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Ein Leben und eine Nacht

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
320 Seiten
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am20.08.20191. Auflage
Ich bin hier um mich zu erinnern... ...an alles, was ich gewesen bin, und alles, was ich nie wieder sein werde.' In einer irischen Kleinstadt sitzt Maurice Hannigan, 84 Jahre alt, an einer Hotelbar und blickt auf sein Leben zurück. Dies ist keine gewöhnliche Nacht. Fünf Mal wird er im Lauf des Abends sein Glas erheben, um auf die Menschen anzustoßen, die ihm am meisten bedeutet haben. Der Mann, der seinen Gefühlen kaum Ausdruck verleihen konnte, erzählt in dieser Nacht von Momenten der Freude und des Zweifels, von verpassten Chancen und der Tragödie seines Lebens, die er vor allen verborgen hielt... Ein Roman über Liebe und Verlust.Traurig und tröstend zugleich hallt die Stimme seines Helden noch lange nach.

Anne Griffin ist eine irische Schriftstellerin. Sie erhielt für ihre Kurzgeschichten den John McGahern Award for Literature, außerdem stand sie u.a. auf der Shortlist für den Hennessy New Irish Writing Award und den Sunday Business Post Short Story Award.Ihr Romandebüt, 'Ein Leben und eine Nacht', wurde in zahlreiche Länder verkauft, u. a. in die USA, nach Kanada, Frankreich und Holland, und stand auf Platz 1 der irischen Bestsellerliste. Anne Griffin lebt in Irland.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextIch bin hier um mich zu erinnern... ...an alles, was ich gewesen bin, und alles, was ich nie wieder sein werde.' In einer irischen Kleinstadt sitzt Maurice Hannigan, 84 Jahre alt, an einer Hotelbar und blickt auf sein Leben zurück. Dies ist keine gewöhnliche Nacht. Fünf Mal wird er im Lauf des Abends sein Glas erheben, um auf die Menschen anzustoßen, die ihm am meisten bedeutet haben. Der Mann, der seinen Gefühlen kaum Ausdruck verleihen konnte, erzählt in dieser Nacht von Momenten der Freude und des Zweifels, von verpassten Chancen und der Tragödie seines Lebens, die er vor allen verborgen hielt... Ein Roman über Liebe und Verlust.Traurig und tröstend zugleich hallt die Stimme seines Helden noch lange nach.

Anne Griffin ist eine irische Schriftstellerin. Sie erhielt für ihre Kurzgeschichten den John McGahern Award for Literature, außerdem stand sie u.a. auf der Shortlist für den Hennessy New Irish Writing Award und den Sunday Business Post Short Story Award.Ihr Romandebüt, 'Ein Leben und eine Nacht', wurde in zahlreiche Länder verkauft, u. a. in die USA, nach Kanada, Frankreich und Holland, und stand auf Platz 1 der irischen Bestsellerliste. Anne Griffin lebt in Irland.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644300385
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum20.08.2019
Auflage1. Auflage
Seiten320 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1252 Kbytes
Artikel-Nr.4416277
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Zweites Kapitel

19:05 Uhr
Erster Toast: Auf Tony
Eine Flasche Stout


Draußen im Foyer ist Unruhe. Sieht so aus, als würden die Jungs in ihrem Sonntagsstaat allmählich eintreffen. Ich werde diesen Ort nicht mehr allzu lange für mich allein haben.

«Noch ein Stout für mich», sage ich zu Swetlana, die aussieht, als hätte sie gerade einen Anfall von Mein-erster-Abend-Nervosität. «Halten Sie mir den Platz frei. Passen Sie auf, dass ihn mir nicht einer von denen da wegnimmt. Bester Platz im ganzen Haus.»

Zeit für kleine Jungs. Einer der Vorteile davon, vierundachtzig zu sein, ist, dass man seine Beine regelmäßig trainiert, weil man so oft auf die Toilette muss.

«In der Flasche, ja?», fragt sie, während ich lostrabe.

«Na, Sie wissen ja schon Bescheid», rufe ich ihr zu und lasse nichts von meiner Sorge erkennen, dass ich mich vielleicht schon ein bisschen zu spät auf den Weg gemacht habe. «Hauptsache, es ist noch alles drin, wenn ich zurückkomme. Und nicht aus dem Kühlschrank», sage ich und nehme Fahrt auf.

«Eine von denen hier?», sagt sie und hält mich in meiner Flucht auf.

Merkt sie denn nicht, in welcher Gefahr ich bin?

«Jawohl», sage ich und marschiere wieder los.

«Mit Glas?»

Gütiger Himmel.

«Nein, stecken Sie einfach einen Strohhalm rein», rufe ich ihr zu.

«Ist Scherz, oder?»

Ich winke ihr zu, während ich aus ihrem Blickfeld verschwinde.

 

Wir waren vier Kinder in meiner Familie. Ziemlich wenige für jene Zeit in Irland damals. Es gab Familien mit neun, zehn oder mehr Kindern überall um uns herum. Wir müssen seltsam gewirkt haben. Zwei Erwachsene und vier halbe Portionen in einem Zwei-Zimmer-Cottage. Beinahe ein Luxus. Tony war der Älteste, dann waren da noch May und Jenny und ich, der Jüngste. Ein Jahr, vielleicht zwei, lagen jeweils zwischen uns.

Deinen Onkel Tony hast du nie kennengelernt. Als du auf die Welt kamst, war er schon lange tot. Großer Mann - so hat er mich immer genannt. Stimmt schon, das bin ich geworden, eins neunundachtzig und breit wie ein Schrank. Aber damals, als ich den Spitznamen bekam, war ich weit davon entfernt. Mit vier war ich ein Winzling, verglichen mit ihm, der ein Riese war, jedenfalls in meinen Augen. Ich stelle mir meine kleinen Schritte neben seinen großen auf der Straße oder auf der Farm vor. Ich war immer am Rennen, um aufzuholen, ein Schritt von ihm waren bestimmt drei kleine Hüpfer von mir. Die ganze Zeit plauderte er mit mir, redete über die Hennen, die wir fütterten, oder die Mohrrüben, die wir in Mamas kleinem Garten pflanzten, oder die Gräben, die wir säuberten. Er liebte das Land genauso wie mein Vater. Und ich sah immer zu ihm auf, versuchte, nicht zu stolpern, während ich alles in mich aufnahm, versuchte, so gut es ging, alles im Gedächtnis zu behalten, ihm zu zeigen, dass ich das alles auch konnte, weil ich sein Lob so genoss.

«Jetzt hast du´s kapiert», sagte er zum Beispiel, «du bist doch schon ein großer Mann!»

Obwohl ich mir alle Mühe gab, mit ihm Schritt zu halten, fiel ich irgendwann unweigerlich hin oder zog mir eine Verletzung zu, wenn ich etwa Eimer zu tragen versuchte, die viel zu schwer für mich waren, aber ich trotzdem darauf bestand, bloß um so zu sein wie er. Dann kam er zu mir zurück und hockte sich neben mich.

«Bis du das zweite Mal heiratest, hast du es drauf», höre ich ihn sagen, während er mich abklopft, mich vielleicht in den Arm nimmt, mir dann etwas Leichteres zu tragen gibt und für eine Weile seinen Schritt verlangsamt. Du würdest denken, dass er viel älter gewesen sein muss als ich, so wie er sich um mich gekümmert hat. Dabei lagen bloß fünf Jahre zwischen uns.

Ich hätte ihn bis in den Abend hinein begleitet, hätte man mich gelassen. Aber irgendwann kam meine Mutter und holte mich ins Haus.

«Ich bin auch bald wieder zurück», sagte Tony, wenn ich protestierte, weil sie mich wegtrug. Ich streckte meine Hände nach ihm aus und versuchte, nicht zu weinen, damit er nicht sah, was für ein Baby ich war. Und schau mich jetzt mal an, ich habe immer noch mit den Tränen zu kämpfen, wenn ich nur dran denke.

Ich wartete dann in der Küche am Fenster auf ihn. Kletterte immer wieder auf die Bank und wieder herunter, auch wenn Mam mit mir schimpfte, bis mein Vater und er schließlich ihr Tagespensum absolviert hatten.

Ich erinnere mich, wie Pater Molloy uns einmal besucht hat. Wie alle Erwachsenen war er neugierig zu erfahren, was ich denn einmal werden wollte, wenn ich groß wäre. Mir kam das wie eine seltsame Art von Frage vor, ich meinte, die Antwort war doch so verdammt offenkundig: «Tony.»

Ich konnte nicht herausfinden, warum meine Eltern und er so dermaßen über meine Antwort lachten. Ich verließ die Küche und ließ sie da allein mit ihrem Spaß auf meine Kosten und dem guten Porzellan.

Der Name «großer Mann» blieb seit unserer Schulzeit an mir haften. Tony war schon ein paar Jahre lang jeden Tag die halbe Meile zu der einräumigen Schule gelaufen, als ich mich ihm anschloss. Rainsford National School - das stand in dem Bogen über der Tür zu lesen, wie Tony mir erklärte, als ich an meinem ersten Tag stolz darunter hindurchging. Auf dem ganzen Weg dahin war ich vollkommen nervös gewesen bei dem Gedanken daran, wie aufregend das alles sein würde, weil alle Kinder um uns herum an einem Ort versammelt wären. Ich glaube nicht, dass ich die Nacht davor auch nur ein Auge zugedrückt habe.

«Tony», flüsterte ich ihm zu, der neben mir im Bett lag. Ich wollte Jenny und Ma nicht wecken, die hinterm Vorhang schliefen, der das Zimmer teilte. «Geht Patrick Stanley auch auf diese Schule?»

«Natürlich tut er das.»

«Und Mary und Joe Brady?»

«Sicher, in welche andere Schule sollten sie denn gehen?»

«Und Jenny und May?»

«Jetzt hör mal auf mit dem Gequatsche und schlaf, oder wir werden morgen nirgendwo hingehen», sagte er und stupste mich mit dem Ellbogen an.

Am nächsten Morgen war ich als Erster auf und stellte die gleichen Fragen alle noch mal. An jenem Tag lief ich buchstäblich in Tonys Schuhen. In seinen aufgetragenen Schuhen. Ich habe keine Ahnung, wessen Schuhe er wiederum erhalten hat. Ich ging also durch die Schultür und starrte voller Ehrfurcht auf den Ort, der mich so klug machen würde wie meinen großen Bruder.

«Na, wen haben wir denn hier?», dröhnte eine Stimme, als ich eintrat. «Noch ein Hannigan? Komm mal her, lass dich mal anschauen.»

Master Duggan hob mich hoch, auf einen Schultisch vorn im Raum.

«Jetzt schau dir mal an, wie groß du bist, ein richtig großer Mann, was? Ich hoffe, wir haben einen Tisch, der groß genug ist, damit du dahinterpasst, und für all das Hirn, das du da in deinem Kopf hast.»

Von dem Moment an war ich der «große Mann».

Ich strahlte, stolz über diesen Willkommensgruß. Ich sah, wie Tony lachte und seinen Kumpel mit dem Ellbogen anstupste. Ich blickte auf die Tische, die Tafel und die paar Bücher hinter mir auf dem Lehrertisch und verspürte eine Wärme für diesen Ort und die Dinge, die jetzt ein Teil meiner Welt waren. Ich war begierig, damit anzufangen, dem Lehrer zu beweisen, dass er recht hatte. Und gleich darauf saß ich genau an dem Tisch, auf dem ich vorher gestanden hatte.

Während der nächsten Tage malte der Lehrer alles Mögliche an die Tafel. Wir sangen das ABC, aber ich hatte keine Ahnung, dass das, was wir reimten, irgendetwas mit dem zu tun hatte, was er dort mit der weißen Kreide aufgemalt hatte. Zunächst störte es mich nicht allzu sehr, dass es sich außer meiner Reichweite anfühlte, während die anderen, selbst Joe Brady, der drei Monate jünger war als ich, schließlich auf den Trichter zu kommen schienen.

Das Einzige, was ich wirklich liebte und was mich dazu brachte, jeden Morgen diese Straße entlangzurennen, war das Fußballspiel. In der Pause krempelte der Lehrer die Ärmel auf und bückte sich erwartungsvoll zwischen den Torpfosten, die aus Pullovern gebildet wurden. Und wenn dann nichts in seine Richtung flog, rannte er zwischen ihnen hin und her und rief: «Schießt jetzt mal einer das Ding?»

«Deck ihn, deck ihn.»

«Zu mir, Mann!»

Die Mädchen spielten mit einem Springseil draußen vor der Hintertür, wo der Ball sie nicht treffen konnte. Ihr Gelächter und das Schimpfen über Patzer drangen an mein Ohr, während ich schweißüberströmt und vollkommen begeistert über den Hof rannte. Davor hatte ich nicht viel Fußball gespielt. Zu Hause hatten wir Hurling-Schläger, Fußball war das Spiel des Lehrers. Dafür gab ich einfach alles. Ging robust in die Zweikämpfe. Hatte keine Angst, auch nicht vor Größeren. Und wenn Tony den Ball hatte, dann klebte ich an ihm, ging ihn mit Händen und Füßen an, zerrte an allem, was ich von ihm zu fassen kriegte.

«Hörst du mal auf damit?», lachte er. Er war wie King Kong, der nach diesen Flugzeugen schlägt. Hielt mich mit der Hand an meiner Stirn auf Abstand, der Mistkerl, auf eine Armlänge von ihm weg, sodass ich nicht an ihn herankam. Ich ruderte dennoch mit den Armen. Ich stürzte, hundertundein Mal. Blut und blaue Flecken. Aber das hatte überhaupt keine Folgen, dämpfte keineswegs meinen Enthusiasmus.

«Gut gemacht, Hannigan! Und wieder auf die Beine. Das ist die richtige Einstellung», rief der Lehrer vom Tor aus.

Ich konnte von seiner Ermunterung da draußen auf unserem provisorischen Spielfeld gar nicht genug bekommen. Eine willkommene Abwechslung zu seinem Schweigen und seiner Frustration über meine Leistungen im Klassenzimmer. Kein noch so häufiger Hinweis von ihm, welcher Buchstabe...
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Autor

Anne Griffin ist eine irische Schriftstellerin. Sie erhielt für ihre Kurzgeschichten den John McGahern Award for Literature, außerdem stand sie u.a. auf der Shortlist für den Hennessy New Irish Writing Award und den Sunday Business Post Short Story Award.Ihr Romandebüt, "Ein Leben und eine Nacht", wurde in zahlreiche Länder verkauft, u. a. in die USA, nach Kanada, Frankreich und Holland, und stand auf Platz 1 der irischen Bestsellerliste. Anne Griffin lebt in Irland.Martin Ruben Becker, lebt als Übersetzer in München und hat u.a Bücher von Joseph Luzzi, Robert Goolrick, Favell Lee Mortimer und David Bergen übersetzt.