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Frauen leisten Widerstand: 1933-1945

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
292 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am28.12.20181. Auflage
In spannenden Lebensgeschichten begegnen uns Frauen, die sich dem Naziterror nicht beugten. Mit großer Offenheit schildern sie, wie sie zum Widerstand kamen, welchen Grausamkeiten und Verfolgungen sie ausgeliefert waren, aber auch, wieviel Anteilnahme und Solidarität sie erlebten. Ihre Schicksale erschüttern und machen zugleich Mut. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Gerda Szepansky, geboren 1925, arbeitete als Journalistin, Lehrerin, Schauspielerin in Kabarett und freier Theatergruppe und lebte als freie Autorin in Berlin. Sie war verheiratet und hatte vier Kinder. Sie veröffentlichte ?»Der erste Schritt«. Erzählungen? (Berlin 1978) und Kurzprosa u. a. in ?FrauenBilderLesebuch? (Berlin 1980), ?Mutigsein - KinderBilderLesebuch? (Berlin 1981), ?Stadtansichten? (Berlin 1980 und 1982). In der Reihe Die Frau in der Gesellschaft erschienen ihre Bücher ?»Blitzmädel«, »Heldenmutter«, »Kriegerwitwe«. Frauenleben im Zweiten Weltkrieg? und »Die stille Emanzipation. Frauen in der DDR«. Gerda Szepansky starb 2004.
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Produkt

KlappentextIn spannenden Lebensgeschichten begegnen uns Frauen, die sich dem Naziterror nicht beugten. Mit großer Offenheit schildern sie, wie sie zum Widerstand kamen, welchen Grausamkeiten und Verfolgungen sie ausgeliefert waren, aber auch, wieviel Anteilnahme und Solidarität sie erlebten. Ihre Schicksale erschüttern und machen zugleich Mut. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Gerda Szepansky, geboren 1925, arbeitete als Journalistin, Lehrerin, Schauspielerin in Kabarett und freier Theatergruppe und lebte als freie Autorin in Berlin. Sie war verheiratet und hatte vier Kinder. Sie veröffentlichte ?»Der erste Schritt«. Erzählungen? (Berlin 1978) und Kurzprosa u. a. in ?FrauenBilderLesebuch? (Berlin 1980), ?Mutigsein - KinderBilderLesebuch? (Berlin 1981), ?Stadtansichten? (Berlin 1980 und 1982). In der Reihe Die Frau in der Gesellschaft erschienen ihre Bücher ?»Blitzmädel«, »Heldenmutter«, »Kriegerwitwe«. Frauenleben im Zweiten Weltkrieg? und »Die stille Emanzipation. Frauen in der DDR«. Gerda Szepansky starb 2004.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783105622490
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum28.12.2018
Auflage1. Auflage
Seiten292 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.4074067
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Vorwort


Das letzte Gedicht

Freiheit, wann wirst du auferstehn
aus dem großen Leid der Zeit?

Wann werden die Verführten steigen
aus dem Abgrund und sich neigen
vor den Opfern dieser Zwischenwelt?

Maria Günzl

Geschrieben im Kreisgefängnis Leitmeritz 1944/45 nach Verkündung des Todesurteils.


Während der Zeit, in der ich dieses Buch schrieb, habe ich mehr als ein Dutzend Leben gelebt, habe die Träume von Angst und Verfolgung geträumt, den Schmerz um die Freundin, den Mann, das Kind, die Mutter gefühlt und den endlichen Triumph über die Peiniger mitgekostet.

In fremden Leben war ich zu Hause. Das begann, wenn ich, den kleinen Kassettenrecorder in der Tasche, die Schwelle der unbekannten Wohnung betrat, und endete nicht, wenn ich mit drei oder vier vollbesprochenen Kassetten heimkam. Dann folgte die lange Arbeit des Anhörens, Überdenkens, Ordnens, Herausarbeitens von Wichtigem, oft nur so nebenbei gesagt, des Aufschreibens und Nachfragens. Nach zwei-, drei-, viermaligem Besuch wurde mir meine Interviewpartnerin immer vertrauter, bekannt in ihren unverwechselbaren Eigenheiten.

Jede arbeitete tätig an ihrer Lebensgeschichte mit. Die Manuskripte gingen hin und her, wurden mit großer Ernsthaftigkeit auf die korrekte Wiedergabe des Erzählten überprüft. Mein Bemühen war, die Individualität weitgehend zu erhalten. Ich lese die Geschichte von Erna oder Maria, und plötzlich höre ich den Tonfall ihrer Stimme, die Art, wie sie spricht, wie sie ihre Worte wählt. Dann bin ich zufrieden, daß diese Geschichte, die unter großen Mühen und Aufwand an Zeit und Kraft gleichsam durch mich hindurchging, wieder zu der Person, der sie gehört, zurückgekehrt ist. Ich wäre glücklich, wenn sich den Lesern davon etwas mitteilte.

1945 war ich neunzehn Jahre alt, habe meine Jugend also im Dritten Reich erlebt. Ich komme aus einer Arbeiterfamilie, deren Grundeinstellung antinazistisch war. Ich hatte mit politisch Verfolgten zu tun. Auch der Mann, den ich 1947 geheiratet habe, mußte die besten Jahre seines Lebens in der Emigration, im Gefängnis und Konzentrationslager verbringen. Die totale Verdrängung der braunen Vergangenheit in den fünfziger und sechziger Jahren bedrückte mich sehr. Wie gering war der Informationsfluß, auch in der Familie, weil Großeltern und Eltern nicht mit ihren Kindern darüber sprachen. Als Mitte der siebziger Jahre das gesellschaftliche Interesse an diesem dunklen Kapitel deutscher Vergangenheit wach wurde, eine neue Generation plötzlich Fragen stellte, rückte das Thema Widerstandskampf in den Blickpunkt.

Ich meinte, daß zunächst von den Frauen, die wie an allen gesellschaftlichen Bewegungen auch an dieser ihren Anteil hatten, zu wenig die Rede war. Ich suchte und fand Frauen, die in den Jahren 1933-1945 in irgendeiner Form Widerstand gegen das nazistische Herrschaftssystem geleistet haben und deren weiteres Leben durch diese Haltung entscheidend geprägt wurde. Diese Frauen, heute meist siebzig oder achtzig Jahre alt, leben ihr nicht besonders kenntliches, alltägliches Leben im Haus nebenan. Noch sind sie unter uns. Ihre Lebens- und Kampferfahrungen abzufragen, fand ich wichtig. Sie dienen zum Verständnis der jüngsten Vergangenheit, machen sie durch Konkretheit, durch Anschaulichkeit der Details nachvollziehbar. Diese Frauen können Vorbilder bieten für die heutige Zeit, in der sich viele der allumfassenden Angepaßtheit entziehen wollen. Sie waren die Unangepaßten, denn sie handelten gegen das Rollenschema, das die nationalsozialistische Führung ihnen zuwies, nämlich Heimchen am Herd, fügsame Frau und duldende Mutter, emsige Rüstungsarbeiterin zu sein. Gegen die totale Entmündigung der Frau gingen sie in den Widerstand, setzten sie ihr Eintreten für gesellschaftliche Belange.

Die Frage taucht auf, wie ich denn die Frauen gefunden habe, mit ihnen bekannt geworden bin. Ja, wie? Ich sehe das Bild einer langen Kette mit aufgereihten Perlen vor mir. Als ich die erste in der Hand hielt, konnte ich nacheinander ohne Mühe die zweite, dritte, vierte und weitere erfassen. Wieviel diese Kette wohl noch enthält, nachdem ich aufgehört habe, sie durch meine Finger gleiten zu lassen, ich weiß es nicht. Jede einzelne der Interviewten kennt viele der ehemaligen Mitkämpferinnen, Mithandelnden, Mitleidenden, ist für immer mit ihnen verbunden, hinweg über alle Verschiedenheit des Charakters und der Weltanschauung.

Ich hoffe, daß das Buch einen Eindruck von der Breite des antifaschistischen Frauenwiderstands vermittelt. Breite meine ich in Hinsicht auf die unterschiedliche Herkunft der Frauen und ihre Motivation. Frauen, die in Arbeiterfamilien unter Not und Sorgen groß wurden oder auch im kleinen Angestelltenmilieu, die in wohlbeschützten bürgerlichen Verhältnissen aufwuchsen oder auf gräflichen Gütern eine unbeschwerte Jugend verlebten, sie alle haben Widerstand geleistet. In diesem Punkt trafen sie sich. Zwar ist er ein sehr wichtiger Teil, aber eben nur ein Teil ihres Lebens gewesen. Der Ausruf: »Aber das war doch nicht mein ganzes Leben!« veranlaßt mich, darauf hinzuweisen, daß die Lebensgeschichten eben unter dem Aspekt des Widerstands von 1933-1945 zu betrachten sind.

Lange hat mich die Frage der Motivation zum Widerstand beschäftigt. Sicher bestimmte die Herkunft bei den meisten die Bahn ihrer gesellschaftspolitischen Entwicklung und gab damit auch den Rahmen für ihre Widerstandshandlung ab. Die in den Arbeiterparteien organisierten Frauen erkannten aufgrund ihres politischen Wissens, daß der Faschismus Deutschland in den Krieg und in die Katastrophe führen wird. Das wollten sie verhindern. Daneben stand die solidarische Pflicht, den Genossen zu helfen, sich untereinander beizustehen. Die Partei ist ja nichts Abstraktes, das sind auch immer die anderen, die Gleichgesinnten, die Kampfgefährten, die man nicht im Stich lassen durfte. Ebenso handelten die Christinnen nach dem Gebot der Nächstenliebe, dem sie sich verpflichtet fühlten.

Ausschlaggebend waren die menschlichen Beziehungen. Der größte Teil der Frauen leistete einfach humanitären Widerstand, half den zumeist Leidenden und am stärksten Gefährdeten, den jüdischen Mitmenschen. Wer den jüdischen Freund, Mann, Geliebten versteckte, tat es aus scheinbar persönlichen Motiven. Aber auch dies konnte man nur, wenn man überhaupt gegen die Nazis war. Wie viele beugten sich dem herrschenden Rassenwahn und trennten sich von ihrem jüdischen Lebenspartner.

Die Entscheidung zum Widerstand setzte vor allem ein bestimmtes Maß an Charakterstärke und moralischem Anspruch voraus. »Wenn man erst einmal darüber nachgedacht hatte, konnte man nicht mehr zurück.« - »Ich sah das alles, und da konnte ich nicht mehr so tun, als wenn nichts ist, und in der bisherigen Weise weiterleben.« - »Man weiß, worum es geht, dann fühlt man sich eben verpflichtet zu handeln.« Es war die Entscheidung, Unrecht nicht länger zu dulden, Unrecht, das ihnen als ein persönliches entgegentrat, aber ein gesellschaftliches war.

Widerstand gegen den braunen Staatsterror zu leisten, erforderte unheimlich viel Mut, denke ich. Woher konnte man ihn nehmen? Sicher aus der Erkenntnis, das Richtige zu tun. Oder er erwuchs im Handeln, aus der Solidarität, der Kameradschaft, dem Gefühl, nicht allein zu sein, der Gewißheit, viele namenlose Mitkämpfer nicht nur im eigenen Land, sondern in ganz Europa zu haben. Ich sehe sie vor mir: die resolute Kläre, die temperamentvolle Erna, die besonnene Helene, die zurückhaltende Rosel und die anderen. Ihnen allen war eigen, sich nicht aufzugeben, auch nicht in der aussichtslosesten Minute, nicht unter den schwersten Bedingungen.

Manchmal schien es mir, als ob die Erinnerungen geradezu bereitlagen, abgefragt zu werden. Erstaunlich die Präzision der Aussagen, die Genauigkeit bestimmter Einzelheiten, die ich im Gespräch ins Gedächtnis zurückrufen konnte. Wieviel Zeit ist seitdem vergangen! Wären diese Ereignisse nicht so gravierend gewesen, die Erinnerungsspuren hätten sich längst verflüchtigt. Erna L. sagt: »Ich habe Einzelheiten vergessen, z.B. weiß ich nicht mehr, wie viele Betten auf meinem Block (KZ Ravensbrück) waren. Ich fand es auch damals nicht wichtig. Aber was die Frauen erleiden mußten und wie auf meinem Block gekämpft wurde, davon habe ich nichts vergessen.«

Eines möchte ich ganz deutlich machen: Dies ist kein Buch, in dem historische Fakten im Vordergrund stehen, sondern subjektiv erlebte Geschichte. Die Sicht auf die Ereignisse ist immer individuell gefärbt. Und doch ergibt sich ein aus vielen Facetten zusammengesetztes farbiges Bild des Kampfes gegen das Naziregime. Wenn auch immer ein Rest des Unsagbaren bleiben wird. »Kein Film, kein Buch, nichts kann bis ins letzte wiedergeben, wie es war.« Diesen Satz hörte ich mehrmals.

Vor mir steht die Frage: Wie haben die weitergelebt, die durch die Hölle gegangen sind? Sie können nicht unbeschadet davongekommen sein. Und ich meine nicht die vielfältigen körperlichen Beschädigungen, die sie erlitten haben, sondern jene, die sich immer noch in nächtlichen Träumen manifestieren. »Ich wünsche mir nur, daß in der Stunde meines Todes nicht diese schrecklichen Bilder vor mir stehen.«

Aber sie sind nicht Opfer gewesen und betrachten sich keinesfalls so. Sie fühlen sich als Siegerinnen. Daran ändert auch nichts, daß ihnen die gesellschaftliche Anerkennung versagt blieb, die die ausländischen Kampfgefährtinnen in ihren Ländern genießen, und daß die Zeit nach 1945 anders aussah, als sie es sich für eine antifaschistische, demokratische...
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Autor

Gerda Szepansky, geboren 1925, arbeitete als Journalistin, Lehrerin, Schauspielerin in Kabarett und freier Theatergruppe und lebte als freie Autorin in Berlin. Sie war verheiratet und hatte vier Kinder. Sie veröffentlichte >»Der erste Schritt«. ErzählungenFrauenBilderLesebuchMutigsein - KinderBilderLesebuchStadtansichten»Blitzmädel«, »Heldenmutter«, »Kriegerwitwe«. Frauenleben im Zweiten Weltkrieg
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Szepansky, Gerda