Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
272 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am12.03.2018
Das grandiose Finale der Trilogie
'Unfun' erzählt von den letzten Tagen einer Gruppe von Menschen, die man früher einmal Familie genannt hat. Faldbakken zeichnet das Bild einer Gesellschaft, in der Realität und Illusion, Sex und Liebe, Individualität und Massenkonsum nicht mehr zu unterscheiden sind.

Matias Faldbakken, 1973 geboren, lebt als bildender Künstler in Oslo. 2003 erschien sein aufsehenerregender Debütroman »The Cocka Hola Company«, der Auftakt der Skandinavische-Misanthropen-Trilogie, die mit »Macht und Rebel« und »Unfun« komplettiert wurde. Bühnenfassungen aller drei Romane wurden an diversen deutschen Theatern aufgeführt. Faldbakken gilt zudem als einer der bedeutendsten Gegenwartskünstler Skandinaviens. Seine Werke werden weltweit in den führenden Galerien ausgestellt. Nach längerer Schreibpause erschienen 2017 und 2020 die Romane »The Hills« und »Wir sind fünf«, die von Publikum und Presse gefeiert wurden.
mehr

Produkt

KlappentextDas grandiose Finale der Trilogie
'Unfun' erzählt von den letzten Tagen einer Gruppe von Menschen, die man früher einmal Familie genannt hat. Faldbakken zeichnet das Bild einer Gesellschaft, in der Realität und Illusion, Sex und Liebe, Individualität und Massenkonsum nicht mehr zu unterscheiden sind.

Matias Faldbakken, 1973 geboren, lebt als bildender Künstler in Oslo. 2003 erschien sein aufsehenerregender Debütroman »The Cocka Hola Company«, der Auftakt der Skandinavische-Misanthropen-Trilogie, die mit »Macht und Rebel« und »Unfun« komplettiert wurde. Bühnenfassungen aller drei Romane wurden an diversen deutschen Theatern aufgeführt. Faldbakken gilt zudem als einer der bedeutendsten Gegenwartskünstler Skandinaviens. Seine Werke werden weltweit in den führenden Galerien ausgestellt. Nach längerer Schreibpause erschienen 2017 und 2020 die Romane »The Hills« und »Wir sind fünf«, die von Publikum und Presse gefeiert wurden.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641234614
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum12.03.2018
Seiten272 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1263 Kbytes
Artikel-Nr.2614680
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


CASTELLANETA

I seem to have overfilled the glasses.

Rosemary´s Baby

»Batman«, sagt Dan Castellaneta.

»Was?«, fragt Slaktus.

»Im türkischen Batman«, sagt Dan Castellaneta.

»Was um alles in der Welt interessiert mich der türkische Batman? Wo sind Sie?«

»Ich bin in der Stadt Batman in der Türkei«, sagt Dan Castellaneta.

Irgendwann in den neunziger Jahren, als er auf dem Höhepunkt seine Karriere war, erwähnte Dan Castellaneta in einem Interview mit Premiere, dass er den eigenartigen Traum hege, in jene Dörfer zu reisen, in denen sich sein Vorbild Rudolph Valentino aufgehalten habe. Und dass er dies in der Zeit nach der Pensionierung tun werde. Jetzt sitzt er im Rollstuhl - vorzeitig pensioniert - auf einer Terrasse vor seinem Hotelzimmer in Batman, Türkei, und spricht mit Slaktus am Telefon.

»Im Anti-Kurden-Gebiet?«, fragt Slaktus mit skandinavischem Akzent.

»Genau«, antwortet Dan Castellaneta.

»Wir sollen in drei Tagen ins Studio«, sagt Slaktus.

»Ich weiß«, erwidert Castellaneta.

»Und wann kommen Sie?«

»In drei Tagen.«

»Die Vorbereitungen sind ...«

»Ich bin vorbereitet«, sagt Castellaneta.

»...«

»Ich bin Profi, Mr Slaktus. Und ich bin vorbereitet. Ich komme in drei Tagen in Ihr Land und mache meinen Job.«

»Okay ... Also ...«

»Ich habe die Rolle angenommen, weil ich Ihr Skript ... Ihre Idee gut finde. Ich helfe Ihnen gern. Aber das Honorar ist so niedrig, dass ich mir keinen Zeitdruck machen lasse.«

»Natürlich, Mr Castellaneta«, sagt Slaktus und gähnt.

»Was war denn das?«, fragt Castellaneta.

»Was?«

»War das ein Gähnen?«

»Ja, ich muss ´ne Runde pennen«, sagt Slaktus.

Dan Castellaneta bekam nicht mehr viele Jobs, seitdem man ihn in der Mitte der 00er Jahre als »the voice of an old generation« abgetan hatte. Aus der Spielfilmkarriere wurde nichts. Er bekam hier und da eine kleine Nebenrolle; bei einigen Drehs musste er allerdings mehrere Dutzend Male am Tag »D´oh!« rufen, um Techniker und Beleuchter zu unterhalten, und das verdarb ihm gründlich die Lust. Als man Homer Simpson zum Amerikaner der Gegenwart kürte, wurde Castellaneta depressiv und konzentrierte sich auf die Zusammenarbeit mit seiner Frau Deb Lacusta. Zusammen gaben sie eine Sammlung von Sketchen unter dem Titel I am not Homer bei Oglio Records heraus. Die CD wurde alles andere als ein Erfolg, und es ging weiter bergab. Castellaneta entschied sich, dem Showbusiness den Rücken zu kehren und verbringt seither seine Zeit damit, quer durch die Weltgeschichte zu reisen. Währenddessen übernimmt er gelegentlich - aufgrund eines gewissen Idealismus - Nebenjobs für kleinere und unabhängige Filmproduktionen, oftmals ohne Bezahlung zu verlangen. Im Ausgleich dazu erwartet er sich eine entspannte und ruhige Arbeitsatmosphäre. Dan Castellaneta ist allergisch gegen so gut wie alles, was in irgendeiner Weise an den Stress des Showbusiness erinnert. Deshalb reagiert er heute auch so empfindlich auf Slaktus. Er reißt sich zusammen:

»Ich werde Sie anrufen, bevor ich losfliege, damit Sie mir jemanden zum Flughafen schicken können, okay?«

»Okay ... okay«, sagt Slaktus.

Batman hat um die hunderttausend Einwohner. Die Stadt ist als eines der wichtigsten türkischen Rohölproduktionszentren bekannt. Die erste Ölraffinerie der Türkei wurde in Batman errichtet. Die Stadt Batman liegt am Fluss Bat-man, der einige Kilometer weiter südlich in den Tigris fließt. Blablabla. Dan Castellaneta liest alles, was er in den wenigen Stunden, die er dort ist, vor die Augen bekommt. Er erfährt, dass Batmans Geschichte bis in die Antike zurückreicht. Die Stadt wurde gegen 700 n. Chr. von den Arabern eingenommen, sowohl von Seljuken als auch Mongolen beherrscht und 1514 ins ottomanische Reich eingegliedert und so weiter, und so weiter. Die Stadt wirkt modern, bestimmt wegen der Ölreserven, denkt Castellaneta. In der Abenddämmerung rollt er eine Runde durch die Gassen, wobei er schnell herausfindet, dass es wenig zu sehen gibt, auch kein Denkmal, das an Rudolph Valentinos Aufenthalt im Dorf erinnert, was aus dem Besuch mehr oder minder eine Zeitverschwendung macht. Den einzigen Hinweis auf Valentinos kurzen Aufenthalt in Batman hat er in Emily W. Leiders Dark Lover: The Life and Death of Rudolph Valentino gefunden. Er rollt zu einem schmiedeeisernen Tisch auf einer Terrasse, bestellt ein Glas Mineralwasser und zieht das Buch aus der Seitentasche am Rollstuhl.

»Dark Lover«, flüstert Castellaneta sich selbst zu, während er im Buch vor- und zurückblättert, um die Bilder und den einen oder anderen Absatz zu überfliegen. »Dark Lover ... Batman ... Dark Knight ... der erste dunkelhäutige Filmstar ... der dunkle Star ... der stumme Star ... keine Stimme ... keine Stimme ...«

Es ist schwül. Castellaneta wird ganz schwindelig, die Bedingungen hier sind unerträglich für Rollstuhlfahrer; er beschließt, ins Hotel zurückzukehren. Wieder in seinem Zimmer massiert er sich im Sitzen abwechselnd die gefühllosen Beine und streicht sich über seine Glatze, während er halblaut vor sich hinliest.

»Der stumme Star ... Die vier Reiter ... Schrecklich ... Die vier Reiter ... der ... Apokalypse.«

Er reibt sich die Ohren, beugt den Kopf nach vorn und schließt die Augen.

»Glatze ... abstehende Ohren ... Ohren ... Fledermaus ... die Fledermaus.«

Am nächsten Tag fliegt Castellaneta zeitig nach Taranto in Italien. Von dort reist er mit dem Zug zu dem kleinen Dorf Castellaneta. Während der gesamten Fahrt hat er Slaktus´ Manuskript auf dem Schoß liegen. Der Protagonist der Geschichte, der Mann, dem Castellaneta seine Stimme und damit Leben geben wird, führt ihn immer wieder zurück zum Landschaftsgärtner, zurück zu dessen braunem Gesicht, zurück zum Tod. Er liest und prägt sich die Worte ein, aber immer wieder, für eine Minute oder 30 Sekunden, kehrt er zurück zum Unglück, wie so oft; die Bilder drängen sich ihm auf, er hört die Geräusche. Das Knacken von Debs Genick und das Geräusch seiner brechenden Rückenwirbel vermischen sich zu einem kleinen Duett; sie trafen in derselben Sekunde auf dem Hang auf und blieben beide liegen, er bei Bewusstsein, sie ohne. Nach sechs Wochen Koma wurden die Maschinen abgestellt. Castellaneta hielt ihre Hand, als sie starb, und verfluchte den Landschaftsgärtner, der schuld war an ihrem Sturz. Wut steigt in Castellaneta auf, doch er unterdrückt sie wie jeden Tag. Viermal hat Castellaneta das Skript gelesen, und jedes Mal hat sich das Bild des Protagonisten mit dem des Landschaftsgärtners vermischt. Und jedes Mal blieb er bei der Parole des Protagonisten, dem Kongoleser Mbo, hängen. Auch diesmal:

»Slave of the system. Master of the flesh.«

Die italienische Kleinstadt Castellaneta ist vor allem als Rudolph Valentinos Geburtsort bekannt. Darüber hinaus gibt es eigentlich nicht viel zu sagen. Als Dan Castellaneta an diesem Morgen über den Bahnsteig rollt, ist er der erste Vertreter des amerikanischen Castellaneta-Geschlechts seit vier Generationen, der einen Fuß nach Castellaneta setzt oder, um genauer zu sein, ein Rollstuhlrad. In einem Touristenführer hat er gelesen, dass es im Ort eine sogenannte »Celebrity Bar« gibt, die als Denkmal für Rudolph Valentino dient - sein Tagesziel. Castellaneta rollt vom Bahnhof zum Hotel; in seinem Zimmer angelangt, wälzt er sich aus seinem Stuhl aufs Bett. Der LCD-Bildschirm hat eine miese Auflösung, aber man kann von einem italienischen Hotel dieser Preisklasse nicht allzu viel erwarten, denkt er und ruft »arresta« in die Luft, um ihn auszuschalten. Castellaneta nickt weg und gleitet in eine wirre Halluzination mit abgerissenen Nervenbahnen, dunklen Rittern und schwarzen Männern. Der Traum dauert nur eine Minute oder zwei, dann erwacht er wieder und zieht sich zurück auf seinen Rollstuhl; er mag es überhaupt nicht, auf diese Weise wegzunicken, er will einen klaren Kopf bewahren. Sinnestäuschungen oder Ähnliches hat er noch nie gemocht.

Auch wenn Castellaneta das Leben bei seinem Sturz gleichsam geschenkt bekommen hat, fällt es ihm doch schwer, sich darüber zu freuen. Hier sitzt er, wie so oft, wenn er sich in sein Loch, in seine Dunkelheit zurückgezogen hat, mit auf den unbrauchbaren Beinen ruhenden Händen und starrt an die Zimmerwand. Nimmt man die Lügengeschichte des Künstlers Joseph Beuys und verkehrt sie ins Negative, so bekommt man etwas, das Castellanetas Schicksal ähnelt. Joseph Beuys warb bei der Luftwaffe an und wurde 1942 auf der Krim stationiert. Im Jahre 1944 stürzte er mit der JU 87 an der Front ab; der Pilot kam um, aber Beuys erinnert sich an eine hypnagoge Vision, in der er von einem Tartarenstamm - Nomaden, die in der Nähe der Absturzstelle lebten - gefunden und gesundgepflegt wurde. Sie schmierten ihn mit Fett ein und wickelten ihn in Filzdecken und retteten ihm so das Leben. Die deutsche Suchmannschaft fand ihn...

mehr

Autor

Matias Faldbakken, 1973 geboren, lebt als bildender Künstler in Oslo. 2003 erschien sein aufsehenerregender Debütroman »The Cocka Hola Company«, der Auftakt der Skandinavische-Misanthropen-Trilogie, die mit »Macht und Rebel« und »Unfun« komplettiert wurde. Bühnenfassungen aller drei Romane wurden an diversen deutschen Theatern aufgeführt. Faldbakken gilt zudem als einer der bedeutendsten Gegenwartskünstler Skandinaviens. Seine Werke werden weltweit in den führenden Galerien ausgestellt. Nach längerer Schreibpause erschienen 2017 und 2020 die Romane »The Hills« und »Wir sind fünf«, die von Publikum und Presse gefeiert wurden.