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18 Kilometer bis Ljubljana

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
319 Seiten
Deutsch
Folio Verlagerschienen am15.08.20231. Auflage
'Das Leben ist ein Sonntagnachmittag, wie Radovan sagen würde. Lang und langweilig, und nimmt ein schlimmes Ende.' Widerwillig kehrt Marko in seine alte Heimat zurück. In Fu?ine, dem Vorort von Ljubljana, ist nichts mehr so, wie es war. Die Leute hängen nicht mehr in Trainingsanzügen vor dem Block ab. Die Jugendlichen beschmieren keine Aufzüge mehr und sehen jetzt aus wie brave Geklonte. Er gehört nicht mehr hierher und fühlt sich wie ein Außerirdischer. Seine Freunde sind Junkies oder zum Islam konvertiert, sein Vater hat einen Tumor und tut so, als ginge ihm das am Arsch vorbei. Nach zehn Jahren in der bosnischen Provinz bei Oma und Opa und nach einer unglücklichen Liebe zu einer abgefahrenen Muslimin versucht er dort, wo er nie zu Hause war, seinen Platz zu finden.

Goran Vojnovi?, geboren 1980 in Ljubljana. Bereits mit seinem Debütroman 'Tschefuren raus!' hat er mit der Darstellung von Polizeigewalt einen öffentlichen Skandal ausgelöst. Ihm geht es stets unsentimental und doch berührend um Identitätssuche und kulturelle Offenheit. Auch als Filmregisseur entwirft er in starken Bildern ein Sittenbild der postjugoslawischen Gesellschaften. Vojnovi? ist einer der erfolgreichsten slowenischen Schriftsteller der Gegenwart, seine Bücher sind in viele Sprachen übersetzt.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR26,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR18,99

Produkt

Klappentext'Das Leben ist ein Sonntagnachmittag, wie Radovan sagen würde. Lang und langweilig, und nimmt ein schlimmes Ende.' Widerwillig kehrt Marko in seine alte Heimat zurück. In Fu?ine, dem Vorort von Ljubljana, ist nichts mehr so, wie es war. Die Leute hängen nicht mehr in Trainingsanzügen vor dem Block ab. Die Jugendlichen beschmieren keine Aufzüge mehr und sehen jetzt aus wie brave Geklonte. Er gehört nicht mehr hierher und fühlt sich wie ein Außerirdischer. Seine Freunde sind Junkies oder zum Islam konvertiert, sein Vater hat einen Tumor und tut so, als ginge ihm das am Arsch vorbei. Nach zehn Jahren in der bosnischen Provinz bei Oma und Opa und nach einer unglücklichen Liebe zu einer abgefahrenen Muslimin versucht er dort, wo er nie zu Hause war, seinen Platz zu finden.

Goran Vojnovi?, geboren 1980 in Ljubljana. Bereits mit seinem Debütroman 'Tschefuren raus!' hat er mit der Darstellung von Polizeigewalt einen öffentlichen Skandal ausgelöst. Ihm geht es stets unsentimental und doch berührend um Identitätssuche und kulturelle Offenheit. Auch als Filmregisseur entwirft er in starken Bildern ein Sittenbild der postjugoslawischen Gesellschaften. Vojnovi? ist einer der erfolgreichsten slowenischen Schriftsteller der Gegenwart, seine Bücher sind in viele Sprachen übersetzt.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783990371473
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum15.08.2023
Auflage1. Auflage
Seiten319 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1146 Kbytes
Artikel-Nr.12251478
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
1. Weshalb ich noch immer keinen Fußballklub habe
2. Weshalb alle glücklichen Familien gleich sind
3. Weshalb die Kredite die Tschefuren vernichtet haben
4. Weshalb auch die Tschefuren Behinderte sind
5. Weshalb Cucic Unprofor geworden ist
6. Weshalb Slowenien im Basket nichts reißt
7. Weshalb das Leben auch die stärksten Kerle schafft
8. Weshalb die Tschefuren keine Aufzüge mehr vollschmieren
9. Wes halb die Tschefuren alle unsere Leute sind, in Wirklichkeit aber keiner
10. Weshalb es besser ist, ein Junkie zu sein als ein Wahhabit
11. Weshalb die Tschefuren Festnetz haben
12. Weshalb die Tschefuren Zirkusartisten geworden sind
13. Weshalb die Tschefuren keine Büros haben
14. Weshalb Tschefuren glücklich sind, wenn sie Cucic kennen
15. Weshalb alle Tschefuren die gleiche tepsija haben
16. Weshalb wir Tschefuren nicht zu jammern haben
17. Weshalb du dem Krebs nicht die Mutter ficken kannst
18. Weshalb selbst ein Schwan ein Tschefur sein kann
19. Weshalb Fuzine eine Schlafsiedlung ist
20. Weshalb Marko Ðordic ein ganz normaler Slowene ist
21. Weshalb der Vater für die Tschefuren ein Gott ist
22. Weshalb die Tschefuren im eigenen Trauma Urlaub machen
23. Weshalb Serbien das Finale gewinnen wird

Anmerkungen
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Leseprobe

1. Weshalb ich noch immer keinen Fußballklub habe

Ich habe noch immer keinen Fußballklub! Nur dass mich das völlig kaltlässt. Es geht mir am Arsch vorbei, dass der Ball rund ist und bei den einen ins Tor geht und bei den anderen ins Aus. Und dass sich die einen in den Armen liegen wie die Schwuchteln und die anderen sich selbst in den Arsch beißen. Für mich ist das alles gewöhnlicher Fotzenrauch. Da sprinten junge, gesunde Burschen auf dem Rasen herum, eine Schwuchtel von Schiri pfeift irgendwas, die Leute drohen seiner Familie mit Notzucht, zwei Mal eine Dreiviertelstunde lang, wie die Slowenen sagen würden, und das war s dann. Die Heimmannschaft hat wieder mal drei Punkte im Kampf um den Klassenerhalt verbucht, die Leute haben sich wieder mal über einen Sonntag hinweggerettet. Das Leben ist ein Sonntagnachmittag, wie Radovan sagen würde. Lang und langweilig und nimmt ein schlimmes Ende. Aber auf die Nordtribüne des Marakana gehst du nicht wegen dem Fußball. Auf die Nordtribüne gehst du, um dich zu treffen. Unten auf dem Spielfeld könnten die Invaliden Videospiele spielen, uns hier oben würde der Schwanz platzen. Denn wir hier oben spielen unser eigenes Spiel.

Die Stärksten sind wir, die Stärksten! Zigeuner sind wir, Zigeuner!

Gut, vielleicht schaust du die ersten paar Mal noch das Spiel, und dich ärgert der Linienrichter und der Linksaußen, den sie in die zweite ungarische Liga verkaufen wollen und der deshalb spielen muss, obwohl er Fußball nicht mal im TV schauen dürfte. Am Anfang ging mir das ganze Tschetnik-Gedöns auf den Sack, richtig gehasst habe ich die Bärtigen auf den Transparenten und den T-Shirts und alles das, aber dann wirst du locker. Die Gemeinschaft ist wie eine Droge, Bruderherz. Du wirst süchtig. Beim ersten Mal fühlst du dich ein bisschen schlecht, wenn du Raaatko Mladic! brüllst, und hast so was wie ein schlechtes Gewissen, beim zweiten Mal hast du es nicht mehr, und beim dritten Mal passt es schon. Denn du brüllst nicht allein, du brüllst zusammen mit dreißigtausend anderen Idioten. Und zwar mit genau solchen Idioten, wie du selbst einer bist. Das passiert tatsächlich. Du stehst auf der Nordtribüne vom Marakana, inmitten von dreißigtausend Verrückten, und brüllst mit einer Stimme.

Serbien! Serbien! Serbien!

Du spürst direkt deine Eier in der Hose anschwellen. Und es ist völlig egal, was du brüllst, Hauptsache, du brüllst. Raaatko Mladic! oder Duuule Savic! , das ist auf der Nordtribüne alles derselbe Schwanz.

Das kapieren normale Leute nicht. Sie kapieren nicht, dass mir Ratko Mladic und die Tschetniks und die Srebrenica-Messerschlitzer am Arsch vorbeigehen. Sie kapieren nicht, dass ich nur deshalb ins Marakana gehe, um wen zu umarmen. Und dass mich wer umarmt. Echt, das kriegst du nicht geschnallt, wenn du nicht da warst. Du kriegst nicht geschnallt, dass es auf der Nordtribüne egal ist, ob meine Verwandten und ich vom Kalemegdan ins Marakana hineinspaziert sind oder ob wir aus dem beschissenen Bijeljina angestunken kommen. Weil das hier alles wir sind. Dreißigtausend Brüder habe ich hier. Zusammengekommen, um wieder mal die Sau rauszulassen.

Scheiß drauf, die einen gehen auf Facebook, wir gehen ins Marakana und zeigen allen Schwuchteln, Skipetaren, Cowboys, Ustascha, balije, Orang-Utans und sonst wem den Stinkefinger, den man ihnen zeigen muss. Im Wesentlichen allen, die dir im Leben auf die Nerven gehen. Allen Ehefrauen, Geliebten, Briefträgern oder Kretins, die dir bei der FIFA 17 auf den Sack gehen. Denn so ist das im Leben. Entweder du zeigst den Kretins den Stinkefinger oder sie zeigen ihn dir. Und mir haben verschiedene Kretins voll einen reingehängt, aber jetzt zeige ich denen im Marakana, was sie mich alle können.

Serbien! Serbien! Raaatko Mladic! Ich fick euch eure Mutter!

Ihr werdet mich nicht mehr ficken! Ich werde nicht mehr euer Tschefur sein! Ich werde nicht mehr euer Janez, Bosanac, Serbe, Flüchtling, Slovenac, Zugewanderter, Kanake sein! Ich werde nicht länger weder von da unten noch von da oben sein, kein Versager und kein Schmarotzer. Nichts werde ich mehr sein.

Raaatko Mlaadiic!!!

Ich bin ein Nichts und Niemand. Marko ÄorÄic. Zwei Ä und ein weiches c. Und Punkt. Klar? Ist das klaaaaar?!

Serbien! Serbien!!!

Aber was red ich denn. Ich könnte bis morgen früh reden und keiner würde mitkriegen, dass ich kein delija und kein Tschetnik bin. Und dass ich auf Roter Stern scheiße und auf den Fußball. Von uns fünf, die wir zusammen ins Marakana gehen, interessiert sich in Wirklichkeit nur Branislav für Fußball. Er tut das wirklich. Er hat Fußball trainiert und schaut noch immer ganze Wochenenden die englische und spanische Liga, um uns dann zu erklären, warum Real im Arsch ist und warum Liverpool in ein oder zwei Saisonen überfickbar sein wird. Der Rest von uns geht hin, um da zu sein, wie mein Fuzine-Nachbar Senad sagen würde. Und weil die Stimmung im Marakana an Sonntagen besser ist als in Bijeljina. Und weil es in Belgrad bessere Tussis gibt. Und weil Nebojsa eine Belgraderin knallt.

Nebojsa fährt mit uns nur nach Belgrad, er geht überhaupt nicht zum Spiel. Und dann erzählen wir ihm auf der Fahrt zurück vom Spiel, und er erzählt uns, wie er sie geknallt hat. Und jedes Mal hackt Rile auf ihn ein, dass er das nächste Mal allein zum Spiel geht, und dass Branislav, Zeko, ich und er derweil seine Studentin knallen werden. Damit wir sehen, ob das wirklich besser ist als Marakana und Fußball und der ganze Wahnsinn. Und jedes Mal sagt die Schwuchtel von Branislav, dass wir knallen können, wen wir wollen, aber er wird schön seine Jelena knallen und fertig.

Und dann hacken wir bis Bijeljina alle auf Branislav herum, weil er so dumm ist, dass er in den besten Jahren nur eine Alte knallt, und er erklärt uns todernst, dass es besser ist, jeden Tag eine Alte zu knallen als alle halbe Jahr andere Weiber. Aber wir lassen ihn ein bisschen seinen Scheiß verbreiten und fragen ihn dann, ob es besser ist, einmal alle halbe Jahr ins Marakana zu gehen, um sich Roter Stern gegen Partisan zu geben, oder sich jeden Tag zu Hause in der Glotze die Wiederholung von ÄukariÄki gegen Borac aus der Saison 2014/15 reinzuziehen.

Serbien! Serbien!

Und hier wälzen wir uns schon vor Lachen, und Branislav erklärt beleidigt, dass ÄukariÄki und Borac überhaupt nicht in derselben Liga spielen, nur dann verklickert ihm Nebojsa, dass er und Jelena auch nicht in derselben Liga spielen, denn sie ist zweite spanische Liga und steigt, wenn sie es schafft, sich nicht allzu sehr aufzudonnern, sogar in die erste auf, während er in der dritten Freizeitliga der Republika Srpska spielt.

Und so weiter, Stich auf Stich, bis ganz nach Bijeljina. Bis zum Montag.

*

Nur, wenn ich ehrlich bin, würde ich auch mit Freuden jeden Tag dieselbe Tussi knallen. Wenn diese Tussi nicht nach Singapur gegangen wäre und wir noch immer zusammen wären, und wenn wir zusammen nach Deutschland oder Schweden gegangen wären, wär alles erste Sahne gewesen. Aber was willst du machen, wenn ihr Deutschland und Schweden zu nah an Bosnien waren und sie angefangen hatte, von dem beschissenen Singapur zu träumen. Ja, so ist das nun mal, mein Freund. Früher war den Bosniern Slowenien zu weit, und jetzt ist ihnen Schweden zu nah.

Dort wird sie wenigstens keine Bosnierin sein , sagte Ranka, als sie hörte, dass sie nach Singapur gegangen ist. Denn was wissen die Singapurer, was Bosnien ist, nicht wahr, Ranka? Ranka kennt sich aus mit Singapurern und so.

Sie wird was anderes sein, wenn sie keine Bosnierin sein will. Immer bist du etwas. Wo immer du hingehst. Nur für deine leibliche Mutter bist du Marko und nichts weiter , antwortete Radovan, der auf seine alten Tage so klug geworden war, dass einem der Kopf wehtat.

Es ist sowieso egal, was sie in Singapur ist. Selbst wenn sie die verstunkenste Tschefurin ist, wird sie nicht zurückkommen. Und selbst wenn sie es täte, was würde sie mit mir anfangen? Mit einem Bauern, der jeden Sonntag Raaatko Mladic! brüllt? Scheiß drauf, das kannst du einem Weiberhirn nicht verklickern. Ein Weiberhirn kapiert nicht, was das für ein Feeling ist, wenn dreißigtausend Menschen mit dir zusammen brüllen. Es kapiert einfach nicht, dass es egal ist, was du brüllst, weil der Kick nur darin besteht, dass die Stimmung kocht bis an die Eier. Ein Weiberhirn kapiert einfach nicht, dass es dasselbe ist wie bei den Bläsern, wo der Witz nicht in der Musik oder in der Melodie steckt, sondern im Blechton, der dir die Rübe röstet. Ein Weiberhirn kapiert einfach nicht, dass Bläser alles Mögliche spielen können, auch Avsenik, wenn du willst, aber sie wird dir trotzdem wegfahren. Das kapiert ein Weiberhirn nicht. Ein Weiberhirn sagt nur, dass ihm die anderen egal sind, du aber nicht....
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Autor

Goran Vojnovic, geboren 1980 in Ljubljana. Bereits mit seinem Debütroman "Tschefuren raus!" hat er mit der Darstellung von Polizeigewalt einen öffentlichen Skandal ausgelöst. Ihm geht es stets unsentimental und doch berührend um Identitätssuche und kulturelle Offenheit. Auch als Filmregisseur entwirft er in starken Bildern ein Sittenbild der postjugoslawischen Gesellschaften. Vojnovic ist einer der erfolgreichsten slowenischen Schriftsteller der Gegenwart, seine Bücher sind in viele Sprachen übersetzt.

Bei Folio sind erschienen: Vaters Land (2016), Unter dem Feigenbaum (2018), Tschefuren raus! (2021)

Bei diesen Artikeln hat der Autor auch mitgewirkt