDie englische Schriftstellerin Amanda Prantera hat sich eine sehr amüsante und gescheite Geschichte ausgedacht: Ein Computer, mit sämtlichen verfügbaren Daten über den berühmten romantischen Dichter Lord Byron gefüttert, schlüpft allmählich in die Rolle Byrons hinein, verliebt sich in die junge, hübsche Literaturstudentin Anna - 164 Jahre nach dem Tod Seiner Lordschaft - und gesteht sein bestgehütetes Geheimnis: die romantischste und dramatischste Liebesgeschichte seines Lebens. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Amanda Prantera, Schriftstellerin, ist in England geboren und aufgewachsen. Sie studierte Philosophie in London. Heute lebt sie in Rom.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783105617908
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum26.05.2017
Auflage1. Auflage
Seiten170 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.2382048
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1 »Die Hardware«

Der Raum war schon etwas eigenartig als Hauptquartier für ein bahnbrechendes Experiment in Künstlicher Intelligenz. Keine Techniker in weißen Kitteln, keine Schaltborde mit blinkenden Lampen oder Summern, keine glänzenden Metallflächen - wenn man vom Deckel eines silbernen Zigarettenetuis absah - und sogar kaum etwas Schreibtischähnliches. Sicher, es lagen genügend Bücher herum, Akten, Papiere und so weiter - die bewiesen oder zumindest den Eindruck erweckten, als ginge hier eine Art intellektueller Arbeit vor sich; da aber das meiste kunterbunt durcheinander zu wackligen Türmen aufgeschichtet war, oft sogar mit einem überquellenden Aschenbecher obendrauf oder einer Tüte Karamelbonbons, einem abgenagten Apfel oder einer Strickjacke, kam die Atmosphäre, die man eigentlich hätte erwarten können, gar nicht erst auf. Die Einrichtung, abgesehen vom Computer, bestand hauptsächlich aus einigen schweren Sesseln, einem Kamin voller staubiger Tannenzapfen, einem niedrigen Beistelltischchen, das mit Kleinkram, Blumenvasen und weiteren Büchern vollgestellt war, einer haarigen Fußmatte, die aussah, als sei sie in erster Linie zur Tarnung für Spaniels gedacht, und einem schäbigen beigen Samtsofa, das beinahe so breit und zerwühlt war wie ein Bett. Also genau jene Art von gemütlichem Raum mit dem Flair des frühen neunzehnten Jahrhunderts, in den das Objekt des Experiments selbst viel besser hineingepaßt hätte als ein Computer; obwohl sich dieser spezielle Computer, beige und schäbig wie das Sofa und nicht größer oder geräuschvoller als eine Nähmaschine, tatsächlich recht gut ins Gesamtbild fügte.

Normalerweise arbeiteten drei Leute in dem Raum. Zwei waren die Assistenten des Professors, der das Experiment leitete (und der Kopf der ganzen Unternehmung war, wenn auch, wie er selbst zugab, inzwischen ziemlich weit zurückgefallen); die dritte Person war eine Doktorandin, die Studien in romantischer Literatur betrieb - sie war jünger als die beiden anderen, die sie oft leicht spöttisch, so als ob sie Leute ihrer Sorte bereits zur Genüge kannten, als die »Byron-Expertin« bezeichneten. Der Professor selbst ließ sich selten blicken. Er hatte schon lange ein eigenes Hauptquartier unten in der Speisekammer bezogen - von wo er nur selten heraufkam, entweder um vom Korridor aus lange, beschwerdereiche Überseegespräche zu führen, oder um sich bei jedem, der gerade vorbeiging, gereizt darüber zu beklagen, wie schwierig es sei, die nötigen Forschungsgelder für sein Projekt zusammenzukratzen. Nachdem er jedoch kürzlich eine namhafte Spende vom ehrenamtlichen Sekretär einer Organisation namens ULBL erhalten hatte - der Universal-Liga der Byron-Liebhaber (von denen es übrigens so viele zu geben schien wie zur Zeit, als Seine Lordschaft ihre Zuneigung noch persönlich zu erwidern imstande war, wenn nicht mehr) -, waren die Geldmittel nicht mehr seine Hauptsorge gewesen, und er kam nun öfter die Treppe herauf und steckte den Kopf zur Tür herein, um sein, wie er es nannte, »Brainchild Harold« in der Endphase zu überwachen.

Und es war eine bedeutsame Phase. An den schwelenden Aschenbechern, den Bonbonpapierchen, die überall herumlagen, und daran, daß der Professor immer öfter und immer hastiger aus seiner Speisekammer hervorkam, aber auch an den Mienen der drei um das Terminal herumschwirrenden Hilfskräfte und dem aufgeregten Ton, der plötzlich in dem Raum herrschte, ließ sich zumindest erkennen, daß etwas Spannendes oder jedenfalls Diskussionswürdiges vor sich ging.

Man konnte ihre Stimmen durcheinanderreden hören, wobei sie sich gegenseitig mehr durch den Tonfall als durch die Lautstärke das Wort abschnitten. »Das mit dem Dicksein«, sagte die Byron-Expertin in ihrer höchsten Tonlage. »Stellt euch vor, der Computer fragte, ob er dick war! Oder die Sache mit seiner Schwester. Das war doch unglaublich! Und als er Umph! machte. Und als er fragte, was mit Tita, dem Gondoliere, passiert ist? Oder das mit der griechischen Regierung? Und als er wissen wollte, wo der Elgin-Marmor geblieben ist, und der Neufundländer, und wie das Testament vollstreckt wurde, und ...?«

»Ich glaube, da liegst du falsch«, unterbrach sie die Assistentin. »Ich für mein Teil finde es viel interessanter, wie er sich selbst korrigiert und versucht, die Daten zu verändern. Wie er Trelawnys Kommentar zu fassen kriegte über die beiden Beine von Byrons Leiche, daß sie verschrumpelt gewesen wären wie bei einem Satyr, und sagte, das sei eine verdammte Lüge. Oder gestern, als er das Wort in einem der Briefe verbessert hat. Das ist ein echter Fortschritt - der Durchbruch.«

»Nicht unbedingt«, widersprach der andere - ein dünner, fischiger Mann Anfang dreißig. »Ich glaube, du liegst auch falsch. Die Trelawny-Episode hatte schon ein bißchen was Groteskes, okay, aber die Antwort gehört doch zum Repertoire; er hat sie doch schon oft gebraucht, wenn er beleidigt war. Und was das Wort angeht, so hat er schließlich beide Bedeutungen in der Wortliste. Also kein Grund, den Widerspruch nicht zu merken und zu versuchen, ihn auszubügeln. Ich meine, wie er sagte, daß Schulden zu machen epidemisch sei in seiner Familie, hat Byron selbst wahrscheinlich in Wahrheit endemisch gemeint. Ein Schreibfehler. Oder er hat einfach die Begriffe durcheinandergebracht. Ein gutes Programm soll ja solche Sachen verbessern. Nur keine falsche Aufregung.«

»Na, sieh mal an! Und was ist, wenn es anfängt, ein paar Gedichte umzuschreiben? Was ist dann?«

Der fischige Mann lachte.

»Und was ist, wenn ihm ein neues Gedicht einfällt?« warf die Byron-Expertin rasch ein; dabei war bei dem Wort »neu« ein leichtes Beben in ihrer Stimme.

Der Mann machte einen kleinen Satz, daß seine Gummisohlen quietschten. »Gute Frage«, sagte er. Die Qualität der Frage überraschte ihn offensichtlich. »Also, ich glaube schon, daß es das kann. Es gibt ein Bach-Programm, wie ihr vielleicht wißt, das sogar Fugen ausführen kann. Theoretisch gibt es keinen Grund, warum unseres nicht dasselbe auf seinem Gebiet leisten sollte. Es hat genügend schematische Daten, und es hat den Wortschatz. Die Frage ist aber nicht, ob es kann, sondern ob es will? Ob es dazu Lust hat, meine ich«, - dabei verneigte er sich leicht spöttisch vor seiner Kollegin - »jetzt, wo all die Stimmungsparameter eingegeben sind. Oder verrennt es sich jetzt in seinen eigenen Tick?«

Einen Augenblick lang herrschte Schweigen, während die beiden Assistenten sich über einen tiefen theoretischen Graben hinweg anstarrten. Der Mann senkte als erster den Blick.

»Auf jeden Fall brauchst du dir über diese Dinge nicht den Kopf zu zerbrechen, Anna«, wandte er sich an die Doktorandin; seine Stimme war immer noch ironiegeladen, aber schon ruhiger, da sie sich nun gegen niemanden mehr behaupten mußte, »wenn es dazu kommt, so eröffnet sich höchstwahrscheinlich ein völlig neues Kapitel in der Geschichte des Computers, und ich muß einen Besen fressen und einiges mehr - aber das ist unsere Sache; du mußt jedenfalls jetzt an dieser Schlußfolgerung arbeiten, auf die er im Zusammenhang mit der geheimnisvollen Thyrza in den Gedichten gekommen ist. Spaß beiseite, das ist so ziemlich das Interessanteste, was wir bisher angetippt haben. Ein Programm - selbst ein so umfangreiches Programm wie dieses - kann uns offensichtlich nichts Neues sagen über Seine Lordschaft, aber es kann uns was anderes sagen. Etwas, das vielleicht sogar die gewissenhaftesten unter seinen Biographen übersehen haben. Das ist doch der Punkt.« Und indem er eine respektheischende Haltung annahm, deklamierte er laut mit erhobenem Zeigefinger: »Also - war die berühmte Thyrza am Ende etwa ein Mann, wo doch alle die letzten zweihundert Jahre meinten, sie sei eine Frau gewesen?«

Die Doktorandin hüstelte. »Andersrum«, verbesserte sie ihn, »Thyrza wird im allgemeinen für einen Mann gehalten - genaugenommen für einen Chorknaben.«

»Also dann«, fuhr er fort und schwenkte immer noch den nun leicht abgewinkelten Zeigefinger, »sagen wir so: war Britanniens größter Schürzenjäger nur ein x-beliebiger unserer Insel-Homos? Hier ist doch dein Jagdgebiet. Auf die Frage solltest du dich doch konzentrieren.«

»Also, ein bißchen komplexer ist es wohl schon«, widersprach das Mädchen; »ich glaube nicht, daß wir viel rausbekommen, wenn wir es so angehen. Wir wissen doch, wie empfindlich das Programm auf solche Sachen reagiert. Trotzdem ...«, und dabei blätterte sie flüchtig den Stapel Papiere neben sich durch, »hat es ja das mit dem Affen recht gut gepackt, oder? Ich fand das toll. Es war vielleicht nicht gerade was Neues - ich muß nachsehen, ob das schon mal jemand angesprochen hat -, aber ich fand es doch recht beeindruckend.«

»Wie war das mit dem Affen?« fragte die Assistentin und drehte sich neugierig um. »Das ist mir anscheinend entgangen.«

Das Mädchen lächelte; offensichtlich gefiel es ihr, zur Abwechslung auch mal etwas erklären zu können. »Oh, das ist eine berühmte alte Streitfrage. In einem von Byrons Briefen an seine Vertraute Lady Melbourne gibt es eine Stelle, wo er die Geburt des jüngsten Kindes seiner Schwester erwähnt, und da steht, Es ist kein Affe, und wenn, so ist es meine Schuld! Kommentatoren haben oft gemeint, daß sich darin seine Angst zeigte, das Kind könnte mißgestaltet sein.«

»Aha«, sagte die Assistentin. »Du meinst, weil es sein Kind war, der Lotterbube? Blutschande. Inzucht. Und die Sünden der...
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