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Einband grossDie Kronprinzessin
ISBN/GTIN
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
476 Seiten
Deutsch
SAGA Egmonterschienen am28.09.2020
Ein unterhaltsamer Roman über eine Frau, die ihren Weg geht: Charlotte Damgaard hat große Ziele und erreicht diese auch - zumindest der erste Schritt in die von Männern dominierte Welt ist geebnet, als sie dänische Umweltministerin wird und ihren männlichen Kollegen gehörig sagt wo's lang geht. Sie möchte beweisen, dass es möglich ist, als Frau mit Familie Karriere zu machen und dabei sich selbst treu zu bleiben. -

Hanne-Vibeke Holst, geboren 1959, ist eine der erfolgreichsten Autorinnen Dänemarks und Tochter des bekannten Schriftstellerpaars Knud Holst Andersen und Kirsten Holst. Sie lebt und arbeitet in Kopenhagen als Journalistin und Schriftstellerin und schreibt Romane, Sach- und Drehbücher sowie Theaterstücke.
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Produkt

KlappentextEin unterhaltsamer Roman über eine Frau, die ihren Weg geht: Charlotte Damgaard hat große Ziele und erreicht diese auch - zumindest der erste Schritt in die von Männern dominierte Welt ist geebnet, als sie dänische Umweltministerin wird und ihren männlichen Kollegen gehörig sagt wo's lang geht. Sie möchte beweisen, dass es möglich ist, als Frau mit Familie Karriere zu machen und dabei sich selbst treu zu bleiben. -

Hanne-Vibeke Holst, geboren 1959, ist eine der erfolgreichsten Autorinnen Dänemarks und Tochter des bekannten Schriftstellerpaars Knud Holst Andersen und Kirsten Holst. Sie lebt und arbeitet in Kopenhagen als Journalistin und Schriftstellerin und schreibt Romane, Sach- und Drehbücher sowie Theaterstücke.
Details
Weitere ISBN/GTIN9788726569605
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum28.09.2020
Reihen-Nr.1
Seiten476 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.5620638
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Sie fürchtet sich nicht vor der Dunkelheit. Nur vor dem Bild.

 

Es ist weit nach Mitternacht, die Nacht vom zwanzigsten auf den einundzwanzigsten Dezember. Charlotte schläft nicht. Sie liegt mit weit offenen Augen in ihrem Bett, um es nicht aus der Schlaflosigkeit hervortreten zu sehen. Bemüht sich stattdessen, Gegenstände in der filzartigen Dunkelheit des Raumes auszumachen - den Schrank, den Stuhl, die lateinamerikanischen Webstoffe an der Wand, die Lamellen des Rollladens. Lauscht nach den fernen Verkehrsgeräuschen des Jagtvej, hört den Krach eines Kanonenschlags heraus, folgt einer Notfallsirene, einem Frauenlachen in der Straßenschlucht. Fließt hin in der Musik, die aus der Wohnung von unten kommt, träger Jazz, empfindsame Saxofonsoli, die durch die Decke nach oben steigen wie die bläulichen Rauchfahnen einer glühenden Zigarette. Sie denkt an New York, den Club im The Village, in dem sie damals tanzen waren. Vor den Zwillingen. Den Zwillingen, deren Husten in regelmäßigen Abständen von der anderen Seite der Wand zu hören ist. Besonders Jens asthmatisches Bellen. Sie wickelt sich aus den langen Beinen ihres Liebsten, löst seinen Arm von ihrer Schulter. Er fällt schwer aufs Laken. Thomas verschläft alles. Kanonenschläge, Krankenwagen, Kinderhusten. Der Schlaf des Gerechten, sagt er, der nie von Dämonen gejagt wird. Wie sollte er dann ihre verstehen können?

Ohne Licht anzumachen, geht sie durch das Schlafzimmer auf den Gang zum Kinderzimmer. Tastet sich barfuß um Bauklötze, Puppen und Autos herum bis zu Jens Bett vor, setzt sich auf die Bettkante und stützt seinen Hinterkopf, während er, kaum wach, aus dem Wasserglas trinkt, das sie ihm hinhält. Klopft ihm leicht auf den Rücken, redet beruhigend mit ihm, streichelt ihm über die Wange und legt ihn behutsam wieder hin. Ein Lächeln huscht über sein rundes Gesicht, während sie die Bettdecke um ihn herum feststopft und seine Hand hält, bis seine Atmung wieder regelmäßig ist. Unterdrückt den Drang, sich neben ihn in das viel zu kurze Bett zu legen oder ihn in ihr eigenes zu tragen. Dreht sich zu dem anderen Bett, in dem Johanne wie gewöhnlich quer liegt, die Decke weggestrampelt. Sie ist die kleine Schwester, zehn Minuten nach ihrem Bruder geboren. Aber sie ist die Starke. So ist es in ihrer Familie immer gewesen. Auf dieser Seite. Wie ihre Mutter zu sagen pflegte: »Die Kerle waren schon immer nur Schwächlinge.« Während die Frauen das Band gewesen sind, das alles zusammenhält. Generation für Generation. Mit Johanne wurde auch gekuschelt und geschmust. Vielleicht nicht ganz so sanft. Bei ihr hatte sie nie Angst gehabt, sie zu verlieren. Sie kommt schon klar. So wie sie selbst klargekommen ist.

Thomas breitet die Arme aus, als sie zurückkommt und ihre kalten Füße an seiner Wade reibt.

»Kannst du nicht schlafen?«, murmelt er.

»Jens hustet«, antwortet sie und kriecht ganz nah zu ihm hin.

»Wollen wir uns lieben?«, fragt er und lässt seine Hand über ihren Bauch streichen.

»Wir müssen schlafen«, konstatiert sie und gähnt. Schließt die Augen. Spürt die Schwere. Jetzt kann sie schlafen. Er ist auf dem Weg, der Schlaf.

Aber dann trickst er sie doch aus. Gerade als sie glaubt, entkommen zu sein, taucht das Bild auf. Oder besser gesagt die Filmsequenz, die damit anfängt, dass die Mutter den Kuchen aus dem Ofen nimmt und sie bittet, den Vater und Kesse zum Kaffee zu holen. Und sie geht, oder besser, hüpft auf einem Bein über den gekiesten Hof, und es gelingt ihr, sowohl einen Stein zwischen Fuß und Sandale zu bekommen als auch, ihn wieder herauszubefördern und darüber zu spekulieren, ob sie wohl heute Nachmittag am Strand wären. Noch bevor sie die alte Wasserpumpe mit der Zinkwanne, in die die Mutter Ringelblumen gepflanzt hat, in der Mitte des Hofs erreicht hat, hat sie es auch noch geschafft, auf Englisch bis drei zu zählen - one, two, three - und hört ihre Mutter mit dem Porzellan klirren und das Radio aufdrehen. »Es ist was faul in Dänemark/die Dybbøl Mølle mahlt zur Hölle«, grölt John Mogensen durch das offene Küchenfenster, und sie grölt mit.

In diesem Augenblick ist es so sehr Sommertag, wie es nur sein kann. Bis Kesse aus der Scheune kommt, monumental wie ein Riese, ihren Vater über der rechten Schulter schleppend. Auf dieselbe Art, wie er verreckte Schweine trägt. Seither hat sie nicht mit Sicherheit sagen können, ob Kesses Brüllen oder die baumelnden, strümpfigen Füße ihres Vaters der Grund waren, warum sie in die Hose machte.

In jedem Fall war das der Moment, in dem ihre Welt zerbrach. Juli 1974. Als sie neun Jahre alt war.

Sie beißt in eine Ecke ihrer Decke, um die Fortsetzung zu vermeiden. Die Bildfolge dessen, was sie tatsächlich gar nicht gesehen hatte. Wie er es getan hatte. Wie er aus dem Seil des Mähbinders zuerst einen Strick band und danach eine Schlinge knüpfte. Wie er hinaufkletterte und das Reep am Hahnenbalken befestigte. Wie er ein altes Ölfass herbeischaffte, sich die Schlinge um den Hals legte, die Lippen anfeuchtete, die Augen aufriss und die Tonne unter sich wegtrat. Wie ein Zucken über sein Gesicht jagte, weil er es bereute.

An das Bereuen klammert sie sich. Immer noch. Nach all den Jahren. Natürlich bereute er. Da war es nur einfach zu spät.

Die Bilder lassen sie los, verblassen stumm. Aber die Angst ist immer noch da. Wie eine kalte Knochenhand, die ihren Nacken gepackt hat. Sie sucht nach Thomas Hand.

»Thomas?«, flüstert sie.

»Mmmh?«

»Ich habe Angst ...«

»Ich bin bei dir, Schatz«, sagt er und zieht sie zu sich. Schließt seine Hand um ihre Brust, die sich plötzlich so schwer anfühlt wie ein milchgefülltes Euter.

»Oh, wie warm du bist!«, stöhnt er, schon schnell atmend.

Sie nimmt ihn entgegen, küsst seinen Hals, als er in sie gleitet. So vertraut. So lebendig.

Danach schläft sie. Sicher. Wie ihre eigenen Kinder.

 

Charlotte Damgaard war keine Erfindung des Staatsministers.

Ihr Name war nie in einem kleinen, schwarzen Buch notiert worden, sie stand nicht auf der Liste, die er so gut wie fertig hatte, als er an diesem frühen, stockdusteren Dezembermorgen aufwachte. Zu früh. Besonders, wenn man in Betracht zog, wie spät es am Abend vorher geworden war. Aber auch wenn es erst kurz vor fünf war, war ihm klar, dass der Versuch, weiterzuschlafen, zwecklos war.

Stattdessen freute er sich darüber, dass er wenigstens dieses eine Mal zu Hause in der Stockholmsgade aufwachte und nicht in der Suite irgendeines Luxushotels in einer anderen Zeitzone oder draußen auf Marienborg. An und für sich fühlte er sich wohl da draußen - anders als Gitte, seine siebzehn Jahre jüngere Journalisten-Gattin, aber er riss sich nicht darum, dort zu sein, wenn sie auf Reportagereise war. Außerdem waren sie jetzt für den Winter wieder in die Stadt gezogen, nach einem langen, milden Herbst auf dem Land. Was er selbst genossen hatte, als eine Art rekreatives Refugium während der aufreibenden Wochen und Monate vor und nach der fatalen Euro-Abstimmung. Er war sich nicht sicher, ob er das ohne diese Zufluchtsstätte in schöner, friedlicher Umgebung durchgestanden hätte. Aber immer, wenn das Ministerauto den Nybrovej erreichte und über die kopfsteingepflasterte Zufahrt zur Sommerresidenz des Staatsministers rollte, die dem Staat einst von einem reichen jüdischen Mäzen vermacht worden war, entfuhr ihm ein kleiner Seufzer der Erleichterung. Jetzt konnte er es sich erlauben zu entspannen, den Krawattenknoten zu lockern und die Schultern fallen zu lassen. Wenn er nicht gerade sehr spät dran war und als Gastgeber bei einem offiziellen Abendessen erwartet wurde, und wenn nicht Gitte selbst in der Küche stand und das Messer schärfte, das sie ihm in den Bauch zu rammen drohte, sollte er nicht SOFORT zu ihrem (in der Regel mediterran inspirierten) Essen kommen - dann ließ er seinen Chauffeur Mappe und Jackett tragen und ging selbst direkt in den Park, um zwischen den alten, seltenen Bäumen umherzuschlendern, die der Mäzen hatte pflanzen lassen.

Wenn er mit den Fingern über deren Rinde strich, erfüllte ihn jedes Mal das gleiche Gefühl: Dankbarkeit dafür, dass er Zugang hatte zu diesem paradiesischen Garten mit zwitschernden Singvögeln und schwirrenden Libellen, Respekt vor der Großzügigkeit des Mäzens und zugleich eine gewisse Sorge darüber, ob die gegenwärtigen Machthaber, die er als »Beschlussfasser« bezeichnete, denselben Sinn für vorausschauendes Denken haben - »Bäume zu pflanzen« - im Namen der Zukunft. Als eingefleischter Sozialdemokrat mit Wurzeln im zähen westjütländischen Bauern- und Handwerkermilieu war er immer ein verbissener Vorkämpfer des Wohlfahrtsstaates gewesen. Und damit ein ebenso verbissener Gegner des ganzen alten Mäzenatentums mit seiner punktuellen...

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