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The Sharp Edge of Silence - Gefährliches Schweigen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
496 Seiten
Deutsch
Carlsen Verlag GmbHerschienen am29.11.2023Auflage
Hochaktuell und beklemmend: Ein System aus Macht, Gewalt und Schweigen, das sexuelle Gewalt fördert Lycroft Phelps ist eins der renommiertesten Internate des Landes: Jahrhundertealte Traditionen, efeuberankte Backsteingebäude, Ruderclub. Doch hinter der schönen Fassade herrscht eine toxische Männlichkeitskultur unter den Schüler*innen, die sexuelle Übergriffe begünstigt und verharmlost. Als Außenseiterin Quinn Opfer eines Übergriffs durch einen Elitesportler wird, will sie blutige Rache ... Intensiv und dicht aus drei Perspektiven erzählt! »Ein schonungsloses Buch, das emotional herausfordert und uns viel zu sagen hat.« Kirkus Reviews

Cameron Kelly Rosenblum ist in Connecticut aufgewachsen und hat Englische Literatur studiert. Ihre Arbeit als Lehrerin und Bibliothekarin für Kinder- und Jugendbücher inspirierte sie dazu, für junge Menschen zu schreiben. Heute lebt sie mit ihrer Familie, zwei Hunden und einer Katze in der Nähe von Portland, Maine. Mehr unter www.cameronrosenblum.com.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR16,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextHochaktuell und beklemmend: Ein System aus Macht, Gewalt und Schweigen, das sexuelle Gewalt fördert Lycroft Phelps ist eins der renommiertesten Internate des Landes: Jahrhundertealte Traditionen, efeuberankte Backsteingebäude, Ruderclub. Doch hinter der schönen Fassade herrscht eine toxische Männlichkeitskultur unter den Schüler*innen, die sexuelle Übergriffe begünstigt und verharmlost. Als Außenseiterin Quinn Opfer eines Übergriffs durch einen Elitesportler wird, will sie blutige Rache ... Intensiv und dicht aus drei Perspektiven erzählt! »Ein schonungsloses Buch, das emotional herausfordert und uns viel zu sagen hat.« Kirkus Reviews

Cameron Kelly Rosenblum ist in Connecticut aufgewachsen und hat Englische Literatur studiert. Ihre Arbeit als Lehrerin und Bibliothekarin für Kinder- und Jugendbücher inspirierte sie dazu, für junge Menschen zu schreiben. Heute lebt sie mit ihrer Familie, zwei Hunden und einer Katze in der Nähe von Portland, Maine. Mehr unter www.cameronrosenblum.com.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783646938425
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum29.11.2023
AuflageAuflage
Seiten496 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse14854 Kbytes
Artikel-Nr.11469255
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


1
Donnerstagabend
Q
P  Zehnte Klasse  O

Ich schleiche durch die Bäume - verborgen, sichtbar, verborgen, sichtbar - und achte auf Wurzeln und Felsen und Erde, schwammig von Blattfäule. Das Waldgebiet zwischen den befestigten Wegen ist verwildert und ausgetrocknet, es schlürft die Dunkelheit zwischen Kerben in der Rinde und Scharten im Fels. Der Himmel ist nie so dunkel wie jetzt zwischen Sonnenuntergang und Mondaufgang.

So viel dazwischen.

Ich bin zwischen mir und mir, denke ich. Ich spüre meine Knochen, aber meine Haut erkenne ich nicht wieder. Dieses fremde neue Ich giert nach der Macht der Nacht. Ich weiß, wer ich war. Ich weiß nicht, wer ich sein werde. Aber was ich mir holen will, das weiß ich genau: Officer Doughtys Revolver.

Denn Colin Pearce muss sterben.

Vorsichtig steige ich über das stachelige Skelett einer umgefallenen Kiefer. Gestern Abend habe ich mir daran die Strumpfhose aufgerissen und das Knie aufgeschürft. Der Baum ist ein Orientierungspunkt, gleich bin ich da. Im schwarzen Netz der Blätter erscheinen erleuchtete Vierecke. Vor mir liegt Haus Anderson, dort ist der Sicherheitsdienst der Lycroft Phelps School untergebracht.

Am Waldrand bleibe ich stehen. Sechs Meter Rasen trennen mich von Officer Doughty. Es ist kalt für September und mein Atem geht stockend. In kurzen Stößen steigen vor meinem Gesicht Wölkchen auf. Ich beiße die Zähne zusammen und atme durch die Nase aus, damit ich nicht noch deswegen erwischt werde.

Doughty sitzt eingerahmt von dem erleuchteten Fenster am Schreibtisch und schreibt Protokoll. Es ist drei Minuten vor acht und ich höre praktisch die Sekunden ticken, bis er auf die Uhr sieht und den Feierabend einläutet. Gleich wird er seine Vertretung, Officer McPhee, der in einem aufgemotzten Golfcart über den Campus brummt, anfunken und sich für heute abmelden. Doughty wird Haus Anderson abschließen, in seinen Pick-up steigen und nach Hause fahren.

Jetzt klappt er das Protokollbuch zu, neigt das Kinn zur Wanduhr und geht wie erwartet zu der kleinen Toilette.

Ich bin ganz in Schwarz gekleidet wie Tom Cruise in diesen Mission: Impossible-Filmen, die ich früher mit Dad geschaut habe. Wie ein Spion renne ich über den Rasen und schmiege mich an die Holzverkleidung des alten Häuschens aus den 50ern. Dann werfe ich einen Blick durch das gekippte Fenster. Mittlerweile weiß ich, dass es nur einen Hauptraum gibt, in dem ein Schreibtisch, mehrere Stühle und in der Ecke eine Pritsche stehen. Ein Computerbildschirm mit mehreren geöffneten Fenstern zeigt abwechselnd körnige Schwarz-Weiß-Szenen auf dem Schulgelände. Wenn der Sicherheitsdienst auch nur den Hauch einer Ahnung hätte, wären diese Kameras in die dunklen Ecken gerichtet. Stattdessen kommt es mir vor, als würde hier der virtuelle Werbe-Rundgang von der Lycroft-Phelps-Webseite gesendet: Kolonnaden aus Backstein und Efeu, weiße Kuppeln mit blauen Spitzen, großzügige Innenhöfe mit hübsch geometrisch angeordneten Wegen. Hält Doughty es wirklich für nötig, die bronzenen Gründerstatuen von John Lycroft und Erastus Phelps per Kamera zu überwachen? Andererseits kann ich diese Ignoranz zu meinem Vorteil nutzen. Sobald ich die Waffe habe.

Die Toilettenspülung rauscht und die Badezimmertür knarrt. Ich tauche ab, höre seine Schritte näher kommen, das Rollen des Schreibtischstuhls auf den abgenutzten Holzdielen und wie er das Knie auf das verschlissene grüne Sitzkissen stützt. Er ist so nah, dass ich ihn anstupsen könnte, wenn die Mauer nicht wäre. Mir schwindelt, als mich das Gefühl meiner Macht durchströmt, und meine Brust blubbert vor Lachen - ein Lachen, das meinen Plan zunichtemachen würde, wenn es herauskäme.

Lass das!, ermahne ich mich und das Lachen gerinnt zu Wut, die sich in meiner Kehle sammelt, in mir versickert und nur noch leise brodelt.

Doughty verlagert das Gewicht und nimmt ein Schulterholster ab, das normalerweise unter seiner unförmigen LPS-Sicherheitsdienst-Jacke verborgen ist. Bestimmt wissen nur wenige, dass Doughty eine Knarre hat. Als ob er jemals an der LPS herumballern würde. Aber ich weiß es. Und Wissen ist alles.

Er zieht die Schreibtischschublade auf und nimmt den Revolver aus dem engen Lederfutteral - sanft, ehrfürchtig, beinahe liebevoll. Vielleicht erinnert ihn nur die Waffe daran, was er tun könnte, wenn er nicht für die Lycroft Phelps arbeiten würde.

In den Bäumen höre ich John Lennon singen: Happiness is a warm gun, bang, shoo-oo-oo-oot shoot, und blitzartig bin ich fünf Jahre alt und sitze mit Dad in seinem Büro bei uns zu Hause. Er setzt den Tonarm auf die Schallplatte, das Weiße Album der Beatles. »Das ist Größe, Q«, sagt er. »Hör gut zu.« Lächelnd schließt er die Augen. Die Nadel faucht, packt zu, dann: She´s not - a girl - who misses much. Dad singt den doo-doo-doo-Part leise mit und öffnet die Augen bei oh, yeah. Ich muss kichern. Er schwenkt mich durch die Luft, als Ringos Schlagzeug einsetzt und tanzt mit mir durchs Zimmer. Ich wünsche mir diese Version meiner selbst so sehnlichst zurück, dass ich kurz die Augen zusammenkneifen muss, um die Vision aufzulösen und mich wieder auf Doughty zu konzentrieren.

Das dumpfe Geräusch des Revolvers auf Holz hallt in meinem Bauch nach. Mein Blut pulsiert in den Schläfen. Ich bin schwach und aufgedreht zugleich.

Is a warm gun, yeah.

Er hängt das Holster an den Haken an der Wand, schließt die Schublade ab und öffnet eine andere, in die er die Schlüssel legt. Nicht gerade ein bombensicheres System, aber schließlich hegt er nicht den geringsten Verdacht. Und da ich unsichtbar bin, wollen wir ihm seine Nachlässigkeit noch mal verzeihen.

Ich drücke mich erneut flach gegen die Mauer, als er das Fenster schließt, höre, wie er den Griff nach unten dreht und das Licht dimmt. Gleich wird er sich bei seinem Stellvertreter, Officer McPhee, melden. Sogar durch die Scheibe kann ich die verzerrte Stimme hören: »Hey, Boss.« Das ist die Gelegenheit.

Lautlos renne ich um das Gebäude auf die andere Seite der Veranda, ich fliege fast. Moment, ich bin ein Geist, denke ich. Aber das kann nicht sein, ich habe mir in die Wange gebissen und schmecke Blut, als ich mit meiner Zunge darübertaste.

Ich suche mir einen dicken Baum aus, so nah an der Veranda, wie ich es wage. Beim letzten Versuch war ich zu weit weg. Heute will ich sehen, welchen Zahlencode er eingibt, um das Haus zu verriegeln. Doughty kommt aus dem Haus und schließt die Tür. Er tippt auf Tasten, die wie bei einem Telefon in einem Drei-mal-vier-Tastenfeld angeordnet sind. Ich muss mir nur die Abfolge merken. Mein Blick ist voll konzentriert.

Blip. Blip.

Drei-drei ...

Bliep. Bliep. Bliep. Blip.

Neun-sieben-neun-sieben? Oder sechs-vier-sechs-vier?

Doughty dreht sich in meine Richtung, um zu seinem Pick-up zu gehen. Schuhe knirschen auf dem Weg. Die Wagentür wird geöffnet. Zugeknallt. Der Motor springt an, der Wald erstrahlt in grellem Licht. Die Reifen drehen, spucken Schotter, und die Scheinwerfer machen einen Schwenk.

Und Stille. Ich bin allein.

Doughty könnte etwas vergessen haben und zurückkommen. Also warte ich, an den Baum gelehnt. Über den Hügeln jenseits des Lake Edith geht ein asymmetrischer Mond auf und wirft kleine Stückchen aus Licht aufs Wasser, die der See wie Pailletten trägt. Du musst dich für diesen Ort nicht schön machen, Edith, sage ich in Gedanken. Du bist zu gut für sie. Ich rühre mich erst, als der Mond von den Hügelkuppen abrückt und in das Blau vordringt.

Dann schleiche ich zur Tür und halte meine behandschuhte Hand vor die Tastatur.

Ich gebe ein: 3-3 ... 9-7-9-7. Obwohl ich kein Entriegelungsgeräusch höre, drehe ich vorsichtshalber den Knauf.

Nichts. »Mist.«

Ich starre auf die Zahlen, sie sollen den Code preisgeben.

Zögerlich drücke ich 3-3-6-4-6-4 und rüttele am Knauf. Wieder nichts.

Dunkelblaue, fließende Schatten schimmern in meinen Augenwinkeln. Die Ziffern vibrieren. Ich könnte schwören, dass er diese Zahlenfolge eingegeben hat. Ich weiß es. Vielleicht war die 3-3 aber auch eine 6-6. Ich habe nur noch eine Chance, wenn ich davon ausgehe, dass das System bei einem vierten Versuch automatisch gesperrt oder schlimmstenfalls der Alarm ausgelöst wird.

6-6-3-1-3-1.

Stille.

Der Knauf lässt sich nicht bewegen. Ich werfe den Kopf in den Nacken und bin kurz davor, aus voller Kehle SCHEISSE zu brüllen, als ein Haufen Kids vom See den Hügel heraufkommt. »Scheiße!«, flüstere ich stattdessen und verstecke mich hinter dem dicken Baum.

Es sind Jungs. Einer sagt etwas. Den genauen Wortlaut kann ich nicht verstehen, aber es muss etwas richtig Widerliches gewesen sein, weil die anderen so lachen, als wüssten sie, dass sie das nicht tun sollten. Neue Schüler vermutlich, gerade erst angekommen, die sich noch nicht trauen, nicht zu lachen. Es schnürt mir die Kehle zu und einen Augenblick habe ich Angst, mich zu übergeben.

Nein. Ich verbiete es mir.

Als sie außer Sichtweite sind, erwäge ich einen letzten Versuch. Eine laute Sirene kann ich absolut nicht riskieren. Ich könnte mich für heute natürlich in Sicherheit bringen, aber dann würden sie die Sicherheitsvorkehrungen verschärfen - die irgendwo in den 1970er-Jahren stecken...

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Autor

Cameron Kelly Rosenblum ist in Connecticut aufgewachsen und hat Englische Literatur studiert. Ihre Arbeit als Lehrerin und Bibliothekarin für Kinder- und Jugendbücher inspirierte sie dazu, für junge Menschen zu schreiben. Heute lebt sie mit ihrer Familie, zwei Hunden und einer Katze in der Nähe von Portland, Maine. Mehr unter cameronrosenblum.com.Katharina Diestelmeier studierte nach einer Buchhändlerlehre Germanistik und Hispanistik in Marburg, Santiago de Compostela und Berlin, anschließend arbeitete sie mehrere Jahre als Lektorin. Inzwischen übersetzt sie Kinder- und Jugendliteratur aus dem Englischen und Spanischen, darunter Bücher von Lauren Oliver, E. Lockhart und Stephenie Meyer. Sie lebt mit ihrer Familie in Tübingen.Anne Brauner, geboren 1962, studierte Italienisch, Germanistik und Geschichte in Köln. Sie übersetzt seit vielen Jahren Kinder- und Jugendliteratur und hat mehrere Reisebildbände veröffentlicht.