Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Tod im Palazzo

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
288 Seiten
Deutsch
Diogeneserschienen am27.08.20142. Auflage
Mord, Selbstmord oder Unfall? Wenn es in einer der ältesten Adelsfamilien von Florenz einen Toten zu beklagen gibt, kann es nichts anderes als ein Unfall gewesen sein. Ein Selbstmord würde den Ruf der Familie ruinieren und den Verlust der dringend gebrauchten Versicherungssumme zur Folge haben. Wachtmeister Guarnaccia glaubt aber nicht, daß das, was im Palazzo Ulderighi geschehen ist, ein Unfall war...

Magdalen Nabb, geboren 1947 in Church, einem Dorf in Lancashire, England, gestorben 2007 in Florenz. Sie studierte an der Kunsthochschule in Manchester und begann dort zu schreiben. Von 1975 an lebte und arbeitete sie als Journalistin und Schriftstellerin in Florenz.
mehr
Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextMord, Selbstmord oder Unfall? Wenn es in einer der ältesten Adelsfamilien von Florenz einen Toten zu beklagen gibt, kann es nichts anderes als ein Unfall gewesen sein. Ein Selbstmord würde den Ruf der Familie ruinieren und den Verlust der dringend gebrauchten Versicherungssumme zur Folge haben. Wachtmeister Guarnaccia glaubt aber nicht, daß das, was im Palazzo Ulderighi geschehen ist, ein Unfall war...

Magdalen Nabb, geboren 1947 in Church, einem Dorf in Lancashire, England, gestorben 2007 in Florenz. Sie studierte an der Kunsthochschule in Manchester und begann dort zu schreiben. Von 1975 an lebte und arbeitete sie als Journalistin und Schriftstellerin in Florenz.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783257605952
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Verlag
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum27.08.2014
Auflage2. Auflage
Reihen-Nr.8
Seiten288 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse917 Kbytes
Artikel-Nr.1479809
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
[5] 1

Der Wachtmeister konnte sich noch immer sehr genau an die nächtliche Szene erinnern. Trotzdem hatte sie etwas, wodurch sie in seiner Erinnerung eher wie ein spektakulärer Film oder der Höhepunkt eines Theaterstücks erschien, und irgendwie war sie ihm schon damals unwirklich vorgekommen. Vielleicht lag es daran, daß der Turm, dessen Spitze er schließlich, völlig außer Atem, erreichte, so hoch war und die handelnden Figuren, die unten im Hof das Stück aufführten, so winzig wirkten.

Die Florentiner Nacht war heiß, der Himmel samtig, der Mond groß und hell. Man konnte gerade noch erkennen, daß in der mächtigen Eisenlaterne, die im Durchgang hing, ein Licht brannte, ein so schwaches allerdings, daß der Wachtmeister die Kolonnade und den Brunnen in der Mitte kaum wahrgenommen hätte, wenn der Mondschein nicht gewesen wäre. Der Körper lag mit dem Gesicht nach unten beim Brunnen, darübergebeugt die dunkle Silhouette der Frau. Alles war still. Andere dunkle Figuren traten aus der noch tieferen Düsterkeit der Kolonnade und näherten sich zögernd dem zentralen Tableau, doch bevor sie die Gruppe erreichten, blieben sie stehen und bildeten eine Art Kreis. Eine Taschenlampe flammte auf, wurde aber sofort wieder ausgemacht. Niemand störte die Frau, die reglos neben dem ebenso reglosen Körper [6]kniete. Sie hätte eine Mutter sein können, die über ihr schlafendes Kind wacht, besorgt, daß jede Bewegung es aufwecken könnte. Den Wachtmeister hoch oben auf dem Turm erreichte keine Stimme. Das Bild blieb unbeweglich, unnatürlich lange, bis die Besatzung des Krankenwagens kam und mit einem weißen Rechteck zur Mitte vordrang. Der Kreis von Köpfen öffnete sich.

Der Wachtmeister hielt sich mit seinen großen Händen an der warmen steinernen Brüstung fest und beugte sich weiter vor. Angespannt wartete er darauf, daß die Frau zusammenbrechen würde. Jeden Moment mußte es passieren, und auch für ihn wäre es eine Erleichterung gewesen. Er sah, wie das weiße Rechteck abgestellt wurde und eine der schwarzen Figuren sich über sie beugte. Er sah, wie sie den Kopf nach hinten warf und zu ihm hochblickte, als wollte sie ihn anklagen, obwohl sie ihn nicht sehen konnte. Er spürte, wie der angestaute Schmerz endlich aus ihrem Körper wich, hörte aber nichts, denn genau in diesem Moment setzte das Feuerwerk ein, eine rote Fontäne zeichnete sich glitzernd auf den tiefschwarzen Himmel und explodierte in sanft zischenden Sternen, die in Zeitlupentempo auf die Dächer herunterfielen. Ein paar Sekunden lang waren alle Dächer und Türme von Florenz in einen warmen Schein getaucht, der Arno dazwischen schlängelte sich rosafarben dahin, und die Menschenmenge am Ufer brüllte und klatschte begeistert. Dann war es wieder dunkel, und eine rosa Rauchwolke verdeckte den Mond. Der Wachtmeister, benommen und abgelenkt, hörte nur seinen Atem und spürte den glatten warmen Stein unter den Händen.

[7]Daran, wie er seinen massigen Leib über Hunderte von Stufen hinunterbekommen hatte, konnte er sich viel undeutlicher erinnern. Er entsann sich nur, daß die Treppe so schmal war, daß er mit der rechten Schulter oft gegen die rohen Steine stieß und daß die ausgetretenen Stufen im Dunkeln heimtückisch waren. Er ging langsam, da er die kleine Figur nicht einholen wollte, die vor ihm hinuntertappte. Diese Überlegung war ihm jedenfalls damals durch den Kopf gegangen. Jetzt, nachdem alles vorbei war, konnte er zumindest sich selbst eingestehen, daß er keine große Lust verspürt hatte, sich mit der Szene im Innenhof abgeben zu müssen. Tatsächlich hatte ihn auch kaum jemand bemerkt. Der Oberstaatsanwalt hatte ihn flüchtig gesehen, doch dessen ganze Aufmerksamkeit galt der Marchesa, so daß er wartete, bis sie beruhigt und weggeführt worden war, dann ging er über den halbdunklen, ruhigen Innenhof und trat hinaus auf die laute Straße. Dort blieb er stehen, wartete eine Verkehrslücke ab und holte tief und erleichtert Luft, als ihn das helle Licht von Gino´s und der Duft heißer Pizza in das Leben und in die schöne Normalität zurückholte.

Und nun saß er in seinem Büro in der Carabinieriwache vom Palazzo Pitti, zwei dicke Finger auf den Tasten der Schreibmaschine, und erforschte sein Gewissen. Zu schaffen machte ihm die Tatsache, daß sein Gewissen nicht protestiert hatte, nachdem er sich darüber klargeworden war, was er in seinen Abschlußbericht schreiben sollte. Das kam erst später, als der Oberstaatsanwalt ihn gebeten hatte, das zu tun, was er ohnehin beabsichtigt hatte. Ein solcher Mann ... na ja, grob gesagt, wenn man [8]einem solchen Mann zustimmte, mußte man genauso schlecht sein wie er. Der Wachtmeister konnte den Oberstaatsanwalt nicht leiden. Ein kleiner Beamter wie er konnte davon ausgehen, daß er sein Leben lang den Oberstaatsanwalt nicht zu sehen bekommen würde. Selbst die Staatsanwälte, die die Fälle leiteten, mit denen er hin und wieder zu tun hatte, pflegten normalerweise mit den Vorgesetzten des Wachtmeisters direkt zu kommunizieren. Er tippte »In den Abendstunden des 24. Juni« und hielt inne. Einem solchen Mann zuzustimmen ...

Daß zwei völlig verschiedene Menschen aus zwei völlig verschiedenen Gründen zu den gleichen Schlußfolgerungen kommen könnten, erschien dem Wachtmeister unvorstellbar. Logisches Denken war nicht seine Stärke. Das Schreiben von Berichten auch nicht, selbst wenn es einfache Ermittlungsprotokolle waren, und dieser hier war alles andere als einfach. Was hatte seine Frau gleich gesagt, als sie sich einmal wegen irgendeiner Sache gestritten hatten und er erklärt hatte, daß es nicht richtig sei. »Vielleicht ist es nicht richtig«, hatte sie erwidert, »aber was richtig ist, muß nicht immer gut sein.« Er war damals viel zu wütend gewesen, um sie zu fragen, was das bedeuten sollte, aber jetzt bedauerte er, sie nicht gefragt zu haben, denn es bezeichnete seine eigenen Gefühle ...

»In den Abendstunden des 24. Juni ...«

»Phhh!« Er riß den Bogen aus der Schreibmaschine und zerknüllte ihn mit einer Hand. Mit seinen großen Glupschaugen starrte er auf den Straßenplan an der gegenüberliegenden Wand. Die Sonne schien darauf. Er schwitzte. Hunger hatte er auch. Ein Ausspruch fiel ihm [9]ein: »Wer mit hohen Leuten verkehrt, ist der letzte bei Tisch und der erste am Galgen.« Der junge Engländer hatte ihn aufgesagt oder vorgelesen. Wohl wahr. Wieder spürte er die schönen Augen der Marchesa Ulderighi, die sich ihm bei jenem ersten Mal zugewandt hatten, so daß er sich wie ein niedriges Wesen vorkam, das die Luft verunreinigte, die sie einatmete. Die Erinnerung daran beschämte ihn, und verärgert über seine eigene Schwäche stand er auf und ging im Zimmer auf und ab. Dabei kollidierte er immer wieder mit dem Gummibaum, den seine Frau gekauft und vor das Fenster gestellt hatte, genau dorthin, wo er sonst immer stand und hinausblickte. Ächzend, denn er selbst war mehr als nur ein bißchen übergewichtig, wuchtete er den schweren Topf zur Seite und öffnete das Fenster. Vom Boboli-Garten strömte warme Luft herein und mit ihr der intensive Geruch von Tomatensoße mit Knoblauch und Basilikum, das Geräusch von Geschirrklappern und das Zeitzeichen der Mittagsnachrichten. Die Jungs waren also schon oben in der Kantine beim Essen, und er hatte die Zeit vergessen! Mit einem Seufzer der Erleichterung schloß er das Fenster und verließ sein Büro. Ein gutes Mittagessen, ein kleines Schläfchen, mit Teresa und den Kindern ein wenig plaudern, und dann würde er noch einmal anfangen, ganz von vorn.

Angefangen hatte es, zumindest für den Wachtmeister, am zweiten Sonntag im Juni und mit der ersten Runde des Fußballturniers. Die ganze Sache ging eigentlich auf diese blödsinnige Fußballgeschichte zurück und auf die kalten Augen der Marchesa Ulderighi. Nicht, daß der [10]Wachtmeister etwas gegen Fußball hatte, das heißt, richtigen Fußball, dem er ein vage wohlwollendes Interesse entgegenbrachte und bei dessen Fernsehübertragungen Mittwoch abends er in seinem Sessel regelmäßig einnickte. Diese Florentiner Version aber war etwas anderes. Nie würde er den Tag vergessen, als er das Spiel zum erstenmal sah - es mußte vor mehr als fünfzehn Jahren gewesen sein. Er hatte den Umzug durch die Stadt mit Freude verfolgt. Hellebardiere und Gildenvertreter und andere Personen in mittelalterlichen Kostümen im hellen Sonnenlicht, die Trommler und Fahnenschwenker und die Pferde, die sich durch die engen Gassen und die Menge ihren Weg bahnten. Malerisch, dachte er, eine hübsche Show für die Touristen, die auf den Tribünen rings um den großen sandbedeckten Platz saßen und friedlich an ihren schmelzenden Eistüten leckten. Sie und der Wachtmeister wurden vom Preis abgelenkt, einer weißen Kuh mit goldenen Hörnern, die, ein wenig benommen von den flatternden Seidenfahnen und den dröhnenden Trommeln, in die Arena geleitet wurde.

Erst als die kostümierte Truppe abgezogen war und das Feld den Spielern überlassen hatte, beschlich den Wachtmeister ein dunkler Zweifel. Auch sie trugen Kostüme, aber die aufgeschlitzten Ärmel und die Kniehosen und die langen, bunten Strümpfe milderten nicht den Eindruck, den ihre Stiernacken und ihre kämpferischen Mienen erzeugten. Der Wachtmeister, der bei diesem ersten Mal Dienst hatte, stand direkt am Rand des Spielfelds, und die Erregung, die aggressive Sprache und bestimmte Gesten entgingen ihm keineswegs. Die Touristen, in sicherer [11]Entfernung auf den teuren Sitzgelegenheiten hinter den Notabeln und dem Bürgermeister der Stadt untergebracht, leckten noch immer an ihren Eistüten und plauderten. Auf den anderen Tribünen aber, wo die lokalen Fans saßen,...
mehr

Autor

Magdalen Nabb, geboren 1947 in Church, einem Dorf in Lancashire, England, gestorben 2007 in Florenz. Sie studierte an der Kunsthochschule in Manchester und begann dort zu schreiben. Von 1975 an lebte und arbeitete sie als Journalistin und Schriftstellerin in Florenz.