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Der Ruf des Drachen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
368 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am08.12.2014
Gefährlicher, düsterer, magischer - mit 'Der Ruf des Drachen' ist Pierre Grimbert ein mitreißendes Fantasy-Abenteuer gelungen
Einzig ein magischer Schleier und die geheimnisvolle Bruderschaft der Weltwanderer schützen die Menschen von Gonelore vor dem Reich der Dämonen. Doch im Laufe der Jahrhunderte ist der Schleier brüchig geworden und die Bruderschaft durch Machtkämpfe und Intrigen geschwächt. Ungehindert bringen die Dämonen nun Tod und Verderben über Gonelore. Die letzte Hoffnung der Menschen ist der junge Weltwanderer Jona, der mit den Ungeheuern sprechen kann. Doch Jona verbirgt ein Geheimnis, das ganz Gonelore für immer zerstören könnte ...

Pierre Grimbert, 1970 in Lille geboren, arbeitete einige Zeit als Bibliothekar, bevor er in Bordeaux Buchwissenschaften und Publizistik studierte. Die 'Magier'-Saga wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem 'Prix Ozone' als bester französischer Fantasy-Roman. Der Autor lebt im Norden Frankreichs.
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Produkt

KlappentextGefährlicher, düsterer, magischer - mit 'Der Ruf des Drachen' ist Pierre Grimbert ein mitreißendes Fantasy-Abenteuer gelungen
Einzig ein magischer Schleier und die geheimnisvolle Bruderschaft der Weltwanderer schützen die Menschen von Gonelore vor dem Reich der Dämonen. Doch im Laufe der Jahrhunderte ist der Schleier brüchig geworden und die Bruderschaft durch Machtkämpfe und Intrigen geschwächt. Ungehindert bringen die Dämonen nun Tod und Verderben über Gonelore. Die letzte Hoffnung der Menschen ist der junge Weltwanderer Jona, der mit den Ungeheuern sprechen kann. Doch Jona verbirgt ein Geheimnis, das ganz Gonelore für immer zerstören könnte ...

Pierre Grimbert, 1970 in Lille geboren, arbeitete einige Zeit als Bibliothekar, bevor er in Bordeaux Buchwissenschaften und Publizistik studierte. Die 'Magier'-Saga wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem 'Prix Ozone' als bester französischer Fantasy-Roman. Der Autor lebt im Norden Frankreichs.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641139971
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum08.12.2014
Reihen-Nr.2
Seiten368 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2166 Kbytes
Artikel-Nr.1444753
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


1

Dælfine schreckte aus dem Schlaf auf, als hätte sie plötzlich das Atmen vergessen, oder als hätte ihr Herz einen Schlag ausgesetzt. Reflexartig sog sie die frische Luft ein, und augenblicklich meldete sich der Schmerz - besonders das grelle Stechen an der Rückseite ihres Schädels. Sie hob die Hand, um die Stelle vorsichtig abzutasten, doch im selben Moment holte sie blitzartig die Realität ein, und vor Angst und Verzweiflung vergaß das Mädchen die Schmerzen.

Bittere Schluchzer stiegen in ihrer Kehle auf, und sie würgte und musste sich auf die Seite drehen, um den Brechreiz zu unterdrücken. Da schob sich eine Hand in die ihre; die kleinen, zarten Finger gehörten Nobiane, die von Anfang an bei ihr geblieben war. Wie lange hielt dieser Albtraum nun schon an? Höchstens ein paar Stunden, aber ihr kam es vor, als wären es Jahrhunderte. Es war, als läge sie schon seit einer Ewigkeit auf dieser Bank, die sie nicht sehen konnte, in einem Raum, den sie sich nur vorstellen konnte, umringt von Menschen, deren Kommen und Gehen sie nur mit dem Gehör wahrnahm. Eine quälende Ewigkeit, während der sie sich fragte, ob sie irgendwann wieder sehen können würde.

Mindestens zum tausendsten Mal seit den dramatischen Ereignissen der Nacht wischte sie sich die Tränen weg, riss die Augen weit auf und konzentrierte sich angestrengt darauf, etwas in diesem Meer aus Dunkelheit, das sie umgab, zu erkennen. Und sei es nur einen etwas helleren Fleck inmitten dieser undurchdringlichen Finsternis - doch vergeblich. Noch nie hatte sie sich so hilflos gefühlt. Sie konnte sich keine grausamere Folter vorstellen.

»Ist es ... immer noch Nacht?«

Ihre Stimme, von der Müdigkeit und dem vielen Schluchzen ganz heiser, kam ihr selbst fremd vor.

Nobiane ließ einige Zeit verstreichen, bevor sie antwortete.

»Nein«, gab sie schließlich zurück. »Der Tag ist bereits angebrochen.«

Dælfine nickte bedächtig, obwohl sie nicht sicher sein konnte, dass es bemerkt wurde. Dann begann sie wieder zu weinen, dieses Mal jedoch im Stillen. Große salzige Tränen rannen ihr die Wangen hinab, während sie die Götter anflehte, mit diesen Perlen des Leids ihre Iris auszuspülen und ihr das Augenlicht wiederzugeben.

Doch leider geschah kein Wunder. Nach einigen Minuten versank das Mädchen wieder tiefer in der Finsternis, und ein abscheuliches Gefühl der Hoffnungslosigkeit ergriff von ihr Besitz. Ein Wort, ein einziges Wort beherrschte ihre Gedanken: blind. Sie war blind! Für den Rest ihres Lebens würde sie eine erbarmungswürdige Invalidin sein. Das war meilenweit von dem entfernt, wie sie sich ihr Leben als Erwachsene vorgestellte hatte.

Erinnerungen tauchten in ihrem Kopf auf, Gesichter, ihre Eltern, ihre Geschwister, geliebte Orte, alles, was sie je schön gefunden hatte. Diese Bilder waren kostbarer als je zuvor, denn künftig würden keine neuen mehr hinzukommen. Das Mädchen klammerte sich an sie wie ein Schiffbrüchiger im Sturm an ein Stück Holz, wohlwissend, dass auch diese Erinnerungen irgendwann verblassen und schließlich in den Untiefen ihres Gedächtnisses verschwinden würden. Sie war dazu verdammt, für immer allein in dieser bleiernen Dunkelheit eingesperrt zu sein. In einem bodenlosen Schlund aus Ungerechtigkeit.

Von Verzweiflung überwältigt, durchlebte sie noch einmal die Szenen des Dramas. Am Abend zuvor hatte sie auf dem Leuchtturm von Zauberranke gegen Chimären gekämpft, die die Schule der Weltwanderer überfallen hatten. Vier ihrer Kameraden hatten an ihrer Seite gefochten, ebenso ihr Lehrer, Radjaniel der Messerschleifer. Aber gegen die Chiroptide, jene riesigen Fledermäuse, die aus dem Schleier herausgeströmt waren, hatten sie keine Chance gehabt. Die Biester waren ihnen zahlenmäßig zehnfach überlegen gewesen. Und so hatte Dælfine all ihren Mut zusammengenommen, um eine Schneise in die Reihen ihrer Feinde zu schlagen und ihren Freunden einen Fluchtweg freizukämpfen. Sie hatte etwas Heldenhaftes erreichen wollen, und beinahe wäre ihr das auch gelungen.

Beinahe.

Kurz vor dem Ziel hatte sie einen stechenden Schmerz am Hinterkopf gespürt. Sie wurde kurz ohnmächtig, und als sie wieder aufwachte, lag sie am Boden, von Bestien umringt, die sich mit aufgerissenen Mäulern auf sie stürzten. Dann hatte sich ihr Blick verschleiert, und sie war erblindet. Die folgenden Minuten waren ein einziger Albtraum gewesen.

Dælfine hatte wie eine Besessene gekämpft, um sich getreten und geschlagen und in wachsender Verzweiflung geschrien, um die Tiere zu verscheuchen, die sie verschlingen wollten. Schließlich war jemand zu ihrer Rettung herbeigeeilt, Hände hatten sie gepackt und in Sicherheit gebracht.

Doch über ihre Blindheit sprach niemand. Zumindest bisher traute es sich keiner.

Kurz nach den Vorfällen hatte man ihr Bettruhe verordnet. »Ruh´ dich aus, das wird schon wieder«, hatten ihr alle versichert. Ein paar Stunden später war der Satz verkürzt worden auf: »Ruh´ dich aus.« Dieser Rat wurde manchmal noch ergänzt durch den Zusatz: »Zerbrich dir fürs Erste nicht den Kopf über all das.«

Dabei wusste sie nicht einmal, wem die Stimmen gehörten. Anfangs war Radjaniel da gewesen, doch der Professor war längst zu anderen Notfällen gerufen worden. Auch Gess und Berris waren gekommen und wieder gegangen. Jona war offenbar noch immer oben auf dem Leuchtturm, das hatte sie aus den Gesprächen geschlossen. Lediglich Nobiane war bei ihr geblieben, zweifellos auf Befehl des einen oder anderen Erwachsenen, der den Raum betreten hatte. Die beiden Schülerinnen befanden sich in einer Schreibstube in der Mitte des Turms. Man hatte ihnen gesagt, ein Heilerin werde kommen und ihre Wunden versorgen, aber die beiden Mädchen hatte die ganze Nacht vergeblich auf sie gewartet. Dælfine hatte ohnehin wenig Vertrauen zu deren Fähigkeiten. Ihr Augenlicht war schon zu lange erloschen, und das, obwohl ihre Augen unverletzt zu sein schienen. Im Gegensatz zum Rest ihres Körpers, der von Dutzenden unterschiedlich schweren Wunden übersät war. Das junge Mädchen würde alles dafür geben, noch ein einziges Mal das Tageslicht sehen zu können. Voller Sehnsucht hatte sie dem Sonnenaufgang entgegengefiebert, doch als es hell geworden war, hatte sie immer noch nichts sehen können. Womöglich würde sie nie wieder einen Sonnenaufgang sehen können!

»Gibt es hier ein Fenster? Und auf welcher Seite?«

Nobiane führte den Arm ihrer Freundin nach links. Dælfine setzte sich vorsichtig auf und drehte sich in die angegebene Richtung, doch obwohl ihr Gesicht zweifellos von Sonnenlicht angestrahlt wurde, sah sie nur eine Wand aus Dunkelheit.

»Gibt es einen Fensterladen? Ist er geöffnet?«

»Ja«, antwortete ihre Freundin leise. »Man kann das Meer sehen.«

Dælfine nickte, auch wenn Nobianes Bemerkung etwas ungeschickt war. Sie fand es schade, dass sie nicht wenigstens die Meeresbrise auf der Haut spüren oder die salzige Luft riechen konnte. Sie musste daran denken, dass es immer hieß, Blinde würden den Verlust des Augenlichts mit den anderen Sinnen ausgleichen, vor allem mit einem schärferen Gehör. Was für ein Trugschluss! Jetzt, wo ihre Gedanken nicht mehr von ihrem Blick gelenkt wurden, fühlte sie sich, als wäre sie in eine dicke Schicht Lumpen eingewickelt. All ihre Sinne waren wie gedämpft.

Mechanisch tastete sie nach dem Ledergürtel, der ihre Brust umschloss, und umklammerte das Bandelier mit beiden Händen. Es war für sie eine Boje im Ozean der Dunkelheit. Woran hätte sie sich auch sonst festhalten sollen? Dælfine hatte praktisch alles verloren, was sie besaß, noch bevor sie die Tore von Zauberranke durchschritten hatte. Selbst die Kleider, die sie am Leib trug, hatten Sohia und Radjaniel ihr gegeben. Ohnehin waren sie nach dem Kampf in miserablem Zustand, zerrissen und blutverkrustet. Das Bandelier hingegen schien intakt zu sein. Es bedeutete ihr ungeheuer viel. Seit Jahren hatte sie dem Tag, an dem sie es endlich umlegen durfte, entgegengefiebert, und sie war so stolz gewesen, es zu tragen.

Selbst jetzt, da sie den Weltwanderern die Schuld an ihrem Leid hätte geben können, hielt sie das Wahrzeichen der Bruderschaft in Ehren. Sie tastete nach ihrem Schwert aus Krebsbein, doch es hing nicht mehr an ihrem Gürtel. Vermutlich lag es immer noch irgendwo auf dem Leuchtturm unter den Kadavern der Chimären begraben.

»Es kommt jemand«, sagte sie plötzlich.

Sie war selbst überrascht, dass sie die Schritte auf der Treppe vernommen hatte. War dies ein Zeichen dafür, dass es ihr besser ging? War ihr Leid bald vorbei? Würde sie vielleicht sogar wieder sehen können?

Sie wollte sich keinen falschen Hoffnungen hingeben, aber der Impuls ließ sich nur schwer kontrollieren. Als jemand durch die Tür der Schreibstube trat und sich den beiden Mädchen näherte, flehte Dælfine die Götter stumm um ein Wunder an.

»Ich bin Jora Fionaïs, Oberste Alchimistin«, stellte sich die Unbekannte vor. »Ich konnte leider nicht früher kommen.«

Die Stimme der Frau verriet ihre Müdigkeit. Dælfine hörte, wie etwas auf dem Boden abgestellt wurde, wahrscheinlich ein Koffer oder eine Kiste. Im Inneren klirrten Glasfläschchen. Dann trat die Heilerin an das Bett der Erblindeten und berührte sie an der Schulter, doch trotz der Behutsamkeit zuckte Dælfine zusammen.

»Entschuldige«, sagte die Alchimistin. »Ich wollte dich nicht erschrecken. Es war eine lange Nacht, und ich hatte alle Hände voll zu tun. Ich werde vorsichtig sein. Beug dich ein wenig vor, ich muss die Wunde an deinem Kopf untersuchen. Einverstanden?«

Dælfine nickte und tat, wie ihr geheißen. Abermals schossen ihr...

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Pierre Grimbert, 1970 in Lille geboren, arbeitete einige Zeit als Bibliothekar, bevor er in Bordeaux Buchwissenschaften und Publizistik studierte. Die "Magier"-Saga wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem "Prix Ozone" als bester französischer Fantasy-Roman. Der Autor lebt im Norden Frankreichs.