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Diabolisch

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
124 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am27.04.20181. Auflage
Gegen diesen Gegner tritt Milford vergeblich an: Er stürzt ihn in ein ganz besonderes Inferno. Die Symptome sind Kopfschmerz, Schwindel, furchtbare Alpträume. Als Milford erkennt, daß der Unheimliche ihn in den Wahnsinn treiben will, beginnt er, sich mit letzter Kraft zu wehren ... (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Mark A. Calde veröffentlichte diesen Krimi erstmals 1976. Der englische Originaltitel lautet »Shadowboxer«.
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Produkt

KlappentextGegen diesen Gegner tritt Milford vergeblich an: Er stürzt ihn in ein ganz besonderes Inferno. Die Symptome sind Kopfschmerz, Schwindel, furchtbare Alpträume. Als Milford erkennt, daß der Unheimliche ihn in den Wahnsinn treiben will, beginnt er, sich mit letzter Kraft zu wehren ... (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Mark A. Calde veröffentlichte diesen Krimi erstmals 1976. Der englische Originaltitel lautet »Shadowboxer«.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783105620588
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum27.04.2018
Auflage1. Auflage
Seiten124 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.3402839
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

3

»Sie bekommen Ihr eigenes Büro.« Das war die einzige genaue Auskunft gewesen, die man Harry vor sieben Monaten gegeben hatte, als er über die Versetzung zur Zweigstelle von Maryland informiert worden war. Nur das hatte man ihm gesagt und ihn darauf hingewiesen, daß ihm und Carol dreißig Tage für den Umzug blieben. (Ihr Haus in Washington würde die Regierung erwerben, gegen bar.)

Er sah sich in seinem »Büro« um - einem fensterlosen, gut zehn Quadratmeter großen Raum, den dreiviertelhohe olivgrüne Kunststofftrennwände von den langen, akkurat ausgerichteten Schreibtischreihen abschirmten, die den Rest des riesigen Büros füllten. Ihm gegenüber standen zwei beige Kunstledersessel, deren Armlehnen mit einer Nußbaumimitation furniert waren. Dazwischen erhob sich ein messingfarbener Standaschenbecher. Sein Schreibtisch war ein graues Stahlmöbel, das sich immer kalt anfühlte. Bleistiftständer, Ausziehlampe, Digitaluhr, Terminkalender und das gerahmte Foto von Carol konnten den kalten, unpersönlichen Eindruck nur wenig mildern. Eine typisch amtliche Umgebung, die zu seinem amtlich geregelten Leben paßte.

Seine Aufgabe bestand darin, Berichte durchzulesen, die bereits von anderen gelesen und ordnungsgemäß abgezeichnet worden waren, die schriftlichen Anmerkungen seiner Kollegen zu bewerten und eine endgültige Zusammenfassung anzufertigen. Anschließend gab er die Unterlagen zwecks abschließender Analyse an seine Vorgesetzten weiter, die ihrerseits die Berichte zum Archiv weiterleiteten, wo sie auf Mikrofilm festgehalten wurden. Darauf landeten alle Kopien, einschließlich der beigehefteten Aktennotizen und Anmerkungen, im Papierwolf, wurden am Ende jeden Arbeitstages abtransportiert, um nach Wiederaufbereitung schließlich in Gestalt leerer weißer Bögen zurückzukehren und mit neuen Berichten beschrieben zu werden.

Die sechs Monate, die er hier verbracht hatte, waren unauffällig verstrichen, Opfer der Routine, wie alles andere auch. Normalerweise hätte ihn das nicht gestört. Zur Zeit aber war sein Leben nicht normal; dafür hatten die Ereignisse der vergangenen drei Tage gesorgt. Und nun, als er in seiner Zelle saß und auf die beschriebenen Seiten starrte, die vor ihm auf dem Schreibtisch lagen, war er äußerst unmutig, weil sechs Monate seines Lebens hinweggeronnen waren wie Sand durch die Finger einer Kinderhand. Zeit stand inzwischen nicht mehr unbeschränkt zur Verfügung. Er war sicher, daß sein Vorrat knapp wurde, und wußte mit gleicher Sicherheit, daß er sich am Abend ins Bett legen würde und wieder seinen Traum ertragen mußte. Diesen teuflischen Traum. Jenen Traum, von dem er irgendwie wußte, daß er den Schlüssel zu seinem Schicksal enthielt.

Harry seufzte und warf einen Blick auf seine Digitaluhr. Sie zeigte 4.53 Uhr an. Er zwang seine Augen, die Maschinenschrift des Berichts zu überfliegen.

Unvermittelt wurde sein Körper von einem unkontrollierbaren Zittern geschüttelt. Er konnte nicht mehr klar sehen und spürte, wie ihm der Schmerz im Nacken hochzukriechen begann. Er kniff die Augen fest zu, aber als er sie wieder aufschlug, nahm er alles immer noch verschwommen wahr. Er bemühte sich, nicht in Panik zu geraten, zog die mittlere Schublade seines Schreibtischs auf und tastete nach dem Röhrchen Aspirin. Er schüttelte zwei heraus, stand behutsam auf und fragte sich dabei, ob der Migräneanfall wohl seinen Gleichgewichtssinn in Mitleidenschaft ziehen würde. Glücklicherweise war das nicht der Fall, und er ging dankbar auf die Öffnung in den Trennwänden zu.

Als er den Kaltwasserspender erreichte, hatte sich der Schmerz bis unter sein Schädeldach ausgebreitet und begann zu den Schläfen auszustrahlen, war aber noch erträglich. Harry erhoffte sich rasche Linderung, als er das Medikament nahm.

Statt dessen bekam er einen tödlichen Schrecken.

Als er dastand und die Tabletten mit kaltem Wasser aus einem konischen Papierbecher hinunterspülte, kehrte sein Sehvermögen plötzlich zurück, und in seinem Gesichtsfeld blitzte ein Bild auf - so flüchtig, daß er es fast nur unterschwellig wahrnahm. So wie die Ereignisse in seinem Alptraum war es nur ein Fragment, total aus jeglichem sinnvollen Zusammenhang gerissen. Er sah eine Leuchttafel mit Nummern, alle dunkel bis auf die 22, die hellrot glühte.

Die Erscheinung kam und verschwand binnen einer Sekunde, aber Harry durchlebte diesen Augenblick mit allen seinen Sinnen. Hinter ihm signalisierte das Rascheln des Büropersonals, daß der ArbeitsSchluß nicht mehr fern war. Er zerknüllte den Becher und warf ihn in den Papierkorb, entschlossen, seine Furcht nicht zu verraten, wenn er sich umdrehte und zurück in sein Büro ging.

Der Sichtschutz, den die grünen Trennwände boten, war tröstlich, als er sich in seinen Sessel fallen ließ. Er konnte noch immer klar sehen und stellte fest, daß er das Wiederauftauchen des Bildes gespannt erwartete. Es kam aber nichts. Er stützte die Ellbogen auf die Tischplatte und legte seinen Kopf in die offenen Handflächen. Was war ihm da draußen beim Wasserspender zugestoßen? Warum drangen Schmerzen, Alpträume und Halluzinationen in sein Leben ein? Welches kleine, namenlose Rädchen hatte vor vier Tagen plötzlich versagt und lieferte ihn diesen Anfällen aus?

In seinem Kopf überschlugen sich die Fragen. Er erinnerte sich, irgendwo gelesen zu haben, daß das durchschnittliche menschliche Gehirn rund viereinhalb Pfund wog und daß noch immer unerforscht war, welche Funktionen weite Gebiete, besonders in Hirnstamm und Kleinhirn, erfüllten. Dort mußte die Antwort liegen. Irgendwo dort mußte in den empfindlichen Schaltkreisen etwas gerissen sein. Er stellte sich einen Kettenstich am Saum eines Kleides vor - nur einmal schnipp mit der Schere, und alle Schlaufen lösten sich nach einem gleichmäßigen Zug am Faden auf, ließen eine ausgefranste Stoffkante zurück.

Irrsinn!

Klick! Auf seiner Schreibtischuhr war eine neue Ziffer aufgetaucht. Es war kurz nach fünf, Zeit zum Gehen. In seinem Kopf hämmerte es. Er stand auf und nahm sein Jackett vom Kleiderständer in der entfernten Ecke der Zelle. Er konnte noch immer klar sehen und sagte sich immer wieder, daß das Aspirin gewirkt haben mußte, bis er zu Hause eintraf.

Die scharfe Nachtluft tat seinem Gesicht wohl. Beim Überqueren des asphaltierten Parkplatzes steuerte er bewußt einen Kurs, der ihn von Bekannten fernhielt, von jedem, der sich beiläufig von ihm verabschieden und bemerken konnte, daß es ihm alles andere als gut ging.

Er erreichte unbehelligt seinen Wagen und zog sich in diesen schützenden Kokon zurück. Einen Augenblick später sprang der Motor an, und Harry fuhr rückwärts aus der Parklücke. Weiße Pfeile wiesen ihm den Weg zur Ausfahrt, und bald lag die freie Landstraße vor ihm.

Harry stellte das Radio an, um seine Gedanken abzulenken, aber seine hämmernden Kopfschmerzen wurden vom Rhythmus der Musik nur verstärkt, so daß er es rasch wieder abdrehte. Er kurbelte das Fenster herunter und sog tief die feuchte Abendluft ein. Das half ihm, sich zu beruhigen. Die Uhr am Armaturenbrett zeigte 5.12 Uhr an. Noch zehn Minuten, dann war er zu Hause. Die Vorstellung, durch seine Haustür zu treten und Carol zu sehen, weckte in ihm ein Gefühl äußerster Dringlichkeit. Er überschritt mit Absicht die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit. Seine Linke verkrampfte sich rhythmisch ums Lenkrad, die rechte Hand hielt es ruhig und fest. Mit nervösen Blicken in den Rückspiegel hielt er nach Streifenwagen Ausschau, sah aber nur die baumgesäumte Straße hinter sich schrumpfen.

Und dann wurde die ganze Szene plötzlich ausgelöscht. Die Landschaft hinter seinem Wagen verschwand, und an ihrer Stelle tauchte die Zahlenreihe auf. Nummer 22 glühte noch immer in einem hellen kräftigen Rot.

Und wie zuvor blitzte die Zahl nur kurz in seinem Bewußtsein auf. Harry starrte durch die Windschutzscheibe und trat aufs Gaspedal. Dann wurde er seiner Panik Herr und nahm Gas weg, bis er wieder mit der vorgeschriebenen Geschwindigkeit dahinrollte. Von der Polizei wollte er jetzt ganz bestimmt nicht angehalten werden. Die Beamten würden ihn nur einmal ansehen und dann alle möglichen Fragen stellen, auf die er keine Antworten wußte.

Die Zahl tauchte wieder auf, diesmal in einem schiefen Winkel. Auf ein Augenzwinkern hin verschwand sie.

Wie viele Minuten noch, bis er zu Hause war? Sieben, vielleicht auch acht. Er brauchte nur den Wagen unter Kontrolle zu halten und kein Aufsehen zu erregen. Verzweifelte Gedanken flossen durch seinen gepeinigten Kopf. Die Zahl tauchte noch einmal auf. Und noch einmal. Die Abstände betrugen kaum mehr als jeweils ein paar Sekunden. Dann, als er durch eine sanfte Kurve fuhr, wurde er von einer zweiten Erscheinung überfallen - läutende Glocken in einem Kirchturm. Sie schlugen unbarmherzig. Er konnte sie wirklich hören! Sie läuteten tatsächlich und verstärkten das Hämmern in seinem Kopf.

Und nun begannen die Bilder sich zu kreuzen und ließen ihm nur wenige, kostbare Augenblicke, in denen er die Straße vor sich im Auge behalten konnte. Er glaubte, sein Kopf müsse unter dem Glockenläuten bersten. Die Bilder blitzten nun so dicht hintereinander auf, daß er genausogut mit geschlossenen Augen hätte fahren können. Er hatte völlig die Orientierung verloren und tastete mit dem Fuß nach dem Bremspedal, um seine Geschwindigkeit zu verringern.

Zahlenreihe, Glocken; Glocken, Zahlenreihe. Dann ein neuer Ton, ein Geräusch aus der Wirklichkeit. Das heisere Signal einer Lastwagenhupe.

Harry riß das Steuer nach rechts herum und spürte, wie die Reifen auf den unbefestigten Randstreifen gerieten, während der vollbeladene...
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