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Wir sind fünf

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
256 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am31.08.2020
In der Nähe von Oslo in einem kleinen Ort namens Råset führt Tormod Blystad mit seiner Frau und seinen zwei Kindern ein beschauliches Leben. Nach einer wilden Jugend ist aus Tormod ein verlässlicher Vater und Ehemann geworden. Aber in jeder Familie gibt es eine Lücke, die gefüllt werden muss. So kommt die kleine Hündin Snusken auf den Hof. Die Kinder lieben das Tier sehr, doch eines Tages verschwindet Snusken spurlos. Um seine Kinder zu trösten, mischt Tormod in seiner Werkstatt aus verschiedenen Zutaten ein Ersatzwesen aus Lehm - und fordert damit Kräfte heraus, deren Reichweite er nicht einmal erahnen kann.

Matias Faldbakken, 1973 geboren, lebt als bildender Künstler in Oslo. 2003 erschien sein aufsehenerregender Debütroman »The Cocka Hola Company«, der Auftakt der Skandinavische-Misanthropen-Trilogie, die mit »Macht und Rebel« und »Unfun« komplettiert wurde. Bühnenfassungen aller drei Romane wurden an diversen deutschen Theatern aufgeführt. Faldbakken gilt zudem als einer der bedeutendsten Gegenwartskünstler Skandinaviens. Seine Werke werden weltweit in den führenden Galerien ausgestellt. Nach längerer Schreibpause erschienen 2017 und 2020 die Romane »The Hills« und »Wir sind fünf«, die von Publikum und Presse gefeiert wurden.
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Produkt

KlappentextIn der Nähe von Oslo in einem kleinen Ort namens Råset führt Tormod Blystad mit seiner Frau und seinen zwei Kindern ein beschauliches Leben. Nach einer wilden Jugend ist aus Tormod ein verlässlicher Vater und Ehemann geworden. Aber in jeder Familie gibt es eine Lücke, die gefüllt werden muss. So kommt die kleine Hündin Snusken auf den Hof. Die Kinder lieben das Tier sehr, doch eines Tages verschwindet Snusken spurlos. Um seine Kinder zu trösten, mischt Tormod in seiner Werkstatt aus verschiedenen Zutaten ein Ersatzwesen aus Lehm - und fordert damit Kräfte heraus, deren Reichweite er nicht einmal erahnen kann.

Matias Faldbakken, 1973 geboren, lebt als bildender Künstler in Oslo. 2003 erschien sein aufsehenerregender Debütroman »The Cocka Hola Company«, der Auftakt der Skandinavische-Misanthropen-Trilogie, die mit »Macht und Rebel« und »Unfun« komplettiert wurde. Bühnenfassungen aller drei Romane wurden an diversen deutschen Theatern aufgeführt. Faldbakken gilt zudem als einer der bedeutendsten Gegenwartskünstler Skandinaviens. Seine Werke werden weltweit in den führenden Galerien ausgestellt. Nach längerer Schreibpause erschienen 2017 und 2020 die Romane »The Hills« und »Wir sind fünf«, die von Publikum und Presse gefeiert wurden.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641266578
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum31.08.2020
Seiten256 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1078 Kbytes
Artikel-Nr.5143856
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


2

ZU BEGINN DES dritten Jahres an der Fachhochschule schickte Jørstad seinem Kollegen von der Universität einige von Tormods Arbeiten (oder besser gesagt: Erfindungen). »Das musst du dir ansehen«, drängte er in dem Begleitschreiben. Der Kollege schien beeindruckt und antwortete, er wolle den Studenten kennenlernen. Ob er in die Stadt kommen könne? Es sei vielleicht machbar, ein Praktikum im Labor der Fakultät zu organisieren. Der Junge sei offenbar hochtalentiert.

Mittlerweile hatte Tormod sechs volle Monate unter dem Einfluss von Pep hinter sich. Er hielt sich ganz gut, aber nach und nach traten ein paar Ticks auf. Er fing an zu stieren, seine Augen wurden rund wie Murmeln. Seine Zähne klapperten, wenn sie nicht knirschten, und wenn er mit dem Lötkolben arbeitete oder an einem besonders komplexen Schaltkreis tüftelte, sperrte er den Mund seltsam weit auf. Es ließ ihn wie einen Irren aussehen. Von Zeit zu Zeit hatte er heftige Ausbrüche. Er stieß seinen Schreibtisch um, wenn ihm nicht gelang, was er sich vorgenommen hatte, stürmte aus dem Raum und verschwand einfach. Einmal warf er in einem seiner Wutanfälle eine ganze Reihe von Reagenzgläsern zu Boden, wo sie klirrend zerbarsten. Seine Kommilitonen starrten ihn ungläubig an. Dem schwachen alten Jørstad platzte der Kragen. »Es reicht!«, krächzte er. Tormod rannte aus dem Zimmer. Jørstad rief ihm hinterher, dass er den Vorfall seinen Eltern melden müsse.

Tormods Vater, Oscar Blystad, der in jüngeren Jahren selbst oft ziemlich tief ins Glas geschaut hatte, wurde am nächsten Tag zu einem Eltern-Lehrer-Gespräch in die Schule bestellt. Tormod hätte auch dabei sein sollen, aber er tauchte nicht auf. Wo er war? Oscar hatte keine Ahnung. »Tormod war seit drei Tagen nicht mehr zu Hause«, sagte er. »Wir wissen auch nicht, wo er steckt.« Vielleicht bei »dem Mädel«, Siv Danielsen, aber die Danielsens besaßen kein Telefon. »Geht der Junge denn zur Schule?«, fragte der Vater. »Oh ja, jeden Tag«, erwiderte Jørstad. »Na dann«, sagte Oscar und nickte. Die beiden Männer saßen sich in Jørstads Büro gegenüber und blickten einander an. Jørstad versuchte umständlich, die Lage zu erklären. »Tormod ist unser bester Student, aber in letzter Zeit benimmt er sich merkwürdig.« »Ist er betrunken?« Nein, das glaubte Jørstad nicht. Nicht mehr. Eine Zeit lang schon, aber jetzt nicht mehr. »Mmm«, brummte Oscar. Er hatte sich dazu seine eigene Meinung gebildet. Die Arbeit war damals das Erste gewesen, das darunter gelitten hatte, wenn sie es »krachen ließen«, wie sie es zu nennen pflegten. Es leuchtete ihm nicht ein, wie Tormod in einem derartigen Zustand so produktiv sein konnte.

Jørstad erzählte Oscar Blystad, dass man Tormod zu einem Vorstellungsgespräch in die Hauptstadt eingeladen hatte, dass er sich dort aber nicht so danebenbenehmen könne. »Wozu soll das gut sein?«, wollte der Vater wissen. Jørstad berichtete von dem befreundeten Professor und dem möglichen Praktikum. »Aber er braucht eine anständige Arbeit«, sagte Oscar. »Er kann nicht den ganzen Tag wie ein Pfau in einem Büro in der Stadt hocken und dummes Zeug von sich geben.« »Tormod besitzt ein seltenes Talent«, sagte Jørstad. »Es wäre unverzeihlich, sein Potenzial nicht auszuschöpfen.« Oscar räusperte sich und erwiderte dann: »Sie dürfen dem Jungen das Handwerk nicht wegnehmen.«

Tormod war währenddessen bei Siv. Wie jedes Mal trieben sie es stundenlang. Durch das Pep-Pulver war er ständig geil, und weil Siv damals noch auf Sex stand, taten sie kaum etwas anderes. Ihr war dabei durchaus bewusst, dass ihr Freund langsam den Halt verlor. »Sei kein Idiot, und hör auf zu schwänzen, Tormod«, sagte sie, nachdem er sich leergevögelt hatte. »Ich muss zu Espen«, erwiderte Tormod. »Nein, Tormod, nicht zu Espen«, flehte Siv, aber es half nichts. Tormod stürmte zur Tür hinaus, und Siv blieb zurück und schaute ihm mit großen Augen hinterher. Sie schluchzte und wimmerte, riss sich aber schnell wieder am Riemen. Tormod war der Mann, den sie wollte, und so lockte sie ihn hartnäckig und entschlossen immer wieder in ihr Haus zurück. Ihre spezielle Mischung aus Wärme und klaren Regeln schien ihn zu besänftigen - wenn er bei Siv war, kam Tormod zur Ruhe. Er verbrachte den Abend und die Nacht mit ihr, und Siv löste das Wirrwarr, in das er sich verstrickt hatte. Aber dann traf er Espen wieder, schnupfte mehr Pulver und feierte weiter. Aus dem ruhigen, vertrauenswürdigen Tormod war ein Vollzeit-Junkie geworden.

So ging es das ganze dritte Studienjahr weiter. Tormod war zweifellos der beste Student, jeder wusste das, aber durch seinen Eigensinn und die ständigen Fehlzeiten fiel er in mehreren Fächern durch und stand am Ende ohne Diplom da. Aus dem Praktikum in der Hauptstadt wurde nie etwas. Jørstad wagte es nicht, seinem Freund, dem angesehenen Universitätsprofessor, einen derart unberechenbaren Achtzehnjährigen zu schicken. Der Professor war zwar von den Erfindungen des Jungen so beeindruckt gewesen, dass er Jørstad mehrmals daran erinnerte, aber dieser erklärte ihm - wahrheitsgemäß -, dass Tormod neben der Spur war, dass er neben sich stand. Er sei zu einer tickenden Zeitbombe geworden. Ja, Jørstad benutzte tatsächlich das Wort »Zeitbombe« als Beschreibung für den Jungen aus Råset.

Als der Herbst kam, blieb Tormod keine andere Wahl, als in der Tischlerei seines Vaters anzufangen. Er tauchte zwar jeden Tag pünktlich zu seiner Schicht auf, schien aber von allen guten Geistern verlassen. »Ist bei dir eine Schraube locker, oder was?«, fragte Oscar ihn. Er wurde aus dem Verhalten seines Sohns, der die Statur seiner Mutter geerbt hatte, einfach nicht schlau. Sie stammte aus einer Familie mit großen, kräftigen Männern, während Oscar klein und gedrungen war. Tormod gab seinem Vater keine Antwort, wandte ihm achtlos den Rücken zu und schoss mit der Nagelpistole auf die Wand. Er war immer noch muskulös und breitschultrig, hatte schlanke Hüften unter dem Overall und trug einen Werkzeuggürtel, was ihm eine trichterförmige Statur verlieh, aber konnte es sein, dass seine Zähne anfingen zu faulen? Am nächsten Tag fragte ihn sein Vater erneut: »Tormod, stimmt etwas nicht mit deinem Kopf?« Als Tormod wieder nicht reagierte, sah Oscar rot. Er war noch nie sehr geduldig gewesen. »Wenn du mir nicht einmal so eine einfache Frage beantworten kannst, hast du hier nichts zu suchen«, sagte er. Tormod ließ die Nagelpistole fallen und ging wortlos davon.

Jetzt war er allein mit Espen und dem Pep-Pulver. Und Siv natürlich. Siv gab ihn nicht auf, ertrug wacker die Launen ihres zügellosen Freundes. »Tormod, was NIMMST du da immer für ein Pulver?«, schimpfte sie. Eine Antwort bekam sie nicht. Siv machte inzwischen eine Friseurlehre, und sie hatte in der Dorfmitte eine Wohnung gefunden, winzig zwar, aber es war ihre. Siv war von zu Hause ausgezogen, kaum dass sie achtzehn war, um ihrer streitsüchtigen Mutter zu entfliehen, die ihr ständig auf den Wecker ging. Sie war nicht der Typ, der lange zauderte. Kurz darauf lernte sie Autofahren und zeigte Tormod stolz den laminierten Führerschein. Er stierte mit seinen vergrößerten Pupillen darauf und gratulierte ihr. Im Grunde beschränkte sich Tormods Leben zu dieser Zeit auf drei Aktivitäten: monotones Computerspielen, endlosen Sex mit Siv und den Drogenkonsum mit Espen. Manchmal war er den ganzen Tag weg, manchmal sogar zwei, und Siv kam fast um vor Sorge. Sie klemmte sich den Hörer ans Ohr und telefonierte mit ihrer Freundin Anita, eine halbe Stunde, noch eine halbe Stunde, aber die Mutmaßungen, die sie dabei anstellten, brachten sie nicht weiter. Sie ahnten nicht, wie weit Espen und Tormod bereits abgedriftet waren. Sie wussten nichts von dem provisorischen Labor in Tønnesens Hütte, wo die beiden in aufgeschnittenen Plastiktonnen Erkältungsmedikamente auflösten und mit Pseudoephedrin, rotem Phosphor, Lauge und so weiter mischten, um gewaltige hausgemachte Highs zu produzieren. Sie sollten nie erfahren, dass Espen und Tormod in der Nacht bei Mattisen gewesen waren, als dieser sich umgebracht hatte, oder dass sie Morten Borgen eines Nachts nach einer Auseinandersetzung im wahrsten Sinne des Wortes gefoltert hatten. All diese Dinge blieben geheim.

Eines Freitags tauchte Tormod gegen drei Uhr morgens bei Siv auf. Sie erzählte später, sie sei gerade dabei gewesen, sich ihren Lieblingsfilm anzusehen, eine Teenager-Romanze mit dem Titel Can´t Buy Me Love, als sie die Wohnungstür aufgehen hörte. Wie sie bei seinem Anblick erschrak! Siv taumelte rückwärts gegen den Fernsehtisch und stieß ihre Diet Coke um, die sich auf den Teppich ergoss. Tormod hatte eine große Platzwunde auf der Stirn. Sein Pullover - oder »Jumper«, wie Siv dazu sagte - war blutgetränkt. Tormod war in einen...

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Matias Faldbakken, 1973 geboren, lebt als bildender Künstler in Oslo. 2003 erschien sein aufsehenerregender Debütroman »The Cocka Hola Company«, der Auftakt der Skandinavische-Misanthropen-Trilogie, die mit »Macht und Rebel« und »Unfun« komplettiert wurde. Bühnenfassungen aller drei Romane wurden an diversen deutschen Theatern aufgeführt. Faldbakken gilt zudem als einer der bedeutendsten Gegenwartskünstler Skandinaviens. Seine Werke werden weltweit in den führenden Galerien ausgestellt. Nach längerer Schreibpause erschienen 2017 und 2020 die Romane »The Hills« und »Wir sind fünf«, die von Publikum und Presse gefeiert wurden.