Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
256 Seiten
Deutsch
Emons Verlagerschienen am12.03.2020
Heimatverbundene Niederrheiner, gierige Kiesbarone und störrische Altbauern - ein Krimi aus dem Herzen der Region. Am Niederrhein brodelt es: Die Kiesindustrie mit ihrem Landhunger trifft auf Widerstand - und spaltet Generationen. Junge Öko-Bauern geraten in Konflikt mit ihren konventionell ackernden Vätern und wollen zu allem Überfluss auch noch Alpakas züchten! Der Streit eskaliert, als ein Bauer tot im Schweinekoben gefunden wird. Der Staatsanwalt hält dessen Sohn für den Täter, doch Kommissarin Karin Krafft will unbedingt ein Fehlurteil verhindern. Innerhalb des Weseler K1 entbrennt ein hitziger Disput, der die Abteilung für immer zu zerreißen droht.

Thomas Hesse, Jahrgang 1953, lebt in Wesel, ist gelernter Germanist, Kommunikationsberater und Journalist. Er war bis Ende 2014 in leitender Position bei der 'Rheinischen Post' am Niederrhein tätig. Heute ist er freier Autor, Journalist und Publizist.
mehr
Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR13,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextHeimatverbundene Niederrheiner, gierige Kiesbarone und störrische Altbauern - ein Krimi aus dem Herzen der Region. Am Niederrhein brodelt es: Die Kiesindustrie mit ihrem Landhunger trifft auf Widerstand - und spaltet Generationen. Junge Öko-Bauern geraten in Konflikt mit ihren konventionell ackernden Vätern und wollen zu allem Überfluss auch noch Alpakas züchten! Der Streit eskaliert, als ein Bauer tot im Schweinekoben gefunden wird. Der Staatsanwalt hält dessen Sohn für den Täter, doch Kommissarin Karin Krafft will unbedingt ein Fehlurteil verhindern. Innerhalb des Weseler K1 entbrennt ein hitziger Disput, der die Abteilung für immer zu zerreißen droht.

Thomas Hesse, Jahrgang 1953, lebt in Wesel, ist gelernter Germanist, Kommunikationsberater und Journalist. Er war bis Ende 2014 in leitender Position bei der 'Rheinischen Post' am Niederrhein tätig. Heute ist er freier Autor, Journalist und Publizist.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783960416081
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum12.03.2020
Reihen-Nr.12
Seiten256 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3605 Kbytes
Artikel-Nr.5306536
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
EINS

Stefan van de Sandt lehnte sich an die Wand neben der Stalltür. Er hörte die Unruhe, die zweihundert Schweine bei der Fütterung verursachten. Das Quietschen und Grunzen schwoll zu einer höllischen Lautstärke an, die die automatische Futterstraße übertönte. Er wusste, dass es sinnlos war, den Stall zu betreten, sein Vater würde ihn nicht hören, würde die Augen nicht von seinen Schweinen lassen.

Vadder war bei der täglichen Inspektion, beobachtete gründlich, ob alle Tiere über ausreichenden Appetit verfügten. Der kleinste Hinweis auf ein Unwohlsein wie mangelhafte Futteraufnahme konnte einen riesigen Verlust bedeuten. Es gab Krankheiten, die sich blitzschnell in einem ganzen Bestand ausbreiteten, in einem Landstrich, einer kompletten Region. Schweinebauer Willy van de Sandt und seine Zunft fürchteten die Schweinepest, schauten den wandernden Wildvögeln skeptisch nach, die im Verdacht standen, als Überträger von Erregern zu fungieren, fürchteten die Wildschweine in den nahen Wäldern. Dem Alten entging nichts. Zweihundert Mastschweine, fast schlachtreif, beste Zuchtsauen, ein preisgekürter Eber, da galt es besonders aufmerksam zu sein.

Stefan, sein einziger Sohn, hatte die Schweine nie ausstehen können, verweigerte die Arbeit im Stall, das Ausbringen der Gülle. Schon als Kind hielt er sich die Ohren zu, wenn der Viehhändler die Tiere in den Transporter trieb. Der Alte freute sich über das Geschäft und wartete auf den Nachwuchs, für den sein ganzer Stolz, der Zuchteber Willi, immer wieder willig seinen Samen spendete. Klein-Stefan stand nur wie versteinert an der Stalltür und verzog angeekelt das Gesicht. Jahrelang hatte der alte Viehzüchter geglaubt, alles läge nur daran, dass der Junge ohne seine Mutter aufwachsen musste.

Komisch, was ihm durch den Kopf ging, während drinnen der Tumult abebbte.

Mutter war an einem Aneurysma gestorben, einer geplatzten Ader im Hirn, innerlich verblutet, im Stall, bei den Schweinen, wo der Junge sie fand und zum Aufstehen bewegen wollte. Noch heute, sagte der Alte, höre er ihn in verzweifeltem Ton unablässig rufen: »Mama, steh doch auf. Du musst aufstehen. Mama, steh doch auf â¦« Vadder hatte ihn am Arm gepackt und auf die Bank neben der Küchentür gesetzt, bevor er den Hausarzt anrief, der gleichzeitig mit einem Rettungswagen eintraf. Wie in Trance hatte Stefan dagesessen, sich nicht von der Stelle gerührt, bis der große schwarze Wagen erschien, zwei dunkel gekleidete Männer eine Kiste auf Rädern aus dem Heck in den Stall rollten und wieder hineinschoben. Erst nachdem das letzte fremde Fahrzeug vom Hof gefahren war, hatte sich der Vater zu seinem Sohn gesetzt, die Kappe in die Hand genommen und nur einen Satz gesagt: »Sie hat uns alleine gelassen.«

Dieser Satz ging Stefan jetzt, fünfundzwanzig Jahre nach ihrem plötzlichen Tod, wieder durch den Kopf. Seine Mutter hatte den Vater und ihn allein gelassen. Sie wäre begeistert gewesen über seine neuesten Vorhaben, die er gemeinsam mit seiner Frau Bine vom Nachbarhof entwickelt hatte.

Der Alte war mit Teil eins seiner Zukunftspläne noch zufrieden gewesen: Stefans Heirat mit seiner Liebsten vor fünf Jahren. Sabine Brömkamp-van de Sandt hieß sie nun. Das sei niederrheinischer Adel, hatte Willy van de Sandt bei der Hochzeit nach der zweiten Flasche Korn zufrieden herumposaunt. Hinter seiner Freude stand der Gedanke, dass ihm früher oder später mit dieser Einheirat auf dem nachbarlichen Gehöft mehr Ackerfläche zum Futteranbau für seine Schweine zur Verfügung stehen würde. In Gedanken baute er am Tag nach der Hochzeit, als der ausgewachsene Kater seinen Kopf wieder verlassen hatte, einen modernen zweiten Schweinestall und prophezeite seinem Zuchteber Willi weitere vielzählige Nachkommenschaft, während er ihm den Nacken schrubbelte. Statt des eigenen Sohnes lief ein Lohnarbeiter durch den Stall, Georg Brunner half wortkarg, zuverlässig.

Stefan und Bine hatten andere Pläne, nahmen an Fortbildungen teil, ließen die Böden prüfen, stellten künstliche Düngung, chemische Bearbeitung und auch das Ausstreuen von Schweinemist ein, und bevor Willy van de Sandt sich s versah, wurde der verheißungsvolle Nachbarhof umgewandelt in einen Biohof, auf dem die Kinder ökologischen Gemüseanbau betrieben. Grünzeug.

Schließlich eröffneten sie auch noch eine kleine Holzhütte, wie man sie neuerdings an manchen Hofeinfahrten sah, verkauften eigene Produkte an Menschen, die von Fahrrädern abstiegen oder sich aus dicken SUVs schälten. »Bines Bauernlädchen«. Stefan wusste, schon das Schild ließ seinen Vater erschauern. Van de Sandt senior verstand die Welt nicht mehr, wartete insgeheim auf das Scheitern, das der Vater seiner Schwiegertochter milde lächelnd akzeptieren würde. Die Jungen wüssten schon, was sie tun. »Sollen sie machen, was sie wollen, ich habe damit nichts mehr zu schaffen.«

Willy van de Sandt hatte seinen Nachbarn Gisbert Brömkamp bereits vor Jahren für bekloppt erklärt.

Im Stall wurde es ruhiger, Stefan stand in der prallen Sonne, schwitzte, wusste nicht einzuschätzen, ob es an der Hitze oder dem bevorstehenden Gespräch mit seinem Vater lag. »Gespräch« war der falsche Begriff. Er ahnte, dass es in einem Streit enden würde. Bine hatte ihm den Auftrag erteilt, den störrischen Alten zu informieren.

Die Stalltür sprang auf, ein Schwall Mief verfolgte den Landarbeiter Brunner, der fast täglich für ein paar Stunden half und mit knappem Gruß an ihm vorbeilief. Dann erschien der Patriarch, vom Kopf über den prallen Bauch bis zum Fuß ganz und gar der alte Schweinebauer, dem es nur selten gelang, nicht nach seinem Viehbestand zu riechen.

»Stefan, seltener Besuch. Willst du mal wieder die echten Gerüche der Welt schnuppern?«

Der Sohn wich der entgegengestreckten Hand des Vaters aus. »Ich muss mit dir reden.«

»Worüber? Hast du sie endlich geschwängert?«

Damit hätte er rechnen müssen, es traf ihn unvermittelt. »Kannst du an was anderes denken als an Enkelkinder?«

»Wat isset dann?«

»Wir haben Tiere gekauft, die werden morgen hergebracht. Bine meint, du sollst Bescheid wissen.«

Stefan folgte dem Alten, der eilig und von der täglichen Arbeit gekrümmt in Richtung Wohnhaus lief. Mitten auf dem Hof fragte er seinen Sohn im üblichen niederrheinischen Dialog kurz und knapp: »Und?«

»Wie, und?«

»Ja, wat wird et?«

»Was meinst du? Was wir gekauft haben?«

»Ja, nu sachet endlich, werden schon keine Elefanten sein.«

Noch war der Alte in Bewegung, noch lief er auf die Küche zu. Stefan schluckte einmal, räusperte sich, spuckte die Worte auf den gepflasterten Untergrund.

»Morgen werden vier Alpakas bei uns einziehen.«

Willy van de Sandt blieb stehen. »Wat?«

»Bine will Alpakas.«

Der Alte stand sehr schnell ganz nah vor dem Jungen, der Schweinegeruch stieg ihm in die Nase. Die Antwort war begleitet von kleinen, zornig fliegenden Spucketröpfchen, denen es geschickt auszuweichen galt.

»Wat willst du mit diesen langhaarigen Viechern? Die fressen dein Gras, die brauchen Platz im Stall, die kannst du nicht essen, und die legen keine Eier. Alpakas! Bine will Alpakas, und du bestellst gleich ein Quartett. Wat sollen die Nachbarn sagen? Alpaka-Hippies - so nützlich wie Meerschweinchen. Obwohl man die ja noch essen könnte. Wat will deine Frau mit diesen glotzäugigen Vierbeinern?«

»Eine Zucht aufbauen. Alpakas und Alpakawolle vom Brömkampshof.«

Der Alte kochte und sah keinerlei Grund, dies vor seinem Sohn zu verbergen. »So eine hirnverbrannte Idee! Alpakahof. Tzz, Bines Bauernlädchen ist schon so eine Spinnerei, oder könnt ihr inzwischen davon leben? Und sich jetzt auch noch statt wat richtig Lukratives mehr Arbeit an et Bein zu binden - ihr könnt doch nicht ganz richtig im Kopp sein.«

Stefan schnaubte, ballte seine Fäuste, ging ein paar Schritte rückwärts, wandte sich ab und lief. Er ließ seinen Vater stehen, drehte sich nach einigen Schritten noch einmal um. So wütend war er selten auf den Alten. Er erschrak über die Lautstärke seiner Stimme. »Immer musst du alles kritisieren, regelrecht in den Boden stampfen. Du bist so â¦ so verbohrt, echt!«

Er kam wieder drei Schritte auf seinen Vater zu, deutete mit dem Zeigefinger auf ihn.

»Alle Menschen lieben Alpakas! Alle außer dir. Dieser possierliche Blick aus den großen, dunklen Augen mit den langen Wimpern dringt in jedes Herz, es sei denn, es ist so versteinert wie deins. Das sind friedfertige Pflanzenfresser. Sie liefern Wolle, besonderen, teuren Rohstoff für hochwertige Kleidung. Zugegeben, sie stammen aus Südamerika, aus den Anden, es gibt riesige Herden in Peru, aber unsere kommen aus einer hiesigen Zucht in Ringenberg.«

Stefan sah seinem Vater die Unbeugsamkeit an, wollte jedoch nicht weichen, dieses Mal nicht.

»Und zum Glück ist es kein Muss, Tiere zu essen. Seit ich denken kann, dreht sich in deinem Kopf alles um Schnitzel, Filet und Schweinshaxen, du denkst in Kilopreisen und Reingewinn. Weißt du was? Du kotzt mich einfach nur an.«

Stefan wandte sich grußlos ab, stieg auf sein Fahrrad und trat in die Pedale. Daheim gab es Besseres zu tun, als sich von einem Sturkopp beschimpfen zu lassen.

Der Alte schaute seinem Sprössling kopfschüttelnd nach, bevor er vor der Küchentür die Gummistiefel von den Füßen streifte.

»Alpakas! Gibbet in keiner Fleischtheke.«

***

Es war der heißeste Sommer aller Zeiten. Egal, wen man fragte, jeder bestätigte das Ungewöhnliche, für die niederrheinischen Breiten Traumatische, beklagte die unerträgliche Hitze, verbunden mit der permanenten Trockenheit. Wälder und Felder gingen in Flammen...
mehr