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Die Schatzgräber

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
544 Seiten
Deutsch
Diogeneserschienen am21.06.2023
Kaum vorstellbar, daß Großonkel Wilhelm und Opa Heinrich, zwei biedere Kleinbürger, anno 1928 tatsächlich einen Schatz geraubt haben sollen. Aber Onkel Leo, der leider meist einzige Mann in Maria Mendels Leben, behauptet es steif und fest. Sein ewiges Schwadronieren geht Maria so sehr auf die Nerven, daß sie auf Schatzsuche geht. Doch was sie findet, hat niemand erwartet.
'

Hans Werner Kettenbach, geboren 1928, war Journalist und zuletzt stellvertretender Chefredakteur beim ?Kölner Stadt-Anzeiger?. Mit fünfzig schrieb er seinen ersten Roman. Insgesamt sind fünfzehn Romane erschienen, von denen fünf verfilmt wurden. Die Kritik hat sie mit den Werken von Sjöwall / Wahlöö (?Plärrer?), Simenon und Patricia Highsmith (FAZ) verglichen. 2009 erhielt Kettenbach den »Ehrenglauser« für sein Lebenswerk. Er starb am 5. Januar 2018 in Köln.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR13,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR10,99

Produkt

KlappentextKaum vorstellbar, daß Großonkel Wilhelm und Opa Heinrich, zwei biedere Kleinbürger, anno 1928 tatsächlich einen Schatz geraubt haben sollen. Aber Onkel Leo, der leider meist einzige Mann in Maria Mendels Leben, behauptet es steif und fest. Sein ewiges Schwadronieren geht Maria so sehr auf die Nerven, daß sie auf Schatzsuche geht. Doch was sie findet, hat niemand erwartet.
'

Hans Werner Kettenbach, geboren 1928, war Journalist und zuletzt stellvertretender Chefredakteur beim ?Kölner Stadt-Anzeiger?. Mit fünfzig schrieb er seinen ersten Roman. Insgesamt sind fünfzehn Romane erschienen, von denen fünf verfilmt wurden. Die Kritik hat sie mit den Werken von Sjöwall / Wahlöö (?Plärrer?), Simenon und Patricia Highsmith (FAZ) verglichen. 2009 erhielt Kettenbach den »Ehrenglauser« für sein Lebenswerk. Er starb am 5. Januar 2018 in Köln.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783257614213
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Verlag
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum21.06.2023
Seiten544 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1137 Kbytes
Artikel-Nr.11849673
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Wenn das Gold noch immer unter diesem Pflaumenbaum vergraben läge und wenn der Baum nicht mittlerweile von Einfamilienhäusern umzingelt wäre, sondern wie vor siebzig Jahren unbedrängt in einem weitläufigen Obstgarten stünde, um den tagelang niemand sich kümmerte, geschweige denn bei der Nacht, so daß der Schatz sich ausgraben ließe, ohne daß jemand aufmerksam würde und auf der Stelle Zeter und Mordio schriee, dann wäre es vermutlich ein leichtes, die Barren zum Leben zu erwecken, sie gegen ganz ordinäre, unauffällige Zahlungsmittel einzutauschen, bei einer verschwiegenen Bank etwa in Luxemburg oder in der Schweiz, und aller Sorgen los und ledig zu sein.

Und nicht nur aller Sorgen. Wenn die Beute des Bankraubs auch nur halbwegs so beträchtlich war, wie Onkel Leo behauptet, dann ließen sich mit diesem Gold sogar einige extravagante Wünsche befriedigen. Zum Beispiel der Kauf einer Wohnung für Leo in einem Seniorenheim, das so exquisit wäre, daß er nicht herumerzählen könnte, seine leibliche Nichte habe ihn ins Elend abgeschoben, um sich unbeobachtet ausleben zu können. Womöglich bliebe sogar so viel übrig, daß ich mich tatsächlich ausleben könnte, natürlich nicht mit einem der zerknitterten Romeos in meinem Alter, der nach zwei Dutzend Ehejahren nichts Interessanteres mehr zu bieten hat als das dringende Bedürfnis, seine Vitalität außerhäusig unter Beweis zu stellen, sondern mit einem glatthäutigen, einem appetitlichen Burschen, der, sagen wir: zwanzig Jahre jünger ist als ich, sich bereitwillig mit meinem Scheckbuch ködern und von mir aushalten läßt, bis ich ihn vor die Tür setze, weil ich seine Dummheit leid bin und den nächsten probieren möchte.

Aber die entscheidende Frage, ohne deren Beantwortung alle weiter gehenden Überlegungen müßig sind, lautet leider, ob es dieses Gold, mit dem sich die Welt so erfreulich verändern ließe, überhaupt einmal gegeben hat. Natürlich schwört Leo darauf Stein und Bein, wie auf alle Geschichten, die er mir in den vergangenen vierzig Jahren erzählt hat. Und wer ihn von dem Bankraub berichten hörte, ohne zu wissen, wer Leo Theisen ist und welchen Ruf er zeit seines Lebens nicht nur in seiner Familie, sondern auch bei seinen Freunden und Bekannten und sogar bei den Zeitungen genossen hat, die immerhin seine Artikel druckten, bevor er beschloß, nicht mehr zu arbeiten, der könnte glauben, Onkel Leo sei selbst dabeigewesen.

Das beginnt mit der Temperatur, die nach seinem Zeugnis an diesem Freitagnachmittag im Sommer 1928 exakt zweiunddreißig Grad erreichte. Als Wilhelm Theisen den hochbeinigen Ford auf der Rückseite der Bank in Sichtweite des Hoftors parkte und den Motor abstellte, verschleierte ihm der Schweiß, der aus seinen Augenbrauen abwärts rann, den Blick auf die enge, schattige Straße. Wilhelm fuhr sich mit dem Handrücken über die Brauen. Sein Bruder Heinrich, der neben ihm saß, zog ein großes weißes Taschentuch aus der Jackentasche und reichte es ihm, ohne ihn anzuschauen. Nachdem Wilhelm den schwarzen Hut gelüftet und die Stirn abgerieben hatte, trocknete auch Heinrich seine Stirn, dann seine Hände. Die Hände zitterten, als er die Anlasserkurbel unter dem Sitz hervorholte und damit ausstieg.

Heinrich blieb auf dem Trottoir neben dem Vorderrad stehen. Ein leichter Luftzug, der Vorbote eines Gewitters, wehte von der Mosel herauf durch die Schlucht der Straße, der Geruch des grünen Wassers milderte die stickige Ausstrahlung der Häuserwände. Während Heinrich sein Gesicht dem Luftzug zuwandte, versuchte er, die Kurbel so ungezwungen zu halten, daß sie keinem der Passanten auffiel und niemanden auf die Frage brachte, warum er da mit der Kurbel in der Hand verharrte, statt sie auf die Welle unter dem Kühler zu stecken und den Motor anzuwerfen. Die Brüder hatten sich wechselseitig eingeschärft, daß es gelte, sich so normal wie möglich zu verhalten, weil jede Besonderheit, an die ein Zeuge sich erinnern könne, gefährlich sei. An die Kurbel hatten sie nicht gedacht.

Um Viertel vor drei, als Heinrich schon überlegte, wie Wilhelm reagieren würde, wenn er wieder einstiege und ihm klarzumachen versuchte, daß das Risiko, Aufmerksamkeit zu erregen, zu groß sei, verließ der kleine schwarze Lieferwagen den Hof der Bank und fuhr die Straße hinauf zum Karthäuserplatz. Heinrich schreckte zusammen, als Wilhelm mit der flachen Hand gegen die Windschutzscheibe zu hämmern begann, dann sah er den Lieferwagen, sprang auf die Straße und steckte die Kurbel auf den Stutzen der Welle, warf den Motor an. Um ein Haar hätte Wilhelm ihn überfahren, Heinrich wich dem Kotflügel aus, warf die Kurbel ins Auto und zog sich, während der Ford beschleunigte, mit beiden Händen auf seinen Sitz.

Ein zweites Mal ließ Wilhelm zu seiner eigenen Bestürzung erkennen, daß die Angst ihn jagte und ganz unbedacht handeln ließ, er wollte dem Lieferwagen, der ein Pferdefuhrwerk überholt hatte, ohne Verzug folgen, mußte wegen zweier Radler, die ihnen unversehens entgegenkamen, auf die Bremse treten und tat das so heftig, daß der Ford auf dem Kopfsteinpflaster ins Schleudern geriet. Heinrich, der starr geradeaus blickte, hörte die Beschimpfung, die einer der Radler ihnen hinterherrief. Erst als sie die Landstraße nach Mainz und das Rheinufer erreicht, die Stadt verlassen hatten und der Verkehr verebbte, schien Wilhelm ruhiger zu werden; er folgte in gleichbleibendem Abstand dem Lieferwagen, der wie ein winziges, schimmerndes Spielzeugauto in den riesenhohen gelbschwarzen Gewitterhimmel über dem Rheintal hineinfuhr.

Als sie sich der ersten Seitenstraße näherten, die nach rechts und hinauf auf die grünen Berge abzweigte, blickte Wilhelm seinen Bruder an und nickte stumm. Heinrich legte den Hut auf den Schoß, griff in die Tasche und zog eine schwarze Halbmaske hervor. Er streifte die Maske über, setzte den Hut wieder auf, lockerte die Parabellum im Hosenbund. Seine Hände, die er zusammenlegte, krampften sich unwillkürlich ineinander. Wilhelm beschleunigte den Ford, bis er den Lieferwagen eingeholt hatte, setzte sich, nach einem Blick in den Rückspiegel, links neben den Lieferwagen, der plötzlich sehr groß geworden schien, und überholte ihn zur Hälfte, Heinrich sah die Gesichter des Fahrers und des Beifahrers, die wie zwei helle Flecken vorüberschwammen. Sekunden später, kurz vor der Einmündung der Seitenstraße, steuerte Wilhelm den Ford scharf nach rechts, er schnitt dem Lieferwagen den Weg ab, der Ford und der Lieferwagen schleuderten nebeneinander in die Seitenstraße und kamen zum Stehen.

Heinrich sprang mit gezogener Pistole von seinem Sitz, er erwartete, von einem Kugelhagel empfangen zu werden, aber dann sah er zu seiner jähen, fast schmerzhaften Erleichterung, daß der Fahrer und der Beifahrer des Lieferwagens die Hände erhoben hatten und wie erstarrt in ihren Sitzen lehnten. Er riß die Tür des Fahrers auf, wedelte heftig mit der Pistole und stieß in einer bemüht groben Stimme hervor: »Laderaum aufschließen!« Als Wilhelm, dessen Hut schief über der Halbmaske saß, hinzukam und seine Pistole vorreckte, war der Fahrer schon ausgestiegen; der Beifahrer, der anscheinend befürchtete, es könne ihm als ein Ansatz zur Gegenwehr übelgenommen werden, wenn er auf seiner Seite, in der Deckung durch den Lieferwagen, ausstiege, rutschte mit erhobenen Händen über den Sitz des Fahrers, blieb mit einer seiner Ledergamaschen am Bremshebel hängen und stürzte auf die Straße, von der er sich sofort wieder erhob, beide Arme emporgestreckt.

Es bedurfte keiner weiteren Aufforderung, Fahrer und Beifahrer stolperten nebeneinander, den Blick über die Schulter auf die Pistolen der Brüder gerichtet, zur Rückseite des Lieferwagens. Der Beifahrer zog einen Schlüssel hervor und schloß die Ladetür des Wagens auf, schwenkte beide Flügel zur Seite. Wilhelm winkte mit der Pistole und deutete auf die drei kleinen, flachen, mit Eisenbändern und Griffen beschlagenen Holzkisten, die auf dem Boden des Lieferwagens standen. Der Beifahrer öffnete auch die Schlösser der drei Kisten. Heinrich sah, als Wilhelm die Deckel zurückschlug, mit einem Seitenblick den Schimmer der Goldbarren. Er dirigierte mit der freien Hand den Beifahrer an die Seite des Fahrers, räusperte sich und fuhr die beiden an: »Umdrehen! Hände in den Nacken!« Während Wilhelm die erste Kiste hochhob und wegschleppte, sagte der Fahrer in einer dünnen, schwankenden Stimme: »Nicht schießen, bitte!« Heinrich zögerte, dann antwortete er: »Keine Angst, euch passiert nichts.«

Als Wilhelm die dritte Kiste vor die Rückbank des Ford gepackt hatte und mit einem scharfen Pfiff auf den Fahrersitz stieg, folgte Heinrich, rückwärts gehend, seinem Bruder. Er zog den Zündschlüssel des Lieferwagens ab und schleuderte ihn ins Gebüsch. Wilhelm reichte ihm die Kurbel, Heinrich warf den Motor an, der bei dem gewaltsamen Bremsmanöver abgewürgt worden war. Als sie aus der Seitenstraße hinausfuhren, ließ ein greller Blitz den Rhein aufleuchten, ein krachender Donnerschlag hallte von den Bergen wider, und es begann in Strömen zu regnen.

Wilhelm fuhr, der Scheibenwischer quietschte, zurück zur Stadt und über die Brücke hinüber aufs rechte Ufer. Die Brüder sprachen kein Wort miteinander, nur allmählich beruhigten sich ihre Atemzüge. Erst als sie das Ende der Brücke erreicht hatten, kam es zu einer Art Austausch zwischen den beiden: Wilhelm lachte einmal laut auf, dann stieß er Heinrich die Faust gegen den Oberarm; Heinrich antwortete mit einem ein wenig angestrengten Lächeln. Auf dem anderen Ufer stieg Heinrich aus, er nahm, nach einem Umweg durch Seitenstraßen, für den Rest der Heimfahrt rheinabwärts die...
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