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Platz der Befreiung

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
253 Seiten
Deutsch
Folio Verlagerschienen am21.03.20231. Auflage
Zwischen Liebe, Aufbegehren und Punkrock: Eine Nahaufnahme von der Entstehung des modernen Sloweniens. Als bei einer politischen Kundgebung ein zögerlicher Konformist einer entschlossenen Rebellin auf die blauen Samtschuhe tritt, nimmt eine verzwickte Liebesgeschichte ihren Lauf. Die beiden gehen Eis essen, besuchen Punk-Konzerte und reden, reden, reden. Wortreich begleitet auch der Vater des jungen Mannes die Umwälzung der späten Achtzigerjahre. Mit skurrilen Seitengesprächen versucht er den Sohn auf die aufziehenden neuen Zeiten einzuschwören und Kapital daraus zu schlagen. Am Ende stehen die slowenische Unabhängigkeit und Ratlosigkeit.

Andrej Blatnik, geboren 1963 in Ljubljana, spielte als Bassist in einer Punkband; mit 20 veröffentlichte er erste Erzählungen. Heute arbeitet er als Verlagslektor und unterrichtet Kreatives Schreiben. Er ist einer der beliebtesten slowenischen Autoren seiner Generation, wobei er laut eigener Aussage lieber lebt als schreibt.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR25,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR17,99

Produkt

KlappentextZwischen Liebe, Aufbegehren und Punkrock: Eine Nahaufnahme von der Entstehung des modernen Sloweniens. Als bei einer politischen Kundgebung ein zögerlicher Konformist einer entschlossenen Rebellin auf die blauen Samtschuhe tritt, nimmt eine verzwickte Liebesgeschichte ihren Lauf. Die beiden gehen Eis essen, besuchen Punk-Konzerte und reden, reden, reden. Wortreich begleitet auch der Vater des jungen Mannes die Umwälzung der späten Achtzigerjahre. Mit skurrilen Seitengesprächen versucht er den Sohn auf die aufziehenden neuen Zeiten einzuschwören und Kapital daraus zu schlagen. Am Ende stehen die slowenische Unabhängigkeit und Ratlosigkeit.

Andrej Blatnik, geboren 1963 in Ljubljana, spielte als Bassist in einer Punkband; mit 20 veröffentlichte er erste Erzählungen. Heute arbeitet er als Verlagslektor und unterrichtet Kreatives Schreiben. Er ist einer der beliebtesten slowenischen Autoren seiner Generation, wobei er laut eigener Aussage lieber lebt als schreibt.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783990371459
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum21.03.2023
Auflage1. Auflage
Seiten253 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1208 Kbytes
Artikel-Nr.11338825
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Diskontinuitäten

Auf diesem Platz haben sich Bezeichnungen, Herrscher und Paraden abgewechselt. Angelegt hatte man ihn für den Kongress der Heiligen Allianz, der Allianz gegen die Französische Revolution. 1821 trafen einander zahlreiche Staatsoberhäupter in der Stadt. Es kamen der österreichische Kaiser, der russische Kaiser, der König von Neapel und andere Herrscher.

Drei Jahre später unter Bürgermeister Hradecky als sternförmiger Park umgestaltet, war er der erste öffentliche Park der Stadt. Kosmologen sagen, er sei ein Visionär gewesen, der Stern habe bereits auf die neuen Zeiten hingewiesen, ein paar Jahre später zerfiel die Heilige Allianz.

Am schönsten geschmückt war der Platz, als Kaiser Franz Joseph seine slowenischen Untertanen gemeinsam mit der Kaiserin mit einem Besuch beehrte. Danach herrschte dort immer mehr slowenisches Treiben. Die Slovenska matica, eine Art Patriotischer Gesellschaft, wurde zu einer entscheidenden Heimstatt für slowenische Gedanken und Bücher. Das Gebäude der Slowenischen Philharmonie ersetzte das abgebrannte ständische Landestheater. Das blieb in Erinnerung, schließlich war hier Linharts Zupanova Micka aufgeführt worden, das erste Volksstück in slowenischer Sprache, Mäzen der Aufführung war der reichste Bürger Krains, Baron Ziga Zois.

Aber noch immer war alles zusammen österreichische Monarchie. Mit einer großen Parade wurde der hundertste Jahrestag der Schlacht von Aspern gefeiert, der Sieg der österreichischen Armee über die Truppen Napoleons. Der Wandel erfolgte langsam. Im Landespalais tagte bis zur Gründung der slowenischen Universität der Krainer Landtag.

Das Kazina-Gebäude war ein Ort der sozialen Trennung. Im Erdgeschoss gab es ein Café und ein Billardzimmer für jedermann, Wohnungen für Bedienstete, der erste Stock war Mitgliedern der Gesellschaft vorbehalten: ein großes Billardzimmer, zwei Speise- und Rauchzimmer, zwei Lesesäle, ein Saal für vierhundert Personen. Die Mitgliedschaft in der Gesellschaft diente der Förderung des Handels , der Bildung entsprechend dem Geschmack unserer Zeit und einer gebildeten Kreisen angemessenen Unterhaltung für repräsentable Menschen . Diese repräsentablen Menschen waren die Laibacher Deutschen, dort gab es auch einen Offiziersklub. Die Slowenen protestierten vor dem Gebäude.

Das Kazina-Gebäude war lange Zeit der Treffpunkt der wechselnden herrschenden Schicht. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde es der Gesellschaft von der neuen Regierung weggenommen und von der Jugoslawischen Demokratischen Partei übernommen, jetzt versammelte sich dort die liberale slowenische Bourgeoisie. Während des Zweiten Weltkriegs wurde es Sitz der Kommandantur des italienischen Armeekorps, nach der italienischen Kapitulation belegten es die Deutschen mit Beschlag und nach Kriegsende die Volksversammlung Sloweniens. Als dann ein neues Gebäude für die Volksversammlung, das Parlament und die Nationalversammlung gebaut wurde, stand das Kazina Tänzern, Folkloristen, Studenten, Archivaren und Historikern offen; das Treiben in den Gängen zeigte, wie die einstmals elitären Räumlichkeiten vom Volk vereinnahmt wurden. Die Statiker fragten sich, ob die tragenden Säulen einer solchen Veränderung standhalten würden.

Am 29. Oktober 1918, zu Kriegsende, sprach Bürgermeister Ivan Hribar zur Menge auf dem Platz. Bei Ausbruch des folgenden Krieges, er war mittlerweile neunzig Jahre alt, bot ihm die italienische Armee, die die Stadt besetzt hatte, erneut das Bürgermeisteramt an. Stattdessen erschoss er sich, in eine jugoslawische Fahne gehüllt, auf der Brücke über die Ljubljanica und stürzte in den Fluss. In seinem Abschiedsbrief zitiert er den Nationaldichter: Es droht der Erdenschoß mit wen ger Grauen als Sklaventage unter heller Sonne, und fährt fort: Deshalb vereine ich mich mit dem Universum, dessen unaussprechlich kleines Teilchen ich bin.

Die Bürger gingen ins Elite-Kino Matica in der Slowenischen Philharmonie. Die Filme wurden von einem Streichquintett begleitet, sieben Jahre später gesellte sich der Ton hinzu. Das Kino wurde von Pavla Jesih betrieben, die nach dem Krieg von einem nationalen Ehrengericht mit der Beschlagnahme ihres Vermögens bestraft wurde und erst viele Jahre nach ihrem Tod zu einer berühmten Alpinistin wurde, über die Filme gedreht und Theaterstücke verfasst wurden. Sie hatte sich als Hüttenwirtin durchgeschlagen und war in Armut und Einsamkeit geendet. Ihr letzter Wunsch, dass ihre Asche vom Gipfel des Spik in den Himmel gestreut werde, wurde erst vier Jahrzehnte nach ihrem Tod erfüllt. Zur Zeit ihres Todes war die Verbrennung von Leichen nicht erlaubt, da es in Slowenien kein Krematorium gab. Oder umgekehrt.

Der Platz wartete auf Neuzugänge, auf neue Machthaber. Auf ihm wechselten sich österreichische, italienische und tschechische Architekten ab. Auf ihm baute Mitteleuropa und kämpfte um seine Gestalt. In der Zwischenkriegszeit wurde er von PleÄnik neu gestaltet. Im Jahre 1940 wurde ein Denkmal für König Alexander errichtet, der sechs Jahre zuvor bei einem Attentat getötet worden war. Er hatte ein geeintes Jugoslawien gewollt, und Nationalisten der verschiedenen Völker hatten sich im gemeinsamen Wunsch zusammengefunden und ihn im Ausland erschossen. Sein Sohn, König Peter II., der die Regierung im Alter von elf Jahren übernehmen musste, kam zur feierlichen Enthüllung des Denkmals. Es ist besser, einen Vater in Bronze zu haben als gar keinen. Die gepflanzten Eichen wurden gefällt und durch Platanen ersetzt.

Im folgenden Jahr rissen die Italiener das Denkmal über Nacht ab und schmolzen es ein. Die Königliche Oper von Rom trat auf dem Platz auf, und der legendäre Beniamino Gigli sang. Die Italiener waren stolz: Wir haben für nachhaltige geistige Nahrung in Form von Hochkultur gesorgt! Da aber die tägliche Nahrung in der Stadt Mangelware war, wurde der Park umgepflügt und auf den Militäräckern Gemüse angebaut. Die Hochkultur wurde durch den Überlebenskampf von einem Tag auf den anderen unterhöhlt, man begann, Bunker zu graben.

Am Tag der Befreiung marschierte die Partisanenarmee auf den Platz, und noch im selben Monat sprach der Marschall vom Balkon der Universität herab. Er sprach voller Pathos und rechnete mit allen ab, die an ihm und seiner Vision Zweifel haben sollten. Die Hand der Gerechtigkeit, die Rachehand unseres Volkes hat schon die große Mehrheit erreicht, und nur einem kleineren Teil von Verrätern ist es gelungen, unter dem Schutz von Gönnern aus dem Ausland zu entkommen. Diese Minderheit wird nie wieder unsere herrlichen Berge, unsere blühenden Felder sehen. Sollte es aber doch geschehen, wird es nur für sehr kurze Zeit sein. Es regnete. Die Menge war selig.

Ein Denkmal in Form eines Ankers wurde auf dem Platz aufgestellt, als Primorje und Istrien offiziell ein Teil Sloweniens wurden. Den Beweis, dass auch die Slowenen Seefahrer sind, steuerte das während des Kriegs versenkte italienische Schiff Rex bei. Der Anker wirkte vereinigend - in einer Zeit ohne Mobiltelefone verabredeten sich die Menschen vor der Post, unterm Preseren-Denkmal oder am Anker.

Ende der Sechziger protestierten die Studenten. Ende der Achtziger alle, die Zeit hatten, alle, die es nicht eilig hatten, zu den Schlussverkäufen zu kommen. Macht eine Revolution, macht eine Revolution! Nur macht sie ohne mich, ich hab heute keine Zeit!, spottete die Band Kuzle über die Gelegenheitsrevolutionäre. Auch die Ljublanski psi und die Buldogi geigten ihren Teil dazu. Viele Hundegruppen, vielleicht in Erinnerung an den Spruch, dass nur ein treuer Hund einen glatten Weg durchs Leben hat.

Auf dem Platz verlas Tone PavÄek die Mai-Deklaration, dass wir in einem souveränen Staat der slowenischen Nation leben wollen, und der kann nur gegründet sein auf der Achtung der Menschenrechte und der Freiheiten, der Demokratie, die den politischen Pluralismus einschließt, und einer Gesellschaftsordnung, die das geistige und materielle Wohlergehen im Einklang mit den natürlichen Gegebenheiten und in Übereinstimmung mit den Fähigkeiten der Bürger Sloweniens gewährleistet. Die Menschen applaudierten.

Neue und immer neue Meetings, neue und immer neue Feierlichkeiten. Der amerikanische Präsident Clinton hatte Ende des Jahrtausends einen kurzen Auftritt auf dem Platz. Er setzte sich für die Zukunft eines Europas ohne Grenzen ein, für ein geeintes und demokratisches Europa. Amerika werde helfen. Das Volk applaudierte. Es regnete.

Dann schien der Platz zur Ruhe zu kommen. Er war zu einem großen Parkplatz geworden, der zeitweilig für Großveranstaltungen gesperrt wurde. Später zog der Parkplatz unter die Erde. Der Platz beherbergte Buchmessen, Zieleinläufe beim Stadtmarathon, Beach-volleyball. Alle verschieden, alle gleichberechtigt. Demonstrationen und Feiern verlagerten sich auf den Nachbarplatz, vor die Nationalversammlung. Aus dem Platz der Revolution wurde der Platz...
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Autor

Andrej Blatnik, geboren 1963 in Ljubljana, spielte als Bassist in einer Punkband; mit 20 veröffentlichte er erste Erzählungen. Heute arbeitet er als Verlagslektor und unterrichtet Kreatives Schreiben. Er ist einer der beliebtesten slowenischen Autoren seiner Generation, wobei er laut eigener Aussage lieber lebt als schreibt.