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Das goldene Palais

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
608 Seiten
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am23.07.20191. Auflage
Ein opulenter Roman über eine jüdische Bankiersfamilie, die nicht zufällig an die Rothschilds denken lässt. Anfang des 20. Jahrhunderts ist Greta, das jüngste Kind der Goldbaums, ein eigenwilliges Wesen. Ihr droht eine Ehe mit Albert, dem jungen Nachkommen des englischen Zweigs der Familie, der als spröde und sauertöpfisch gilt, noch dazu als leidenschaftlicher Schmetterlingsjäger. Doch Greta beschließt, die Sache auf sich zukommen zu lassen - und tut gut daran. Während das private Glück unverhofft über Greta hereinbricht, zeigen sich immer bedrohlicher die Vorboten eines großen kriegerischen Konflikts, in den die Goldbaums als Finanziers von Waffengeschäften und Teil der politischen Aristokratie Europas tief verstrickt sind...

Natasha Solomons wurde 1980 geboren. Sie lebt mit ihrer Familie in Dorset, wo sie gemeinsam mit ihrem Mann als Drehbuchautorin arbeitet. Ihre Bücher wurden in sechzehn Sprachen übersetzt. 'Das goldene Palais' ist ihr fünfter Roman.
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Produkt

KlappentextEin opulenter Roman über eine jüdische Bankiersfamilie, die nicht zufällig an die Rothschilds denken lässt. Anfang des 20. Jahrhunderts ist Greta, das jüngste Kind der Goldbaums, ein eigenwilliges Wesen. Ihr droht eine Ehe mit Albert, dem jungen Nachkommen des englischen Zweigs der Familie, der als spröde und sauertöpfisch gilt, noch dazu als leidenschaftlicher Schmetterlingsjäger. Doch Greta beschließt, die Sache auf sich zukommen zu lassen - und tut gut daran. Während das private Glück unverhofft über Greta hereinbricht, zeigen sich immer bedrohlicher die Vorboten eines großen kriegerischen Konflikts, in den die Goldbaums als Finanziers von Waffengeschäften und Teil der politischen Aristokratie Europas tief verstrickt sind...

Natasha Solomons wurde 1980 geboren. Sie lebt mit ihrer Familie in Dorset, wo sie gemeinsam mit ihrem Mann als Drehbuchautorin arbeitet. Ihre Bücher wurden in sechzehn Sprachen übersetzt. 'Das goldene Palais' ist ihr fünfter Roman.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644300286
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum23.07.2019
Auflage1. Auflage
Seiten608 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1132 Kbytes
Artikel-Nr.4045245
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Wien, April


Das Palais Goldbaum war aus Stein erbaut, nicht aus Gold. Etliche Kinder, die in ihren ordentlich zugeknöpften Mänteln und an der Hand ihrer Kindermädchen oder Mütter durch die Heugasse spazierten, waren unweigerlich enttäuscht. Ihnen war der Palast des Fürsten der Juden versprochen worden, aus Elfenbein und Gold gesponnen und angeblich mit Juwelen übersät, und stattdessen stand hier bloß ein riesiges Haus, das aus gewöhnlichen, weißen Steinen errichtet worden war. Allerdings war es der kostbarste Kalkstein von ganz Österreich, und er war von den Alpen bis nach Wien transportiert worden, auf einer Eisenbahnstrecke, die dank eines Darlehens der Goldbaum-Bank erbaut worden war, und dabei von einer Lokomotive und Waggons befördert worden, die der Goldbaum-Eisenbahn-Gesellschaft gehörten, prachtvoll in den Familienfarben Blau und Gold lackiert und mit dem Familienwappen verziert: fünf Stieglitze, die sich auf dem Ast einer Sykomore niederließen. (Geistreiche Köpfe sprachen angesichts des Wappens gern von «den Vögeln im Geldbaum».) Drinnen war die große Eingangshalle von der Täfelung bis zum höchsten Punkt des Kuppeldachs vergoldet, sodass das Licht, das dieses reflektierte, selbst an trüben Tagen voller Sonnenglanz erstrahlte. So groß waren Macht und Reichtum der Goldbaums, dass sie an tristen Tagen, so hieß es, die Sonne einfach für den Eigenbedarf scheinen ließen.

Abends brannte in jedem Fenster elektrisches Licht, und das Haus erstrahlte wie ein großer Ozeandampfer, der sich durch die Straßen Wiens wälzte. Manchmal ließen sie bei ihren grandiosen Festlichkeiten Hunderte von Stieglitzen in die Halle fliegen, die dann über den Köpfen der Gäste trillerten und flatterten. (Zwei Dutzend zusätzliche Dienstmädchen begleiteten die Vögel, und ihre einzige Aufgabe an dem entsprechenden Abend bestand darin, die kleinen Flecken Vogelkot aufzuwischen, sobald diese auf dem Marmorfußboden erschienen; anscheinend hatte selbst die Macht der Goldbaums ihre Grenzen.) Dennoch geschah wenig in der Hauptstadt oder außerhalb ohne der Goldbaums Zustimmung und noch weniger ohne ihr Wissen. Der Kaiser selbst verabscheute und ertrug die Goldbaums wie schlechtes Wetter. Nichts anderes blieb ihm übrig. Er war ihr Schuldner.

Das Palais in der Heugasse war bloß das Erscheinungsbild ihres Einflusses. Die wahre Quelle ihres Reichtums war ein kleines, unscheinbares Gebäude an der Ringstraße. Hinter der schwarzen Tür lag das Haus des Goldes: die österreichische Niederlassung der Familienbank. Die Goldbaum-Männer waren Bankiers, während die Goldbaum-Frauen Goldbaum-Männer heirateten und Goldbaum-Kinder zur Welt brachten. Allerdings betrachtete die Familie sich nicht nur als eine Bankiers-Dynastie, sondern auch als eine Sammler-Dynastie.

Die Goldbaums sammelten gern schöne Dinge; kostbare Louis-quatorze-Möbel, Gemälde von Rembrandt, Da Vinci und Vermeer und dann auch die großen Herrenhäuser, Schlösser und Burgen, um sie unterzubringen. Sie sammelten Schmuck, Fabergé-Eier, Autos, Rennpferde und die Schulden von Premierministern.

Greta Goldbaum folgte dieser Familientradition: Sie sammelte Ärger und Ungemach. Das war der Charakterzug, den Otto Goldbaum an seiner Schwester am meisten schätzte. Vor ihrer Ankunft hatte seine Mutter das Kinderzimmer besucht, sich, in anderen Umständen befindlich, auf einem Stuhl niedergelassen, der eigens für diesen Zweck reserviert worden war, und ihm mit Hilfe seines Lieblingskindermädchens erklärt, dass er in wenigen Wochen Gesellschaft von einem kleinen Bruder oder einer kleinen Schwester erhalten würde. Sie tranken heiße Schokolade aus winzigen Porzellantassen, die mit dem Familienwappen in vierundzwanzigkarätigem Gold verziert waren, und knabberten winzige Stückchen Sachertorte mit kleinen blaurosa Krönchen, die eigens aus dem Grandhotel herbeigeschafft worden war. Schweigend lauschte Otto und betrachtete mit einigem Misstrauen, wie sich der gewaltige Bauch der Baronin hob und senkte. Aber als vier Wochen später Greta mit ihrem eigenen Gefolge von Kindermädchen in gestärkten Blusen im Kinderzimmer erschien, war er in keiner Weise pikiert. Zum ersten Mal in seinen drei Lebensjahren hatte Otto eine Verbündete. Greta schien ganz gewiss sehr viel mehr zu ihm zu gehören als zu den Eltern, die unten wohnten. Die Baronin galt als äußerst engagierte Mutter, weil sie das neue Baby beinahe jeden Tag besuchte, während Otto immer noch mindestens zweimal die Woche zum Mittagessen mit dem Baron und der Baronin geholt wurde. Er lauschte durch die Wände auf das Schreien und Krächzen seiner Schwester, und wenn die Kindermädchen schliefen, schlich er hinein, um sich auf den Boden ihres Zimmers zu legen. Er tat dies so oft, dass die Kindermädchen es schließlich aufgaben, ihn entweder auszuschimpfen oder in sein eigenes Bett zurückzutragen, und ihm stattdessen neben Gretas Krippe ein kleines Kinderbett aufstellten.

Greta war nicht gerade der Liebling der Kindermädchen. Es gelang ihnen nie, sie für die Besuche ihrer Mutter hübsch zu machen. Gretas Haare lagen nicht wie Ottos flach am Kopf an, sondern standen immer in wirren Locken ab. Die kahle Stelle am Hinterkopf, wie die runde Tonsur eines Mönches, wuchs erst zu, als Greta schon beinahe zwei Jahre alt war. Sie war fast immer erkältet. Als sie älter wurde, sagten die Kindermädchen gern zu ihr: «Wenn du keine Goldbaum wärst, würde man dir ordentlich den Hintern versohlen.» Greta sagte zu Otto, dass sie in diesem Falle schrecklich froh darüber sei, eine Goldbaum zu sein, dass ihr aber all die Kinder furchtbar leidtäten, die das nicht waren, da es ihr so vorkam, als würden sie viel Zeit damit verbringen müssen, Schläge einzustecken wegen lauter Bagatellen (Seife im Kinderzimmer-Kamin zu schmelzen, um Knetmasse herzustellen; unerwünschtes Essen im Spielzeugschrank zu verstecken, bis es Wochen später in entsprechendem Zustand entdeckt wird; den Sattel vom Schaukelpferd zu entfernen und ihn Papas Lieblingsbluthund aufzulegen und darauf um die Tulpenbeete zu reiten). Häufig wurde sie ohne Abendessen, nur mit Brot und Milch, ins Bett geschickt. Aber das war ihr ganz egal. Sie hatte ja Otto.

Er war vom Wesen her das Gegenteil seiner Schwester. Wo Greta impulsiv reagierte, war Otto vorsichtig. Sie redete, er hörte zu. Sein Haar lag perfekt an, der Scheitel war makellos gezogen. Während Greta dauernd in Bewegung war, besaß Otto eine Ruhe, die seine Mitmenschen oft irritierte, obwohl er sich durchaus nicht für still hielt, da seine Gedanken immer so laut waren, sein Geist stets rastlos und beschäftigt. Otto brauchte einige Zeit, um zu einer Entscheidung zu kommen, aber wenn er sie einmal getroffen hatte, dann handelte er entschlossen. Er war durchschnittlich groß und schlank, aber er focht und boxte geschickt, trainierte gern und stellte sich ebenso gern auf die Taktik seiner Gegner ein. Er fand, beide Sportarten vereinten genau die richtige Mischung aus Brutalität und Eleganz.

In dem Maße, in dem Greta größer wurde, wuchs auch der Ärger mit ihr. Sie lieh sich Ottos Kleidung aus und verschwand zu einem Picknick am Fluss, wo man sie dabei entdeckte, wie sie sich mit zwei Leutnants einen Zigarillo teilte. Sie überredete Otto, sie mit zur Universität zu nehmen, sodass sie sich eine Astronomie-Vorlesung anhören konnte, die er besuchte. Otto kam zum Schluss, dass sie in ihrem hellblauen Mantel und Hut wie ein Paradiesvogel aussah, der unter lauter Drosseln saß, so wie sie da mitten unter hundert Männern in braunen und grauen Anzügen hockte. Er fragte sie, ob ihr die Vorlesung gefallen habe. «Ganz wunderbar. Hab kein Wort verstanden.» Eine Woche lang ging sie jeden Tag mit und sagte, es helfe ihr, prächtig zu schlafen. Sie organisierte sich heimlichen Trompetenunterricht und spielte schon ziemlich gut, bevor die Baronin es herausfand und die Sache unterband. Klavier, Harfe und im Notfall auch die Geige galten als hinreichend sittsam. Blasinstrumente allerdings waren verrufen; diese ganze Arbeit mit dem Mundstück; schon bei dem Wort wurde die Baronin rot. Doch als Otto ein spontanes Interesse an der Trompete entwickelte, wurde ein neuer Lehrer engagiert. Otto teilte seine Unterrichtsstunden verstohlen mit der Schwester. Dennoch verlor Greta bald das Interesse. Trompete zu üben machte nur Spaß, wenn es verboten war. Otto akzeptierte, dass es eine seiner Aufgaben im Leben war, seiner Schwester aus allerlei Unbill wieder herauszuhelfen. Seit zwanzig Jahren war das nun schon eine Quelle von Stolz und Vergnügen für ihn, und nur gelegentlich auch von Verärgerung.

 

Wenn irgendjemand Greta gefragt hätte, ob sie Albert Goldbaum heiraten wolle, hätte sie nein gesagt, natürlich nicht. Aber es fragte sie niemand. Nicht einmal ihre Mutter. Man fragte sie alles Mögliche andere. Welche Blumen sie gern in ihrem Brautstrauß hätte. Rosen oder Lilien? Wollte sie zehn Brautjungfern oder zwölf? Greta hatte geantwortet, dass ihr die Anzahl der Brautjungfern herzlich egal sei. Ihr einziger Wunsch war eine Reihe von Dienern mit weißen Regenschirmen. Ihre Mutter hielt einen Moment inne. «Und wenn es nicht regnen wird?» - «Natürlich wird es regnen», hatte Greta geantwortet. «Ich fahre schließlich nach England.»

Greta wusste, dass Baronin Emmeline von der Vorstellung gequält wurde, unpassend gekleidet zu erscheinen. Drei Mäntel ließ sie anfertigen, die alle zu Gretas Hochzeitskleid passen sollten: ein Pelzmantel aus Polarfuchs, ein Mantel aus feinster Lammwolle und ein weiterer aus Seide und Spitze. Die Baronin vertrat entschieden die Meinung, dass eine Dame immer eine Wahl haben und auf Unerwartetes vorbereitet sein solle, wenigstens in Hinblick auf ihre Garderobe....
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Autor

Natasha Solomons wurde 1980 geboren. Sie lebt mit ihrer Familie in Dorset, wo sie gemeinsam mit ihrem Mann als Drehbuchautorin arbeitet. Ihre Bücher wurden in sechzehn Sprachen übersetzt. "Das goldene Palais" ist ihr fünfter Roman. Martin Ruben Becker, lebt als Übersetzer in München und hat u.a Bücher von Joseph Luzzi, Robert Goolrick, Favell Lee Mortimer und David Bergen übersetzt.