Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Night Shadow 1. They Who Guard The Night

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
464 Seiten
Deutsch
Moon Noteserschienen am07.10.2022
Paris an der Schwelle zum 20. Jahrhundert: Während die Welt um sie im Wandel ist, stürzt sich die mittellose Odette als Mann verkleidet ins rauschhafte Pariser Nachtleben, wo sie ihre magischen Fähigkeiten entdeckt. Sie gehört zu einer kleinen Gruppe von Menschen mit nachtbezogenen Fähigkeiten, der Bruderschaft der Nachtschwärmer. Mehr noch, sie ist nicht nur die einzige Frau in diesem Männerbund, sondern auch die Einzige, die das Licht und nicht die Dunkelheit beherrscht. Gemeinsam mit dem reichen Schattenspringer Eugène kämpft sie gegen einen Orden, der es auf ihre Fähigkeit und Familie abgesehen hat - und für eine Liebe ohne Standesschranken.

Laura Cardea wurde seit ihrer Kindheit dazu ermahnt, nicht so viel zu träumen. Statt darauf zu hören, erschafft sie nun ihre eigenen Bücherwelten.
mehr
Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR15,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextParis an der Schwelle zum 20. Jahrhundert: Während die Welt um sie im Wandel ist, stürzt sich die mittellose Odette als Mann verkleidet ins rauschhafte Pariser Nachtleben, wo sie ihre magischen Fähigkeiten entdeckt. Sie gehört zu einer kleinen Gruppe von Menschen mit nachtbezogenen Fähigkeiten, der Bruderschaft der Nachtschwärmer. Mehr noch, sie ist nicht nur die einzige Frau in diesem Männerbund, sondern auch die Einzige, die das Licht und nicht die Dunkelheit beherrscht. Gemeinsam mit dem reichen Schattenspringer Eugène kämpft sie gegen einen Orden, der es auf ihre Fähigkeit und Familie abgesehen hat - und für eine Liebe ohne Standesschranken.

Laura Cardea wurde seit ihrer Kindheit dazu ermahnt, nicht so viel zu träumen. Statt darauf zu hören, erschafft sie nun ihre eigenen Bücherwelten.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783969810248
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum07.10.2022
Reihen-Nr.1
Seiten464 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2419 Kbytes
Artikel-Nr.8996397
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Kapitel 1

Seit drei Jahren komme ich nach Hause, wenn meine Familie morgens aufsteht. Manchmal - so wie heute - bin ich so spät, dass mir in den dunstigen Gassen bereits die ersten Arbeiter entgegenkommen. Schlachter, Fabrikarbeiter, Tagelöhner, die Ärmsten der Armen. Ihr Tag beginnt, wenn die Menschen aus der reichen Bourgeoisie nach ihren ausschweifenden Nächten schlafen gehen. Niemand beachtet mich, weil ich längst meine Verkleidung gegen das von Mama geerbte Baumwollkleid getauscht habe, das schon nicht en vogue war, als sie es 1890 gekauft hat. Während ich versuche, den zerfetzten Rocksaum aus den Pfützen herauszuhalten, bin ich wieder eine von ihnen.

Nach einer Nacht mit viel schwerem Wein, blumigem Eau de Parfum und dem Duft nach Ausgelassenheit muss ich mich zusammenreißen, mir nicht die Nase zuzuhalten. Sind alle anderen gegen den Gestank aus den Fabrikschlöten und mangelhaften Abwasserkanälen immun? Eigentlich dürfte mich das nicht wundern. Die Regierung von Paris zählt unseren Häuserblock im Arrondissement L´Hadès nicht grundlos zu den heruntergekommenen îlots insalubres. In den windschiefen Baracken, die Handwerker vor Jahrzehnten ohne Stadtplanung und fließendes Wasser zusammengezimmert haben, sollte heute niemand mehr wohnen.

Und doch erklimme ich die schmale Treppe genau so eines Hauses, das am Rande von L´Hadès kauert. Früher habe ich versucht, die knarzende Tür zu unserem Appartement leise zu öffnen. Doch wie immer in den letzten Wochen schallt Papas Husten bis auf den Flur. Dem Lärm meiner kleinen Geschwister nach zu urteilen, war sein Anfall heute wieder heftig genug, um sie noch vor Morgengrauen zu wecken. Und tatsächlich, ich schließe die Tür auf, und mein Bruder Henri fällt mir fertig angezogen und halbwegs gekämmt in die Arme. Mit elf ist er ein wenig zu alt für diese Anhänglichkeit, und vor seinen Freunden würde er sich nie so zeigen. Doch ich bin froh, dass er die Zuneigung noch nicht gegen jugendliche Gleichgültigkeit ausgetauscht hat.

Ich umarme ihn fest, bis seine Füße vom Boden abheben. »Hast du deine Schulaufgaben erledigt?«

Henri stöhnt und windet sich aus meiner Umarmung. »Natürlich, Oberlehrerin Odette!«

»Nicht so frech!« Ich schließe die Tür und nehme dann Mamas Topf mit gefährlich brodelndem Haferschleim vom Herd, während sie versucht, meine kleine Schwester Joséphine in ihr Kleid zu zwängen. Ich knie mich neben sie, um sie im Kampf gegen die mit Wuttränen übergossene Jo zu unterstützen. Für ein sechsjähriges Mädchen entwickelt sie erstaunliche Kräfte, wenn es darum geht, sich gegen ihre Kleider zu wehren. »Sagt Henri die Wahrheit?«, flüstere ich Mama zu.

»Mathilde hat die Aufgaben kontrolliert.« Sie deutet mit dem Kinn auf die Zweitälteste von uns Geschwistern. Dann streicht sie eine dunkle Strähne, die sich aus ihrem notdürftigen Haarknoten gelöst hat, aus ihrem schmalen, immer sonnengeküssten Gesicht. »Glaube ich«, fügt sie ein wenig entschuldigend hinzu.

»Mama«, stöhne ich und richte mich auf, doch sie beachtet mich schon nicht mehr. Henri muss gute Noten bekommen. Meine Familie kann von fünf Geschwistern nur einen zur Université schicken. Und bei vier Mädchen und einem Jungen stellt sich die Frage nicht, auf wen die Wahl fällt. Für uns Schwestern ist das in Ordnung, denn Henri wird uns versorgen, wenn Papa ... Ich kneife mir in den Unterarm. Nicht jetzt.

Ich geselle mich zu Mathilde, die wie immer in ihrer eigenen Welt lebt und, in die Ferne starrend, einen Apfel wäscht. Er glänzt so sehr, dass sie ihn sicherlich seit mehreren Minuten bearbeitet. Sanft streiche ich über ihre kastanienbraunen Locken, die so wie ihre Haut und ihre seegrünen Augen ein paar Nuancen heller sind als meine. Ich ernte ein verträumtes Lächeln und schneide die bereits gewaschenen Äpfel in Schnitze. »Mama sagt, du hast Henri beim Lernen geholfen?«

»Du siehst müde aus«, bemerkt sie stirnrunzelnd. Als ich nicht darauf eingehe, seufzt sie. »Ihm und Juliette. Nur dass Juliette meine Hilfe gar nicht braucht. Ehrlich, das Mädchen könnte man vor ihre Rechenaufgaben setzen, bis sie ein Loch in ihre Schiefertafel schreibt.«

»Und dann würde sie auf dem Tisch weiterschreiben«, ergänze ich trocken. Einen Wimpernschlag später hängen wir kichernd über den geschnittenen Äpfeln.

Wir sprechen nicht aus, dass Juliette intelligenter ist als Henri. Dass Juliette zur Université gehen sollte. Obwohl Mädchen dort mittlerweile zugelassen werden - wenn auch mit großem Widerwillen und noch größeren Hürden -, ist das nur wenigen aus Akademikerfamilien vorbehalten. Denen, deren Väter ihre Bildung fördern. Ein Mädchen aus unseren Verhältnissen würde zwischen den schnöseligen Kerlen aus der Bourgeoisie nicht eine Woche überstehen. Und selbst wenn sie einen Abschluss einsackt - Geld verdienen könnte sie damit nicht.

Mama deckt nun mit Mathilde und Juliette den Tisch, während Henri sich ein Herz fasst und unser Nesthäkchen Jo bespaßt. Weil endlich etwas Ruhe einkehrt und nichts mehr anbrennen kann, schlängle ich mich zwischen den ungemachten Betten von Jo, Henri und Juliette entlang zur winzigen Kammer, in die meine Eltern ihre Schlafstätte verlegt haben, um Papas Anfälle abzudämpfen. Doch schon vor der Tür erschüttert Papas Husten meine Knochen. Kurz presse ich die Augen zu und kämpfe gegen den Drang, umzukehren. Dann trete ich ein.

Papa klemmt die Hosenträger an seine Arbeitshose, die in den letzten Monaten immer mehr schlackert. Seit ich denken kann, war er ein drahtiger, aber robuster Mann. Unser Beschützer. Vor der Fragilität, die sich in seinen Körper schleicht, würde ich am liebsten die Augen verschließen. Doch das darf ich nicht. Ich fische seine Schieberkappe vom Holzschrank und halte sie ihm hin. »Warst du gestern endlich in der Pharmacie?«

Er schnaubt verächtlich. Ausweichend. Dann folgt trockener Husten, und rote Flecken erblühen in seinem fahlen Gesicht. Jahrelang habe ich ihm gepredigt, er solle sich eine bessere Arbeit als in der Papierfabrik mit all den chemischen Dämpfen suchen. Dafür ist es jetzt zu spät. Niemand stellt jemanden ein, der so krank ist.

Ich balle die Hände, doch zwinge mich, ruhig zu bleiben. Zu oft sind wir deswegen schon aneinandergeraten. »Hol zumindest eine Mentholsalbe von Madame Bouchard.« Meine Stimme schwankt zwischen Befehl und Flehen.

»Die beste Salbe bringt mir nichts, wenn uns wegen ihr das Geld für Essen ausgeht.«

Ich zerre eine Handvoll Francs aus der verborgenen Tasche meines Rocks, von denen ich Jo ein neues Paar Stiefel kaufen wollte. Sie wird Juliettes alte Bottines mit dicken Socken tragen müssen.

Bevor ich Papa jedoch das Geld geben kann, schiebt er meine Hände fort. In seine sanften Augen schleicht sich Argwohn. »Odette, ich habe dir vor Jahren versprochen, nicht zu fragen, woher das Geld kommt.« Er verzieht gequält das Gesicht, und ich weiß, worauf er hinauswill. »Aber falls du -«

»Ich mache nichts dergleichen«, versichere ich ihm, auch wenn sein Gedanke nicht weit hergeholt ist. Einige meiner Freundinnen aus der Schulzeit verdienen sich nachts auf den Straßen etwas dazu. Ich verurteile sie nicht - es fehlt nicht viel, und ich müsste auf die gleichen Mittel zurückgreifen. Gänsehaut prickelt über meine Arme, und ich dränge den Gedanken beiseite. »Weißt du was? Ich kaufe eine Salbe für dich. Du tust es ja eh nicht.« Bevor er widersprechen kann, hebe ich die Hand. »Du sagst immer, mit dem Geld, das ich verdiene, kann ich machen, was ich will.« Triumphierend grinse ich ihn an.

Das Gehalt von Frauen in ehrenwerten Berufen, wie Mamas und Mathildes in Madame Carbonnes Hutmacherei, geht direkt auf das Konto ihres Mannes oder Vaters. Dass ich mein Gehalt entgegen dieser Konvention selbst ausgezahlt bekomme, ist für Papa ein weiterer Grund zur Sorge.

Aber schließlich ist auch alles andere an meiner Arbeit unüblich.

Papa deutet mit dem Finger auf mich. »Meine grauen Haare habe ich wegen dir!«, schilt er mit einem Lachen.

»Wenn ich Ende dreißig bin, werde ich garantiert genauso graues Haar haben - wegen dir.« Ich hake mich bei ihm unter und gemeinsam betreten wir die Stube.

 

Sobald alle fort sind, räume ich unser Appartement auf. Ich schrubbe Töpfe und Tische, mache die eng stehenden Betten und versuche, mich im Kämmerchen, das Mathilde und ich uns als älteste Geschwister teilen, nicht in mein Bett fallen zu lassen. Ich habe noch einiges zu erledigen, bevor ich endlich schlafen kann.

Mit einem Weidenkorb unter dem Arm verlasse ich das Appartement, um zuerst Madame Bouchard aufzusuchen. Sie wohnt allein im spitz zulaufenden Eckhaus am Ende unserer Gasse, wo sie das Ladenlokal im Erdgeschoss und das Dachgeschoss-Appartement darüber mietet. Ich weiß nur wenig über ihre Vergangenheit. Vage Gerüchte darüber, wie sie als Kind mit ihrer Familie von Nigeria nach Boston und als junge Frau nach Paris kam. Und natürlich weiß jeder von ihrem sehr jung verstorbenen Mann. Doch woher sie ihre Kenntnisse der Chemie hat, dank der sie Medikamente für all diejenigen herstellt, die sich Docteurs und Pharmaciens nicht leisten können, entzieht sich mir. Schon vor der Tür rieche ich die bitteren Ausdünstungen dieser Medizin. Und sobald ich den spärlich eingerichteten Laden betrete, in dessen Mitte Madame Bouchard Kräuter mörsert, muss ich durch den Mund atmen.

Eine Gaslampe schenkt dem satten Dunkelbraun von Madame Bouchards Haut einen goldenen Schimmer, der mit den...
mehr

Autor